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— 709 — würden, eine Wahl ablehnev wollte. Sodann aber hoffe er auch als Abgeordneter für seinen Bezirk Manches zu errei chen, was ihm als Amtshauptmann nicht möglich sei. Was seine politische Stellung anlangt, so bekennt sich Herr v. Bosse als ein treuer Anhänger des deutschen Reiches, der aber mit der Treue zu Kaiser und Reich die Treue zu unserm Sachsen, zu unfern, angestammten Herrscherhause zu verbinden wisse; die Treue zu dem Einen schließe die Treue zu dem Andern nicht aus. Mit wenig Worten gedachte Redner auch des seit der unglücklichen Verkündigung des UnfehlbarkeilSdogmas im großen Nachbarstaate Preußen entbrannten Kampfes und glaubt nicht erst versichern zu dürfen, daß er in diesem Kampfe auf Seiten der Regierung stehe, die nicht wolle, daß dem Staate von Rom aus Vorschriften gemacht würden. Ueber seine Stellung zu inneren Fragen erklärte Redner, daß er keinen Stillstand, noch viel weniger aber einen Rück schritt wolle; er huldige vielmehr einem besonnenen Fortschritt, doctrinäre Kukukseier aber werde er nicht auöbrüten helfen; bloßen Theorien zu Liebe werde er sich dem praktischen Be dürfnisse nicht verschließen. Um Träume von Idealisten zu verwirklichen, möge er das Bestehende nicht ändern; sobald aber das Volkswohl durch eine Aenderung gefördert werde, dann werde er solchen Aenderungen mit Freuten zustimmen. Ueber sein Wirken im Besonderen versichert Herr v. Bosse, daß er nach Kräften bestrebt sein werde, die Interessen seines zeither etwas stiefmütterlich behandelten Bezirkes zu vertreten. Er wisse, was seinem Bezirke noth thue, wie nolhweiidig cd sei, daß dem Telegraphen bald eine Eisenbahn folge. Wenn auch die Zeiten unseren Hoffnungen nicht eben günstig seien, so dürfe man doch den Muth nicht verlieren, endlich würden doch die Wünsche eines ganzen großen Bezirkes in Erfüllung gehen. Bezüglich der Steuerfrage, mit der sich der nächste Landtag zu beschäftigen haben werde, erklärte Redner, daß er, so sehr er auch in der Einführung der Einkommensteuer, wegen des Abzuges der Schuldzinsen, gerade für die Land- wirthschaft einen Vortheil erblicke, er doch mit der Ausführung des Gesetzes nicht allenthalben einverstanden sein könne; dies gelte namentlich von der Bildung der Einschätzungsdistricte und von der Zusammensetzung der Einschätzungscommissionen. Ueber andere zu vertretende Vorlagen spreche er sich im Allgemeinen dahin aus, daß er, wenn damit mehr und mehr Verpflichtungen des Staates auf die Gemeinden abgewälzt werden sollten, er diesem Streben so weit möglich entgegen treten werde; er wolle nicht, daß dadurch den Gemeinden der Geschmack an der Selbstverwaltung verleidet werde. Zum Schlüsse erklärte sich Herr v. Bosse zu Beant wortung etwa noch an ihn gestellter Fragen bereit und bat die Wähler, ihm ihr Vertrauen zu bewahren, und wenn auch sein Wirken nicht immer von Erfolg begleitet sein sollte, doch nicht an seinem festen Willen zu zweifeln, jederzeit die Inter essen seines Wahlkreises nach besten Kräften zu vertreten. Nachdem die Versammlung durch stürmischen Beifall ihre Übereinstimmung mit den ausgesprochenen Ansichten des Herrn Wahl-Candidaten zu erkennen gegeben, wurde unter Anderem aus der Mitte der Versammlung noch ganz be sonders auf einen, in dem Wahlkreise anonym verbreiteten, mit 8—st unterzeichneten Artikel der „Dresdner Presse" hin gewiesen. Die Versammlung lehnte indessen ebensowohl die Vorlesung, sowie auch ein weiteres Eingehen auf diesen, für den Wahlkreis und seine Wähler nicht sehr schmeichelhaften Artikel ab und beschloß endlich einstimmig, denselben gänzlich zu ignoriren. Dresden. Zur Ausstellungs-Lotterie sind jetzt 92000 Loose ausgegeben und deshalb abermals größere Gewinne angekauft worden. Bei den kleinen Gewinnen geht der Werth nicht unter 2 Thlr. herab. Die Ziehung wird noch vor Schluß der Ausstellung oder unmittelbar darnach stattfinden. Zittau. In den letzten Tagen sind hier mehr als 50 Personen, darunter auch 47 Soldaten, an der Trichinose erkrankt, in Folge des Genusses von sog. Räucherwürstchjm. Strehla a. d. Elbe. Hier hat am 1. Septbr. (zum Lorenzkirchener Jahrmarkt) zwischen mehreren Zigeuner banden, die des Viehmarktes wegen in 6 Wagen hierher gekommen waren, eine kleine Schlacht stattgefunden. Wegen eines Pferdekaufs geriethen sie in Streit, Alles brüllte und die Messer blitzten, mehrere Weiber liefen blutend unter daS Publikum. Nach einstündigem Skandale wurden mit Mühe die Banden über die Elbe geschafft, wo sich aber der Kampf bald noch heftiger entwickelte: Männer und Weiber gingen mit Messern, Dolchen, Säbeln und allerlei Schießgewehren auf einander los; bald lag Einer, in den Unterleib geschossen, da; Andere bluteten aus Kopf- und anderen Wunden, die ganze Bande war verletzt. Mit angelegter Flinte kam ein Zigeuner auf das Publikum: „Jetzt schieß' ich auf Euch!" und Alles mußte fliehen. Der Energie des Kreisgendarmen und Stadtwachtmeisters gelang es endlich, "einige Zigeuner zu verhaften und Ruhe zu schaffen; die ganzen Waffen wurden weggenommen. Der Abführung der Gefangenen widersetzte sich die Bande; denn „cs sei nun einmal so bei ihnen." Die übrigen Mitglieder wurden in das Stadtarmenhaus abgesührt. Weimar. Am Abend des 2. September sind hier der Kaiser und die Kaiserin eingetroffen und im Residenz« schlöffe abgestiegen. Dieselben wohnten am 3. der Enthüllung des Karl - August - Denkmals bei. In dem wohlgelungenen Reiterstandbilde, zu dem bereits vor 18 Jahren der Grund stein gelegt ward, ist der Landesherr, der Feldherr und der Geistesfürst, der Beschützer und Förderer unserer großen deutschen Dichter veranschaulicht worden. Der Festzug nach dem Marktplatze war großartig und der Jubel unendlich, als nach der Festrede die Hülle des schönen Denkmals fiel. Der Großherzog, der Kaiser und die Kaiserin waren sichtlich ergriffen. Augsburg. Der Kronprinz des deutschen Reiches ist zu den in der Umgebung stattfindenden Manövern hier eingetroffen. Am 2. September fand im goldnen Saale des Rathhauses ein Festmahl statt, das die Gemeinde Augsburg zu Ehren des Kronprinzen und zur Feier des Nationalfestes veranstaltet hatte. Der hohe Gast brachte das erste Hoch auf König Ludwig II. von Bayern; der Bürgermeister auf den Kaiser und den Kronprinzen, den „siegreichen Führer des bayrischen Heeres," der mit einem Hoch auf die Stadt Augsburg erwiderte. Oesterreich-Ungarn. Aus Pesth wird gemeldet, daß das diesjährige Deficit Ungarns nach den Berechnungen des Finanzministeriums 27 Millionen beträgt. England. Die „Times" enthält einen längeren Artikel über den Jahrestag der Schlacht bei Sedan, der hinsicht lich seiner Bedeutung auf gleiche Stufe mit dem Tage von Waterloo zu stellen sei. Der Artikel schließt: Die Wahr haftigkeit und Ehrenhaftigkeit Deutschlands erregen auch in England Gefühle tiefen Dankes für den Sieg, welchen Deutschland bei Sedan erkämpfte. Spanien. Der Gesandte Spaniens in Berlin hat seiner Regierung berichtet, welch hohen Werth auch die deutsche Re gierung auf ven endlich errungenen militärischen Erfolg der königlichen Truppen legt. Nach dem Verluste von Seu-de- Urgel kann wohl von einer wirklich strategischen Kriegführung bei den Karlisten nicht mehr die Rede sein und nur der „kleine Krieg" übrig bleiben, der allerdings bei zureichenden Geldmitteln bis ins Unendliche hingeschleppt werden, aber schwerlich zu einem Resultate führen kann. Die Dynastie AlphonS XII. hat also eine werthvolle Befestigung erhalten.