Volltext Seite (XML)
Sinken der Lohnsätze die wirthschaftliche Lage der Arbeiter verschlechtern, und der zugedachte Schutz würde zur schweren B en achthei 1 i- g u n g werden. Im übrigen müfste die in Rede stehende Mafsregel die Industrieen sehr verschieden treffen, je nachdem der Antheil gröfser oder kleiner ist, den der Arbeitslohn in dem Verhältnifs zu den sonstigen Herstellungskosten beträgt. Die generelle Einführung des Maximalarbeitstages würde dem- gemäfs in ihrer Wirkung auch ungerecht sein. Der für Alle gleiche Maximalarbeitstag würde aber diejenigen Betriebe besonders schwer treffen, welche mit •ihren Betriebsmitteln und sonstigen Einrichtungen nicht ganz auf der Höhe der Zeit stehen und ihre Concurrenzfähigkeit mit den besteingerichteten Anlagen nur mit Hülfe einer etwas längeren Arbeitszeit erhalten können. Es könnte angeführt werden, dafs solche Betriebe überhaupt keine Existenzberechtigung haben. Die Concentration der Industrie in verhältnifs- mäfsig wenigen durchaus kapitalkräftigen Händen, ein durch den Ruin der Schwächeren unaufhalt samer Vorgang, würde jedoch wirthschaftliche und sociale Nachtheile im Gefolge haben, die weiter darzulegen hier nicht erforderlich sein dürfte. Der Antragsteller behauptet ferner, dafs der generell eingeführte Maximalarbeitstag die Ueber- production in wohlthätiger Weise einschränken würde, und er weist dabei auf die in verschie denen Industrieen hervorgetretenen Bestrebungen hin, die Production zu mindern. Wir erwidern, dafs nicht in allen Industrieen Ueberproduction stattfindet, und dafs auch, wo solche vorhanden ist, eine gesetzliche, durch Einführung des Maximalarbeitstages erzwungene Minderproduction schwere Ungerechtigkeiten be dingen würde. Denn wenn auch in einem In dustriezweige zu viel producirt wird, so giebt es immer eine Reihe von Industriellen, die trotzdem die Erzeugnisse ihrer vollen Production leichter absetzen, als ihre Concurrenten, weil sie entweder durch bessere Qualität ihrer Fabricate, oder durch gröfsere Rührigkeit, Umsicht und Geschäfts- kenntnifs einen Vorsprung gewinnen. Hierin liegt wohl der wesentlichste Grund für die Mifs- erfolge aller bisherigen industriellen Vereinigungen, welche sich die gleichmäfsige Verminderung der Production als_Ziel steckten. Ob der neuere Vorgang in der Kohlenindustrie des Ruhrgebiets, auf welchen sich der Antrag steller beruft, von Erfolg begleitet sein wird, läfst sich durchaus noch nicht übersehen. Wir wollen nicht in Abrede stellen, dafs auch Formen gefunden werden können , bei deren Anwendung eine als nothwendig erkannte Minderung der Production zu erreichen ist, ohne die freie Bewegung der Einzelnen in Ausnutzung ihrer besonderen Chancen einzuengen. Die Ver- V1.7 folgung dieser Aufgabe wird jedoch immer Sache der vollkommen freien Vereinbarung sein und bleiben müssen. Daher nehmen wir an, dafs es nicht die Aufgabe der Gesetzgebung sein kann, wenn auch nur indirect durch Einführung des Maximal arbeitstages , auf eine Minderung der Production einzuwirken; denn solche Einwirkung würde die Unternehmer ungleich und daher ungerecht treffen. Der Antragsteller geht aber noch weiter, indem er, nach Einführung des Maximalarbeits tages, die Berufsgenossenschaften berech tigen will, eine weitere Herabsetzung der Arbeitszeit zu beschliefsen. Der Abgeordnete Dr. Buhl will die Berufsgenossenschaften nur zur Mitwirkung bei Beseitigung der Mifsstände einladen, die sich nach den Berichten der Fabrik inspectoren herausgestellt haben. Viel weiter ging der Abgeordnete Lohren. Er, und wie er versichert, auch seine Partei genossen wollen die Regelung der Produc tion durch die Berufsgenossenschaften, und sie legen einer solchen Function hervorragende Be deutung bei, „weil auf diesem Wege mit der Zeit auch eines der grofsartigsten Probleme gelöst werden dürfte, die es überhaupt giebt: das Problem, den Arbeitern eine Garantie für Beschäftigung, eine Sicherheit gegen gänzliche Arbeits- und Brodlosigkeit, ein gewisses Mafs des Rechtes auf Arbeit zu gewähren“. Es ist selbstverständlich, dafs wir auf dieses durch die Berufsgenossenschaften zu lösende „Problem“ vor näherer Darlegung desselben nicht eingehen können. Auch inwieweit diese Körperschaften sich dazu eignen oder nicht eignen, die von dem Antragsteller und dem Abgeordneten Dr. Buhl ihnen zugewiesenen speciellen Functionen zu erfüllen, wollen wir hier nicht näher erörtern. Wir müssen uns aber entschieden gegen jede Erweiterung der Competenzen der Berufsgenossenschaften über die Grenzen der ihnen durch Gesetz zuge wiesenen Befugnisse hinaus aussprechen. Zu dieser Zurückweisung werden wir durch verschiedene Erwägungen veranlafst. Es mögen die in diesen Körperschaften zusammengefafsten Berufsgenossen bezüglich der Unfallversicherung der Arbeiter durch dieselben Interessen vereinigt werden, in wesentlichen anderen Beziehungen ist diese Interessengemeinschaft nicht vorhanden. In Rheinland und Westfalen sind beispielsweise grofse Hochofenwerke, Giefsereien, Maschinen fabriken und kleinste Schleifer, Messerschmiede und dergl. mit ein bis zwei Arbeitern, welche auf die Ausnutzung geringer Wasserkräfte ange wiesen sind, in einer Berufsgenossenschaft ver einigt. Die Interessen dieser Betriebe dürften 6