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964 Stahl und Eisen. Das österreichische Eisencartell. 15. September 1900. Steirische Eisen - Industrie - Gesellschaft, welche beiden letztgenannten Unternehmungen später be kanntlich in die Oesterreichisch-Alpine Montan gesellschaft aufgingen. Die wesentlichste Be stimmung des Schienencarteils war die, dafs der sich in einem Jahre im Inlande ergebende Bedarf an Schienen unter die Theilnehmer des Carteils percentuell aufgetheilt wurde, wobei die Zu weisung von Arbeit an die Theilnehmer und Be rücksichtigung der geographischen Lage jedes Werkes zum Bedarfsorte und der bisher bestan denen Geschäftsverbindung erfolgte. Um jedes Sonderinteresse der Betheiligten auszuschliefsen, wurde weiter bestimmt, dafs jedem Theilhaber der gleiche Sehienenpreis franco Werk gewähr leistet werde, das heifst, der sich aus den ge- sammten Ablieferungen ergebende Durchschnitts preis. Dieses erste Schienencartell wurde zunächst bis Ende 1881 gültig abgeschlossen. Bald wurde die Erkenntnifs von dem Vortheile dieses Zu sammenschlusses unter den Betheiligten eine allgemeine, und es wurde das Schienencartell, ohne eine Unterbrechung zu erleiden und ohne in den wesentlichsten Bestimmungen eine Modi- fication zu erfahren, continuirlich prolongirt und reicht der jetzige Endtermin desselben bis Ende December 1902. Das Schienencartell. wurde für die gesammte österreichische Eisenindustrie in sofern von der gröfsten Bedeutung, als es die An regung und das Vorbild für die Bildung weiterer Carteilverbände der verschiedenen Zweige der Eisenindustrie wurde. Zunächst folgte im Jahre 1880 die Bildung des auf ähnlicher Grundlage aufgebauten Cartells der Tyres-(Bandagen-) Walzwerke. Die gleichen Verhältnisse, welche zur Schaffung des Schienen carteils führten, herrschten seit dem Jahre 1873 auch auf allen anderen Gebieten der Eisenproduction und zeitigten einen ruinösen, infolge der wirth- schaftlichen Stagnation jahrelang andauernden Concurrenzkampf, so dafs alle Interessenten die einzige Rettung in einem engeren Zusammen- schlufs erblickten, für welchen das Schienencartell, welches zur Zufriedenheit aller Betheiligten func- tionirte, ein nachahmenswerthes Vorbild bot. Es ergaben sich jedoch hier schon deshalb gröfsere Schwierigkeiten als beim Schienencartell, weil die Zahl der Betheiligten eine viel gröfsere und die Verhältnisse der Betheiligten bedeutend ungleichere waren. Zunächst strebte man Vereinbarungen an, welche dahin zielten, dafs sich die Bethciligten verpflichteten, an im gegenseitigen Einvernehmen festgesetzten Preisen festzuhalten, das heifst, man schuf lediglich Preiscartelle, jedoch keine Pro- ductionscartelle. Diese Abmachungen umfafsten zudem nicht die Gesammtheit, sondern nur einzelne, nach Absatzgebieten getrennte Gruppen. Diese Vereinbarungen hatten jedoch — wie alle der artigen Preiscartelle — nicht den gewünschten Erfolg, um so weniger als dieselben durch keinerlei Controlsystem gesichert waren. Endlich trat durch die in Böhmen sich vollziehende Gruppirung eine Klärung dieser Verhältnisse' ein. Durch l den Zusammenschlufs der Prager Eisenindustrie- Gesellschaft und des Teplitzer Walzwerkes und Bessemerhütte, sowie der Böhmischen Montan gesellschaft wurde ein präponderantes Element geschaffen, welches bald dadurch einen bestim menden Einflufs auf die Entwicklung der Dinge j gewinnen konnte, dafs eine besondere Vereinigung dieser böhmischen Montangruppe mit der Wit- kowitzer Bergbau- und Eisenhüttengewerkschaft erfolgte, indem diese beiden Theile anfangs des Jahres 1885 ein engeres Vertragsverhältnifs ein gingen, wonach sie ihre gesammte Production an | allen von ihnen erzeugten Eisenfabricaten percen tuell untereinander auftheilen und zur Durch führung ihres Uebereinkommens sich zu einem gemeinschaftlichen Verkauf ihrer Gesammtproduc- tion einigten. Diese mächtige Vereinigung bildete den Kern, ' aus welchem sich rasch das sogenannte öster reichische Eisencartell crystallisirte, indem sich | der Zusammenschlufs aller Eisenwerke bereits im Mai 1886 vollzog. Damals wurde das Eisen- eartell mit der Dauer vom 1. Mai 1886 bis 31. December 1887 abgeschlossen und der Be stand desselben durch weitere Prolongationen bis Ende 1901 gesichert. Wenngleich auch sich diese Erneuerungen des Uebereinkommens einigemal nicht ohne aus Mehrforderungen einzelner der Betheiligten entspringenden Differenzen vollzogen, so ergaben sich doch wesentliche Schwierigkeiten nicht, da die Erkenntnifs dessen, dafs die öster reichische Eisenindustrie ihre Entwicklung vor nehmlich dieser Vereinigung zu danken hat, zu einem Axiom wurde. Dieses erste Eisencartell umfafste alles. Stab- und Fagoneisen, Bau- und Waggonträger, Grob bleche, Schmiedestücke, Brücken und sonstige Eisenconstructionen, Kesselschmiedearbeiten und schliefslich Eisenbahn-Kleinmaterial. Das Cartell ist als Productionscarfell construirt, wonach jedem einzelnen Theilhaber ein percentueller Antheil an dem von der Gesammtheit erzielten Absatz gebührt, und participirt jeder Bctheiligte an einer Erhöhung oder Verminderung des erzielten Ge- sammtabsatzes im Verhältnifs der ihm zuge sprochenen percentuellen Quote. Der Auftheilung unterliegt nur der innerhalb des Zollgebietes erreichte Absatz, während bezüglich des Exportes, sei er ein directer oder indirecter, jeder Cartell- theilnehmer volle Freiheit geniefst. Als Zweck des Uebereinkommens wird ausgesprochen, dafs im Wege eines einverständlichen Vorgehens ein unnützes und Allen schädliches Preisunterbieten hintangehalten werden soll, jedem einzelnen Werke soweit als möglich sein natürliches Absatzgebiet gewahrt bleibe, bezüglich der verschiedenen Eisen sorten einheitliche Preiscourante geschaffen und ein gleichartiges Verhalten gegenüber dem Zwischen handel beobachtet werde. Die stricte Durch-