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demselben Tage Antwort verlangten, und am Dienstag, 3. Juli, Morgens die Arbeit nieder legten, so bezeugten sie damit, dafs die Lohn forderung nur als Vorwand dienen sollte. In der Arbeiter-Versammlung vom 3. Juli wurde schon beschlossen, dafs die streikenden Nieter durch den Deutschen Metallarbeiter-Verband zu unterstützen seien. Der Streik der Nieter griff sodann auf die Arbeiter an den Schiffen der Hamburg-Amerika-Linie über, die dadurch mit in den Streik hineingezogen wurde. Bei dieser Sachlage, bei der also vorher die gesammte Arbeiterschaft sich auf das bestimmteste gegen den Streik aus gesprochen hatte, glaubten die Arbeitgeber den guten Elementen unter ihren Arbeitern eine Stütze dadurch bieten zu können, dafs sie sich auf das entschiedenste solidarisch erklärten und die Wiederaufnahme der Arbeit seitens der Nieter verlangten, um energische Mafsregeln ihrerseits zu verhüten. Dieser Beschlufs ist in einer Versammlung am 11. Juli den Vertretern der Arbeiter sämmtlicher Werften mitgetheilt worden, und sind sie vor den bedenklichen Folgen auf das entschiedenste gewarnt worden, sie haben dieser Warnung nicht Gehör ge schenkt, und somit beschlofs der Verband der Eisenindustrie, ein Sechstel der Arbeiter am 14. Juli und ein zweites Sechstel am 21. Juli zu entlassen. Die Arbeitgeber gebrauchten also dasselbe Mittel, welches die Arbeiter angewandt haben, auf beiden Seiten Niederlegung der Arbeit, und ist es erstaunlich, dafs gerade solche Kreise, welche immer von der Gleich berechtigung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sprechen, in der Aussperrung ein schweres Ver gehen der Arbeitgeber sehen; ein neuer Beweis, dafs die Theorie der Gleichberechtigung sich in der Praxis nicht bewährt. Als dann die in Arbeit befindlichen Arbeiter beauftragt wurden, Arbeiten an den Schiffen der Hamburg-Amerika-Linie, für die Ausrüstung nach China, auszuführen, haben sie sich auf sämmtlichen gröfseren Werften geweigert, so z. B. etwa 190 Schlosser bei Blohm & Vofs, die Arbeiten an dem Dampfer „Batavia“ ausführen sollten; jede Werft konnte an diesen Tagen sich aller Arbeiter entledigen, sobald sie sie nur an die Arbeiten für die Hamburg-Amerika- Linie commandirt hätte. Das Ausscheiden der Schlosser hat dann allmählich die Maschinen bauer, Kesselschmiede, Schmiede und Schiffbauer veranlafst, sämmtlich die Arbeit ohne An führung der Gründe niederzulegen. Wären die Arbeiter durch die Aussperrung wirklich so hart geschädigt worden, so hätten sie sich nicht herbeilassen sollen, den Zustand dadurch zu verschlimmern, dafs sie später durch frei williges Ausscheiden die Zahl der Arbeitslosen verdoppelten und verdreifachten. Dieser Streik I ist nicht aus Noth, sondern aus Heber mut h angezettelt worden; die minderwerthigen Arbeiter in Hamburg sparen nicht und verdienen zu viel, sie können ihren Verdienst nicht allein am Sonnabend und Sonntag durchbringen, sondern sie müssen auch noch den Montag zu Hülfe nehmen; denn das unentschuldigte Ausbleiben am Montag hat in einer Weise um sich gegriffen, wie man es an anderen Plätzen kaum kennt. Wenn bei gerechter Behandlung die Arbeiter regelmäfsigen und ausreichenden Verdienst haben, ihnen helle geräumige Werkstätten, gutes Werkzeug und die besten Werkzeug maschinen zur Verfügung gestellt werden, ihnen beim Transport des Materials jede Er leichterung gewährt wird, alles um grofse Accordüberschüsse zu erzielen, aufserdem ihnen wie bei Blohm & Vofs in der Speisehalle eine Verpflegung geboten wird, wie sie so gut und billig anderwärts nicht zu bekommen ist, und wenn dann Arbeiter, die 10 Jahre und länger an derselben Arbeitsstelle gewesen sind, in solcher Veran lassung ihre Arbeitgeber im Stich lassen, kann man nur die vorhandene Dummheit bewundern, und die Feigheit, dafs die Arbeitswilligen sich die Hetzer nicht vom Leibe zu halten wissen, bemitleiden. Wer noch durch dick und dünn Sympathie für solche Arbeiter hat, der mag sich um die Stelle eines Werk meisters bemühen, um zu erfahren, in wie hohem Mafse die fortgesetzten Hetzereien in Hamburg bei den Arbeitern Feigheit auf der einen und Rohheit und Verwilderung auf der anderen Seite hervorgerufen haben. Unter den socialistischen Arbeitern herrscht ein solcher Uebermuth, dafs es Pflicht der Arbeitgeber ist, sich wieder Autorität zu verschaffen. Durch ein Eingehen auf die jetzigen Forderungen der Socialdemokratie würden sie dieselbe voll kommen verlieren; es ist eine Machtfrage, die durch einen Schiedsspruch nicht erledigt werden kann. In England sind Schiedssprüche gebräuchlich gewesen; dadurch erlangten die Arbeiter natürlich jedesmal einen Vortheil, und die Stellung der Arbeitgeber wurde so unhaltbar, dafs sie sich gezwungen sahen, in einem energischen Kampf, beim Maschinenbauerstreik 1897/98, ihre Autorität wieder herzustellen. So wird natur- gemäfs die wiederholte Erledigung durch Schieds gerichte schliefslich zu einem nur um so heftigeren Entscheidungskampfe' führen. Die Bevölkerung Hamburgs wird sich auf ein längeres Daniederliegen der Arbeit auf den Werften gefafst machen müssen. Die sogenannte muster hafte Haltung der Arbeiter wird in die Brüche gehen, sobald die Arbeitgeber ernstlich daran gehen, neue Arbeitskräfte heranzuziehen; aber es ist bedauerlich, dafs in jetziger Zeit so viel lohnende Arbeit von Hamburg vertrieben wird und dafs die erst kürzlich gewonnenen Auftraggeber