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15. Januar 1898. Von der nordischen Kunst- u. Industrieausstellung in Stockholm. Stahl und Eisen. 75 Die beiden vorgenannten Werke sind übrigens nicht die einzigen Geschützfabriken; denn in und vor der Maschinenhalle finden sich gleichfalls noch Kanonen, „Kugelspritzen“, Geschützmechanismen, Geschosse, Werkzeuge für Präcisionsarbeit von Stockholms Waffenfabrik; durch schöne Handfeuerwaffen zeichnet sich Husqvarna Vapenfabriks Akliebolaget aus, welche die prächtigen, unfern Jönköping gelegenen und den Touristen wohlbekannten Husqvarna-Wasserfälle als Triebkraft benutzt. Schräg gegenüber dem Pavillon von Finspong, am Niedergange der von der Industriehalle herüber- führenden Hochbrücke, erhebt sich Sandvikens Jernverks Aktiebolagets Ausstellungsgebäude, in das hinein wir nur unter dem Modell eines 15-l-Hammers hinweg gelangen können. Er schienen uns Bofors-Gullspäng und Finspong, ganz abgesehen von ihren Leistungen, schon durch ihr hohes Alter ehrwürdig, so zeigt sich uns im Gegen sätze dazu Sandvikens Jernverk als eine ganz und gar auf dem Boden der neuesten Eisenindustrie entstandene Anlage; denn es ist erst im Laufe der letzten vier Jahrzehnte errichtet worden. Auf der Stelle, wo es steht, fand sich am Eingänge des Jahres 1862 nichts als ein waldiger Kies rücken am Ufer der Bucht des Storsjö in Ge- strikland, die auf alten Flufskarten „Sandbucht“, Sandviken, genannt wird. Diesen Rücken durchbricht am nördlichen Ende der Bucht die Dala-Gefle-Eisenbahn, und hier, wo nur ein verfallener Bauernhof neben dem ein samen Bahnwärterhaus ■ sich fand und vereinzelte Kohlenmeiler auf Spuren hüttengewerblicher Thätig- keit hindeuteten, wählte Gonsul Goranson in Gelle den Platz, auf dem das erste Flufseisenwerk Schwedens sich erheben sollte. Nachdem es seiner unermüdlichen Thätigkeit im Jahre 1858 gelungen war, die der Ausführung von Bessemers Patent entgegenstehenden Schwierigkeiten zu überwinden, bildete er die Högbo Stal & Jernverks Aktie- bolaget und begann im März 1862 mit dem Fällen des Waldes behufs Anlage der neuen Hütte, bestehend aus 1 Hochofen mit Zubehör, 2 Bessemer birnen, 1 Reifenwalzwerk, 1 15-t-Dampfhammer (noch heute der gröfste in Schweden und zu jener Zeit einer der gröfsten in Europa), einigen 1-t- Hämmern und einem kleinen Walzwerke für Werk- | zeugstahl. Eine, freilich nicht ausreichende, Wasser kraft entnahm man dem Jädra-än, so dafs recht bald zur Beschaffung von Dampfkraft geschritten werden mufste. Als Massenerzeugnifs hatte man neben Werkzeugstahl Radreifen für Eisenbahn wagenräder ins Auge gefafst, die zu jener Zeit ungeschweifst nur von Krupp und einem eng lischen Werke erzeugt und mit etwa 1 Kr. f. d. Kilogramm bezahlt wurden. Nachdem das Her stellungsverfahren der Reifen vereinfacht und damit der schwere Hammer dafür überflüssig geworden ist, benutzt man ihn zur Erzeugung von Schmiede ¬ stücken, die in der Ausstelluug durch eine Schiffs schraubenwelle von Um Länge, 0,37 m Durch messer und 8,880 t Gewicht würdig vertreten sind. Für die Güte der Erzeugnisse sprechen vor nehmlich eine Anzahl Reifen und Achsen, die lange Jahre Dienste gethan und noch immer nicht ver braucht sind, wie Locomotivradreifen mit 10 jähriger Dienstzeit und 381 349 km zurückgelegtem Wege von der schwedischen Staatsbahn, Wagenradreifen von Gefle-Dala-Bahn, die in 25 Jahren 227 604 km, von Gefle-Upsala-Bahn, die in 20 Jahren 115215km ohne Nachdrehen gelaufen sind, eine Wagen achse von der Bergslagernas-Bahn, die in 21 Jahren 737 998 km, eine andere, die 716 337 km ge laufen ist und dennoch in der Materialprüfungs anstalt 39 1/2 mal um 250 mm aus der neutralen Achse gebogen werden konnte, ehe sie brach. Der bedeutende Absatz ins Ausland führte bald zur Erweiterung des Werkes, besonders nachdem 1868 an Stelle der in Geldschwierigkeiten gerathenen Besitzerin die heutige oben genannte Gesellschaft getreten wat. Man baute einen neuen Hochofen, 1875 ein neues Bessemerwerk, und als allmählich infolge gröfseren Wettbewerbs in Deutschland sowie England die Ausfuhr der Rad reifen sich verringerte, sah man sich gezwungen, neuen Erzeugnissen sich zuzuwenden, die aber mals neue Anlagen erforderten; so baute man 1880 ein Walzwerk für Röhrenstreifen, ver wandelte 1878 das alte Feinwalzwerk in eine Drahtstrafse und nahm damit die Erzeugung von Walzdraht, Seil-, Fischangel- und Schirmdraht, besonders flachem, auf, welche bald zum' Walzen von Planchett- und Uhrfederstahl führte. Das Verlangen nach immer gröfseren Abmessungen veranlafste 1884 die Anlage zweier neuen Kalt walzwerke, aus denen jetzt eins der Haupterzeugnisse, das von keinem Werke der Welt übertroffen wird, nämlich Stahlband und daraus hergestellte Sägen, bis zu ganz aufsergewöhnlichen Mafsen hervor geht. Doch eins verdrängt das andere. Be gnügte man sich in den achtziger Jahren mit geschweifsten Röhren, so verlangt man heute un- geschweifste, deren Erzeugung seit längerer Zeit das Monopol eines einzigen Werkes in England war, dem Sandviken die dazu erforderlichen Stahl- cylinder lieferte. Als neue Röhrenwalzwerke ent standen, die nach anderen Verfahren arbeiteten, suchte man ebenfalls diese Aufgabe zu lösen, was 1890 gelang, und seitdem bilden die Rohre ohne Naht ein sehr wichtiges Erzeugnifs Sandvikens, auf dem heute 1800 Arbeiter, eine für schwedische Verhältnisse sehr grofse Zahl, beschäftigt werden. Betrachten wir jetzt die Ausstellung etwas näher, so fällt uns- besonders die eigenartige Ver zierung der Wände und der inneren Dachflächen auf, welche aus einem einzigen 699 m langen, 0,238 m breiten und 0,48 mm dicken kaltgewalzten Bande von 524 kg Gewicht gebildet ist. Ein anderes ( besitzt 1287 m Länge, 70 mm Breite, 0,03 mm