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312 Nr. 5. «STAHL UND EISEN.“ Mai 1887. welche letztere Form, wie schon erwähnt, das Niederrücken der Schmelzmassen und die Be dienung der Gicht erleichtert. So entstand jene bekannte Form mancher Slücköfen: zwei mit ihren breiten Flächen aufeinander stehende ab gestumpfte vierseitige Pyramiden oder Kegel, eine Form, welche, da sie nur bei Oefen von gröfserer Höhe sich ausbilden konnte, am leichtesten zur Entstehung von Roheisen Veranlassung geben mufste und in Gegenden, wo man später vor zugsweise weifses Roheisen erzeugte, z. B. in den österreichischen Alpen, bis heute als die gebräuchlichste Form auch für Hochöfen bei behalten worden ist. Nach Jars hatten die Flofs- öfen, d. i. Hochöfen, zu Eisenerz im vorigen Jahr hunderte 3,5 m Höhe, unten eine Weite von etwa 88 cm, im Kohlensack von etwa 1 m, an der Gicht von 60 cm. Montags früh wurde der Ofen gefüllt und angeblasen und Sonnabend früh wieder ausgeblasen. In dieser Zeit schmolz man 20 t Erz mit etwa 150 cbm, d. i. 22 t Holz kohlen. Die Begründung dieses auch für damalige Zeit hohen Kohlenverbrauchs sucht der genannte Schriftsteller in dem Umstande, dafs man keine genaue Rechnung über den Kohlenverbrauch führe „und die Schmelzer so viel Kohlen nehmen, als sie wollen“.. So wenig, als uns bekannt ist, wann und wo zuerst die Roheisendarstellung im allgemeinen als selbständiger Betriebszweig eingeführt wurde, wissen wir etwas Näheres über die erste Dar stellung des grauen Roheisens. Wahrscheinlich ist es, dafs man eine regelmäfsige Roheisendar stellung überhaupt erst einführte, nachdem man durch Zufall die Bedingungen, unter welchen graues Roheisen entsteht, kennen gelernt und alsdann die Vorzüglichkeit dieses Materials für die Herstellung von Gufswaaren erkannt hatte. So entwickelte sich jene Art des Betriebes, wie sie vom 15. bis gegen die Mitte des 19. Jahr hunderts in den meisten Ländern bei Holzkohlen betrieb üblich war: der Hochofen bildete den eigentlichen Schmelzofen der Eisengiefsereien, welcher diesen das flüssige Eisen zu liefern hatte, und die Abfälle sowie das am Sonntage erblasene Eisen wurden im Frischfeuer verarbeitet. Die Hauptbedingung für die Erzielung grauen Roheisens aber war und ist eine hohe Temperatur im Schmelzraume; und man erkannte, dafs aufser durch Erhöhung des Brennstoffsatzes die Ent stehung derselben vornehmlich durch eine gröfsere Höhe des Ofens und durch Anwendung eines engen Schmelzraumes begünstigt werde. Es ent standen jetzt erst die eigentlichen Hochöfen, 4 m und darüber hoch, und von jener eigenthüm- lieben Form, die sich in ihren hauptsächlichsten, schon oben gekennzeichneten, Eigenthümlichkeiten bis heute erhalten hat, aus dem Gestelle, der Rast und dem oberen Schachte bestehend. Wenn die Verengung des Ofens in der Form ebene ursprünglich, wie oben hervorgehoben wurde, den Zweck hatte, das Vordringen des Windes bis zur gegenüberliegenden Seite zu er möglichen, so kam jetzt, sobald man graues Roheisen darstellle, die erwähnte Nothwendigkeit hinzu, eine gesteigerte Temperatur bis zu einer gewissen Höhe oberhalb der Formen zu ent wickeln; und so entstand das eigentliche Gestell. Je kleiner der Querschnitt desselben ist, desto geringer ist die Menge der innerhalb des Quer schnitts befindlichen wärmeaufnehmenden Körper, desto unbedeutender die Abkühlung der mit grofser Geschwindigkeit aufsteigenden Gase. Die Art und Weise, wie man schon in früheren Jahrhunderten das Gestell herstellte, scheint mir ziemlich deutlich darauf hinzuweisen, dafs die Anordnung desselben aus der durch die Erfahrung festgestellten Nothwendigkeit her vorgegangen war, den unteren Theil des Ofens bis zu einer gewissen Höhe hinauf zu verengen: man führte zunächst den Schacht mit der Weite, welche er im Kohlensack besafs, oder nur sehr allmählicher Verjüngung nach unten bis auf das Fundament hinunter und setzte dann das Gestell ein, wie man eine zu weite Oeffnung durch Ein setzen eines Ringes verengt. Zahlreiche Ab bildungen früherer Hochöfen zeigen uns deutlich diese Art der Zustellung. Auch die aufser- ordentlich flachen Rasten, welche sehr viele auf Graueisen betriebene Hochöfen der verflossenen Jahrhunderte besafsen, finden hierdurch ihre Er klärung; die obere Fläche der eingesetzten Gestell steine bildete eben die Rast oder wurde höchstens mit einer flach ansteigenden Masseschicht über kleidet; einen allmählicheren Uebergang von dem oberen Rande des Gestells nach den Schacht- wänden hin durch eine steilere Ebene einzu schalten, hielt man nicht für nothwendig, ja, einige im Anfänge des 18. Jahrhunderts am Harze gemachten Versuche, eine steilere Rast einzu richten, hatten einen entschiedenen Mifserfolg und zwar deshalb, weil man nicht weit genug ging, son dern eine Rast mit nur etwa 30° Steigung anordnete. Ueber diese Versuche, sowie über die frühere Form der Harzer Hochöfen, berichten — jeden falls auf Grund alter Acten der damaligen Herzog lich Braunschweigischen Hüttenwerke — die Braunschweigischen Hüttenbeamten Tölle und Gärtner in dem von ihnen gemeinschaftlich her ausgegebenen »Eisenhütten-Magazin« vom Jahre 1791. Hiernach halten die Harzer Hochöfen des 16. Jahrhunderts ungefähr die auf Blatt XV in Fig. 1 ersichtliche Gestalt. Vergleicht man damit die Form des Harzer Hochofens aus dem Jahre 1856 (Fig. 3), an welchem ich selbst meine ersten Kenntnisse vom Hochofenbetriebe erwarb, so zeigt sich, dafs im Laufe von drei Jahrhunderten wohl die Abmessungen gröfser geworden waren, die Form des Profils aber’ nicht wesentlich sich geändert hatte.