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Ein welthistorischer Tag. am vieu»kag, den 15. Januar, von 12 bl» 1 Uhr mittag», dle Glocken sämtlicher Kirchen läuten. Der RHch»mlnister für Volkemuskläruu» und Propaganda for dert das ganze deutsche Volk auf, sich der Beflaggung weif und breit in Stadt und Land sofort anzuschlleßen. Zn einer halben Stunde mutz ganz Deutschland in eln Alaggenmeer verwan delt sein. Diese Beflaggung ist Ausdruck unserer Freude über den großen nationalen Sieg und unsere» Dankes an dle bewährte vaterländische Treue unserer Brüder und Schwestern an der Saar. Der Reich»- und preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung hat folgenden Erlaß heraus gegeben: Nachdem die Volksgenossen an der Saar sich eindeutig zum nationalsozialistischen Deutschland bekannt und damit ihren Willen kund getan haben, ordne ich an: Zn allen Schalen und Hochschulen de» Reiche» wird sofort eine kurze würdige Schulfeier veranstaltet, die unse- rer Freude und unser« Verbundenheit mit der Saar Aus- druck gibt. Der weitere Unterricht und dle Vorlesungen fallen am beutiäen Taue au». Der Relch»propagandaleiter der RSDAP. gibt für alle Gaue folgende Anordnung bekannt: Der Aufforderung zur Beflaggung wird binnen einer halben Stun de in Stadl und Land in überwältigend« Form Folge ge leistet. Dle Bevölkerung versammelt sich heute, Dienstag, den 15. Januar 1935, etwa in der Zeit zwischen IS und 21 Uhr zu großen Kundgebungen valerländlschen Eha- rakter» au» Anlaß des Saarsieae». Diese Kundgebunaen können in Demonstrationsmärschen, Fackelzügen, Vorbei- Märschen und Ansprachen bestehen. Sie binnen 0d« enden zweckmäßlgerweise auf dem größten Platz d« Stadt, wo der zuständige hoheitsträger zu den versammelten Massen spricht. An den Gausihen geschieht da» durch den zuständigen Gauleiter. In diesen Reden wird -er Freud« und Dankbarkeit de» ganzen deutsche« Volke» für hie be währte nationale Treue de» Saarvolke» Aasdruck gegeben. Stimmungsbild aus -em Saargebiet. ! > Saarbrücken, IS. Januar. (Eig. Funkmeldg.) Run ist der große Tag angebrochen, an dem das Saarland nach ISjäbriger Trevnung vom Vaterland heimkehren darf ins Reichs Der Morgen ist noch nebelverhängt, aber schon um S Uhr läuten dle Glocken des Saargebiete» den Fretheitstag ein, und die Frühgottesdlenste der katholischen Kirchen find überfüllt. Geht man durch dle Straßen der Städte, so fleht man an allen Häusern zahlreiche Fenster hell erleuchtet. An diesem Tage, an dem das Saarland sein Schicksal er fährt, sind dle 809000 Saardeutschen zu Frühaufstehern ge worden. Und um 7 Uhr morgens herrscht auf den Straßen schon reger Verkehr. In den Hotels hat man ebenfalls um diese frühe Stünde noch nie solchen Trubel gesehen. Alles ist bereits in den Arühstückssälen versammelt, die Laut sprecher werden eingestellt, man zückt Bleistift und Rotlz- buch und wartet nun gespannt auf das, was kommen soll. Die Deutsche Front hat an vielen Stellen Gemeinschafts empfang vorbereitet. Es gibt große Schul- und Fabrik säle, in denen Lautsprecher ausgestellt sind, damit jeder, auch jene, die nicht im Besitz eines Radioapparates sind, der Verkündung des Abstimmungsergebnisses teilhaftig werden und dann Gauleiter Bürckel und anschließend daran den Führer und Dr. Goebbels hören kann. .... Die Stimmung ist auf einem Höhepunkt angelangt, der schlechterdings nicht mehr zu überkreffeft ist. Man ist in diesen Wochen im Saargebiet Superlative gewöhnt gewe sen, aber es zeigt sich, daß es immer noch wieder eine Stei gerung gibt. Die Schulen, Geschäfte und Betriebe sind ge schlossen. Dle Bergarbeiter sind an diesem Morgen nicht in die Grube eingefahren, sondern sammeln sich in ihren reich geschmückten Orten zum Abhören des Abstimmungsergeb nisses. lleberall steht man, wie die Fahnenstangen von Blumengewinden befreit und in Ordnung gebracht werden, denn sofort nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses wird das Saargebiet ein einziges Flaggenmeer fesn. Ls wird dann so aussehen, wie es am 13. Januar nicht aussehen durfte. In dm Schaufenstern sieht man überall Bild« des Führers, des Gauleiters Bürckel und von Reichsminister Dr. Goebbels. Auch die ersten Hakenkreuz- sähnchen sind schon in den Schaufenstern zu sehen. In einem weiteren Stimmungsbild von den welthistori schen Augenblicken im Saarland wird uns durch den Presse- fünk berichtet: Bis heute morgen galt das Flaggenverbot. Aber nun, mit der Bekanntgabe des Ergebnisses ist es aufgehoben, und das Saarvolk darf — endlich — seinen Gefühlen den Ausdruck geben, der ihm bisher verwehrt war. Drau ßen im Lande sind selbst die Zechentore bekränzt, Talrnengewindeum die Hochöfen gerankt. Waghalsige haben oben auf den steilen Essen der Fabriken Fahnen gehißt. Auch auf der Grube Pascal, auf der die Belegschaft gestern wegen Entlassung des zur Deutschen Front übergetretenen Bergarbeiterführers Jakob Hannes in den Ausstand getreten war, herrscht an diesem Morgen Hochstimmung. Die ganze Belegschaft hört gemeinsam mit der Bevölkerung die Verkündung der Abstimmungsergeb nisse und anschließend die Rede des Mannes, der dieses Ge biet nun in seine Hut nehmen wird, und dann die Rede des Führers, der nun auch rechtmäßig der Führer der Saar deutschen geworden ist, wie er es in ihren Herzen schon längst war. Vor der „Wartburg" sind auf der Mittelpromenade Stricke gezogen, hinter denen sich eine große Menschenmenge staut. Vor dem Hause, wie immer, die englischen Posten im flachen Stahlhelm und mit aufgepflanztem Bajonett. Drinnen geht es zu, wie in einem Ameisenhaufen. Aufgeregt sammeln sich die Stimingähler im großen Saal, und die ausländische Presse verteilt sich auf die Räume, in denen in deutscher u. französi scher Sprache das Ergebnis bekannt gegeben wird. Es herrscht eim ungeheure Spannung. Man weiß jetzt unge fähr, daß neunZehntelder Saardeutschen sich begeistert zu Deutschland bekannt haben, und es ist außer Zweifel, daß die anderen.es in wenigen Minuten tun werden. Gauleiter Bürckel hat versöhnende Worte gespro chen, und nicht durch Unterdrückung, sondern durch, Erzie hung werden sich die Fäuste lösen, und Taten werden über zeugen. Dann werden sich auch die Arme jener dem Führer entgegenstrecken, die dieses Mal noch verführt eigene Wege gingen. Es ist nun zwischen Tau und Tag. Tropfen fallen schwer in den. feuchten Boden und es riecht würzig nach frischer Scholle. lleberall in den Straßen ... überholt man noch einmal die Ausschmückung der Häuser, denn der 15. Januar, der nationale Tag des Saarvalkes, soll das Saarland in bräutlichem Hochgeitsschmuck sehen, so wie es noch niemals da war. In einem Schaufenster werden die Hüllen von zwei Bildern genommen, die bis her mit. Tüchern versehen waren; reserviert bis zum 15. Januar. Hinter den Tüchern aber befanden sich die Bilder Hindenburgs und des Führers Der Volksmund ist schon seit dem frühen Morgen am Werke. So sieht man Verse an Häusern: „Status quo, du bist k. o."> oder in An lehnung an den Namen des Präsidenten der Regierungs kommission Inschriften: „Knox out". Aus einem Lokal tont Musik, und eine Stimme ruft: „Noch einmal den Status quo-Marsch!". Dann hört man es: „Muß i denn, mutz i denn zum Städtele hinaus!" Matz Braun, der geschlagene Feld herr, ist nun der Lächerlichkeit preisgegeben. So steht an einem Zaün, von Kinderhand geschrieben: Matze Braün ist ein Clown", und man kann hier wieder einmal mit Recht sagen, daß Kindermund die Wahrheit spricht. An anderer Stelle wieder ist zu lesen: „Status quo hat ausgespielt, Matz htzt nebenbei gezielt" und auf jcnen Zsifernblättern, die in Neunkirchen an Fahnenstangen befestigt waren, mit der Inschrift „5 Minuten vor 12", kann nun der Zeiger auf 12 gestellt werden: PerFreiheitstag ist da. Und jenes Schild, das eine andere Fahnenstange zierte „Es geht auch so", kann nun durch eine richtige Fahne ersetzt werden. Um 5.3ü Auszählung der Stimmen beendet. Beginn -er Zusammenzählung. Saarbrücken, 15. Januar. (Eig. Funkmeldg.) Um 3,30 Uhr morgens war die Leerung der Urnen und die Aus- zählung der Slimmzetlel im wesentlichen beendet. Jehl beginnt die Gesamt» < 'ision und die sorgfältige Nachprüfung der Einzelzählung. Erschöpft von 12stündiger Arbeit verlassen die Stimm zähler allmählich den Sach, um sich vor der Bekanntgabe des Ergebnisses noch ein wenig zu erholen. Der Saal macht den Eindruck, als sei eine Papierflut auf ihn niedergegan- gen. Dazwischen stehen die großen Zähltische, eine groß« Zahl von leeren Urnen und leeren Zählkartons. Die eng lischen Soldaten, die die ganze Rächt üb« den Iran»port der Urnen versorgten, find verschwanden. Auf der Böhne Ist die Abstim«ung»kommiffiOa eifrig au der Arbeit, um nunmehr da» Gesamtergebnis zu ermitteln. Vor de« Tisch steht da» Gewirr der Mikrophon«, durch die Präsident Rho de um »,15 Uhr der gMzen well mitteilen wird, daß dle Deutsche Front «inen üb«wältigeuden Sieg errungen und dich f« da» ganze deutsche Saarvolk sich zu Deutschland be kannt hat, Die Galerien Men sich allmählich 1« Saal. Vie Ailmoperateure beginnen ihre Apparate einzusteüen und zu prüfen, um ja den großen Augenblick der Bekanntgabe de» Ergebnisses nicht zu verkchfev. Mitten in diesem Stilleben au» Listen, Papi«, Karton und Urnen ob« steht ein einsa mer Stimmzähl« mit einem Toll« Suove in -er Hand, un schlüssig, wo er sich nun in diesem Wirrwarr niedersetz«« soll. Die einzelnen Wohlprotokolle sind gesammelt und fer tig gemacht worden. E» ist -st« in schönster Ordnung. Die Alchl der ungültigen Stimmen ist, wie der Augenschein «gibt: außerordentlich gering und d« Stapel -er für Deutschland abgegebenen Stimmen häuft sich zq großen Bergen. Sie Bekanntgabe des Ergebnisses. Än -er „Wartburg". Ls ist 7L0 Uhr. Im Hause „Wartburg" sind nün die Galerien dicht gefüllt. Und jn dem westen Rund des Saa les, wo einigermaßen ^Ordnung geschaffen worden ist, hat sich ebenfalls ein zahlreiches Publikum «ingefunden. Auf der Bühne sitzen die Herren der Abstimmungskommission, die Mitglieder der Regierungskommission und die Vertreter Deutschlands und Frankreichs. Nochmals werden die Laut sprecheranlagen überprüst. Die Jupiterlampen werden ein. geschaltet, und die Filmoperateure machen sich kurbelbereit. Ein Riesenaufgebot an Photographen zückt die Kamera, und Hunderte von Journalisten stehen mst Block und Blei stift bereit, um die Ergebnisse zu Dotieren. . > Jetzt stoht Präsident Rhode auf. Die Funksprecher künden den Beginn der Sendung an. Rhode nimmt die ersten Blätter mit dem Ergebnis in die Hand. Run bt> ginnt er die Verkündung der Freiheit des Saarlandes. > Zunächst tritt noch «ine klein« Pause ein, weil einige Ergebnisse noch nicht genau ermittelt sind. Um 8,18 Uhr hält Präsident Rodhe die weißen Blätter in der Hand, di« das Schicksal des Säaraebietes enthalten: Lautlos still.wird es im Saal. Jedet ist sich des weltge schichtlichen Augenblickes bewußt. Präsident Rodhe erhebt sich und führt aus: Am 13. Januar hat die Saarbevölkerung elue sehr wich tige politische Entscheidung getroffen, die da» künftige Säsick- sal de» Saarlandes bestimmt. Rachdem am Sonntag die Abstimmung stattgefunden hat, liegt nunmehr das Ergebnis der Stimmzählung vor. Diese Stlmmzählung ist von 309 neutralen Stlmmzählern in der Rächt vom 14. zuw 15. Januar unter Oberaufsicht. d« Abstimmungskommlssion vorgenommen worden. Da» bereit» nach Genf übermittelte endgültige Ergebnis ist in llebereiafilmmung mit den dies bezüglichen Vorschriften des Vertrages von Versailles fest gelegt worden. Infolgedessen werden die Zahlen einMst für die 83 Abstimmungsbezirke, das heißt Bürgermeister reien oder Bezirke abgegeben. Präsident Rodhe erteilt dann dem stellvertretenden He- neralsekretär der Abstimmungskommission, Wellemain, d« ' Wort zur Bekanntgabe der Ergebnisse der einzelnen Bür germeistereien und Gemeinden. Die Spannung ist bl» zum Siedepunkt gestiegen. Von Minute zu Minute wird nun klarer, welche» Ergebnis dl«? Abstimmung hat. Bl» zu 95 vom Hundert und darüber hinaus ist dle Zähl d« stimmen, dle für Deutschland ahtze- gebe« wurden, und nur einige Gemeinden, dle bisher al» Hochburg der Kommunisten galt«,, haben bis zu allerhöch sten» 20 bis 25 vom Hundert Stimmen, die nicht für Deutschland waren. Ab« auch hl« wird bald ein anderes Bild zu sehen sein. Wellemaln nimmt noch einmal -gs Wort. Durch die Fenster grüßt d« Morgen herein, -« Morgen der deutschen Freiheit. Nach Generalsekretär Wellemain nimmt noch einnW Präsident Rodh e das Wort. Er führt aus: > . „Die Volksabstimmung für da» Saargebiet ist somit abgeschlossen. Rachdem die Kommission ihre Aufgabe ge-i löst hak, wird sie heute nach Senf abreisen, um dein Völkers bundrrat Üb« ihre Tätigkeit Bericht abzufiatten. Beifallsklatschen dankt dem Präsidenten der Abstimmüngskommission für seine Worte. Noch einmal klopft Präsident Rodhe auf den Tisch und dann gibt er Has Gesamtergebnis bekannt. Noch ist man sich vielfach Noch nicht ganz klar, wie groß insgesamt der Anteil -er deutschen Stimmen ist. Als man nun aber vernimmt, daß mehr als SO Prozent, daß 447 000 Personen ihre Stimme für Deutsch land abgegeben haben, da bricht, noch ehe der Präsident die Für de« Transport -er Stimmzettel nach Genf, Frankreich sperrte seine Grenze gegen das Saargebiet. Vrahtverhau« und Stacheldreht schliehen »le französisch, Grenz« gegen da» Saargebiet ab, um de« unerwßuschr«« Uederlrilt »an Emigranten zn verhindern. wo sie dem Völkerbund ftir «ine nochmalig« Koalrolle de» Wahlergebnisse» zur Verftigung flehen, Pub tief« Kisten bestimmt.