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WWMMVMMl-r. Arrsero Heimat Honntags-Aeikage zum Küchstfch err LrzäHter Der Neuherin Ende. Studie von Ernst Georgy.*) Drei Wochen hat die vergebliche Belagerung von Dres den gedauert. Gelacht haben sie in ganz Sachsen. Bon Leipzig her kamen die Witze und Spottverse und gingen bi» nach Wien, Paris und an die Newa. Man triumphiert be reits über „das Dsbacle des Großschnauz, des Monsieur Fritz in Preußisch-Berlinl" Vier Jahre schon währt der Krieg. Man sieht es seinen zerlumpten, erschöpften Solda ten halt schon längst an, daß sie fertig — erledigt sind! Aber so urteilte man eben im Juli und August, als man in den Schenken täglich auf das Wohl des Daun, des Fuchsjäge.s, anstieß und den Frieden in Potsdam diktieren wollte. Heut, im November, sind die Truppen noch immer nicht in ihren Winterquartieren. Die Gefechte, die Requisitionen und Plünderungen dauern fort. Die Ernte war schlecht. Schwer lasten die Einquartierungen auf Stadt und Land. Die Be völkerung in Sachsen hungert und flucht schon über jeden Soldaten, gleichviel ob Freund oder Feind. Und dabei schneit und regnet es abwechselnd. Gräben und Verhaue machen die verschlammten Landstraßen noch unwegsamer. Bei dem Dörfchen Laubegost dröhnen wieder neue Kanonaden. Aus den Höllenschlünden hinter dem Forste *) Friederike Karoline Neuber, geb. 9. März 1697 zu Reichenbach i. B. als Tochter des Advokaten Wei- ßendorn, entfloh mit ihrem Geliebten, dem Gymnasiasten I Neuber, 1718 zu der Spiegelberg'schen Schauspielertruppe in Weißenfels, dann zur Haacke-Hofmannschen Truppe, die sie 1725 neu organisierte, und mit der sie nach Leipzig ging. Als Direktorin dieser Truppe zog sie die besten Talente an sich heran und wußte mit ihnen für die damalige Zeit Außerordentliches zu leisten. In die Ideen Gottscheds ein gehend, half sie ihm das regelrechte Drama auf der deutschen Bühne einbürgern und stürzte den Hanswurst, der bl» da hin auf der deutschen Bühne eine Hauptrolle gespielt batte. 1740 folgte sie einem Rufe nach Petersburg, kehrte dann nach Leipzig zurück, überwarf sich aber mit Gottsched und sah sich 1743 gezwungen, ihre Gesellschaft aufzulösen. Auch nachdem sie diese 1747 neu organisiert hatte, mußte sie ihr A750 abermals den Abschied geben. Das Auftreten der „Neuberin", einer energischen, fein gebildeten Frau, bildet den Hauptwendepunkt in der Geschichte der deutschen Schau spielkunst. Indem sie dem regelrechten Drama theatralisch seinem Rechte verhalf, reformierte sie zugleich da« Spiel. ' ei ihrer Truppe hielt sie streng auf Sitte und Ordnung. Sie starb am 30. November 1760 in Armut und Elend in Laubegast. Das tragische Ende der berühmten Frau schil dert-die obige Skizze. Später wurde ihr in Laubegast ein Denkmal gesetzt. fliegen die Kugeln über die jämmerlich zugerichteten Häub chen fort, daß die Einwohner zitternd und fluchend hinaus eilen oder sich in sicheren Kellern verstecken. Am Horizont» sieht man durch Dunst von Nebel und Regen grellrotea Feuerschein lodern, lind krachende Baumwipfel, splitternd« Steine und bröckelndes Mauerwerk verraten EinsHäae. Di« Gefahr ist groß! Kein Lichtlein schimmert ins Dunkel de« Dorfgasse, durch die sich mit den Händen vorwärtstastend ein alter Mann schleicht. Sein Blick sucht di» Pfarre. Sein Herz hämmert. Er weiß, daß dort einer der strengsten und eiferndsten haust. — Neben der arg beschädigten Kirche und der in Trümmern liegenden Schule steht das kleine schiefe, mit Efeu überwucherte Gebäude. Auch hier die Fenster mit Brettern vernagelt oder durch Läden abgeblendt? — Der Wind wirft sich ihm entgegen, so daß er nur keuchend den seitlichen Zugang erreicht. Hier hält er still, schnappt nach Luft, ehe er mit hartem Knöchel gegen die Tür pocht. Erst nach wiederholtem Klopfen regt es sich drinnen. Schlürfende Schritte nahen. Ketten klirren. Ein rostiger Schlüssel dreht sich im kreischenden Schloß. Die Pforte öffnet sich. Tinea brennenden Span hochhebend, steht der Geistliche da und fragt ungehalten: „Wer ist's? Was will man von mir? — Ich bin selber krank und kann keinen Verseh-Gong ? „Ich bin's, Herr Pfarr', der Möhle — der Georg ^oij.'e vom Entenbach/ „Und was will er von mir, Möhle, ist er von Gott ver lassen, daß er sich heut aus dem Bau wagt?"' Der Alte verneigt sich vor Ehrfurcht immer wieder: „Mein arm alt Frauensmensch oaheim ist gar krank, Herr Pfarr'. — Liegt aus dem Stroh unter der Deck und schep pert vor Frost und spricht und spricht, daß ich kein Mort versteh. Aber 's Herz tut einem wohl weh, weil . . . weil wir Ha m kein Bissen Brot im Kasten. Und all das, was ich von den Soldaten und in der Mühle zusammengebettelt, ist schon längst aufgezehrt! — Sie hungert, die " In dem blassen Gesicht andern wetterleuchtet'»: „Trag er seine Strafe, Möhle! Ich hab ihn genugsam ver warnet. Ein ehrsamer Christ nimmt keine Konckdlcklstea- " dirne in sein ehrbar Haus!" „Der Herr Pfarr' werdep verzeihen," widerspricht der Alte bescheiden, „die ReubM» ist, so wahr ein Gott lebt, keine Dirne! Der Herr tzofmedl- kus Löber aus Dresden ist ihr Freund und Beschützer und hat mir's beschworen, daß sie in rechter christlicher Ehe mk dem Neuber gelebt und erst seit vierzehn Monaten verrott- tibt ist —" Der Pfarrer hustet. Zornig tritt er etwas zu- rück, damit ihn die feuchte Kälte nicht treffe: „Schwatz er keinen Unsinn. Bei mir ist er auch gewesen, dein Hofmedi kus, und hat mir seine töricht Mär' erzählet von der Hof komödiantin, die vor Kaisern und Königen gespielt, rön der Dichterin, die eine große Freundin sei gewesen vom grobe» Professor Gottsched und von rll dem Glanz und Ruhm die se» schlechten Weibsbildes."