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892 Stahl und Eisen. Die Stdhlformgul's-Constructionen der Alexanderbrücke in Paris. 1. September 1900. Die Stahlformgufs-Constructionen der Alexanderbrücke in Paris. Von Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector Frahm. Die früheren Mittheilungen * über die Alexander brücke in Paris beschränkten sich auf eine all gemeine Beschreibung der ganzen Anlage, sowie eine Darstellung der Fundirung und der für die Aufstellung des eisernen Ueberbaues bestimmten Aufstellungsbrücke, während über die Construction des Ueberbaues selbst und seine Aufstellung zwar einige kurze Bemerkungen gemacht wurden, von einem näheren Eingehen auf die Einzelheiten aber bis zum weiteren Fortschreiten der Bau- arbeiten abgesehen werden mufste. Nachdem inzwischen die Brücke am 15. April d. J. als Theil der Ausstellungsanlagen dem Verkehr über geben worden ist und über die Construction des Ueberbaues in den französischen Fachzeitschriften ausführliche Angaben gemacht worden sind**, soll nunmehr unter Benutzung dieser Quellen, sowie des „Engineering“ von 1899 Nr. 1750 und 1751 der interessanteste Theil des Brücken baues, die Anfertigung und Aufstellung der aus einzelnen Stahlformgufs-Wölbstücken zusammen- ■ gesetzten Bögen behandelt werden. Der Entwurf. In den früheren Abhand lungen wurde bereits mitgetheilt, dafs die 15, in gleichen Abständen angeordneten Bögen von 107,5 m Spannweite und 6,28 m Pfeilhöhe, welche die Tragconstruction des Ueberbaues bilden, je mit drei Gelenken — zwei Kämpfergelenken und einem Scheitelgelenk — hergestellt sind, j Auch wurden die Gründe angegeben, die dazu geführt haben, eine Bogenconstruction zu wählen, die uns in die erste Zeit des Baues eiserner Brücken zurückversetzt, indem wir Formen in veränderter Gestalt wiederkehren sehen, welche an die längst verlassenen Bauweisen erinnern, bei denen die Tragconstructionen aus Gufseisen hergestellt waren. Bevor man an die eigentliche Entwurfsbearbeitung ging, wurden mit den Ver tretern der für die Ausführung der Brücke in Betracht kommenden Stahlwerke Frankreichs Be- rathungen gepflogen über den Einflufs, welchen die Anfertigung und die Zusammensetzung der [ Stahlformgufs-Wölbstücke auf die Ausbildung der l Einzelheiten des Entwurfs haben könnten, ein I Vorgehen, das als sehr zweckmäfsig bezeichnet werden mufs; denn die Anfertigung von Stahl formgufs-Constructionen in dem Umfange und der Art, wie sie hier zur Verwendung kamen, * „Stahl und Eisen“ 1899 S. 1160 und 1900 S. 413. ** „Annales des ponts et chausses" 1898 und 1899; | „Le genie civil“ 1899 Nr. 10 und 11; „Portefeuille ! conomique des machines" 1900, März. ist eine Specialität der Eisenindustrie, die nur von einer beschränkten Zahl leistungsfähiger Werke betrieben wird und dem Brückeningenieur im allgemeinen fremd ist. Die Schwierigkeiten bei der Herstellung von Stahlformgufs-Construc tionen gegenüber Gufseisen-Constructionen liegen bekanntlich der Hauptsache nach in der um etwa 200 bis 250 0 C. höheren Schmelztemperatur und dein ungleichmäfsigen Verhalten beim Er kalten, was zur Folge hat, dafs nicht allein das Schwindmafs an sich gröfser ist, sondern auch in viel weiteren Grenzen liegt. Wenn hiernach der Stahlformgufs an die Geschicklichkeit der Verfertiger gröfsere Anforderungen stellt und die Erzeugnisse demnach höher im Preise stehen müssen, als beim Gufseisen, so ergiebt sich ohne weiteres, dafs es zweckmäfsig ist, schon bei der Entwurfsbearbeitung einer gröfseren Stahlform- gufs-Construction weitgehende Rücksicht auf die Anfertigung zu nehmen. Man wird aus praktischen Gründen in erster Linie darnach streben müssen, den einzelnen Theilen Formen zu geben, die leicht zu giefsen sind. Ferner wird man möglichst gleiche oder doch gleichartige Theile verwenden, damit man nicht zu verschiedenartige Modelle und Formen braucht, auch die bei der Anferti gung eines Stückes gewonnenen Erfahrungen der Anfertigung der folgenden Stücke zu gute kommen. Für die Entwurfsbearbeitung ging als wichtigstes Ergebnifs aus den Berathungen zwischen den Brückeningenieuren und den Werken hervor, dafs man den Bögen zweckmäfsig einen T- oder I- förmigen Querschnitt mit Rippen geben werde, dessen gröfste Höhe nicht wesentlich über 1,5 in betrage, gröfste Gurtbreite etwa 0,60 m sei und dessen Stärken nicht unter 50 mm hinab- gingen; ferner wäre die gröfste Länge der Wölb stücke auf etwa 3,5 m zu beschränken. Die fünfzehn Tragbögen zerfallen in zwei Gruppen, die sich in der Hauptsache durch die verschiedene Querschnittsform und die dadurch bedingten anders gestalteten Einzelheiten von einander unterscheiden. Während man für die dreizehn mittleren Bögen als Grundform des Querschnitts die J-Form gewählt hat, sind die beiden äufseren Bögen — die Stirnbögen — des besseren Aussehens wegen mit I- förmigem Quer schnitt hergestellt worden (Abbildung 1). Jede Bogenhälfte ist aus sechszehn Stahlformgufs- Wölbstücken zusammengesetzt, von denen die vierzehn mittleren die gleiche, in der Wage rechten gemessene Länge von 3,625 m haben,