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Beiblatt zu Nummer 257. Der SäWche Lrzähln. Donnerstag, de» S. November LS14 MÜtkkehr des Königs aus dem Felde. Dresden, 4. November. Der König traf gestern vor mittags nach 8 Uhr auf dem Neustädter Bahnhof aus dein Felde wieder ein und wurde von den Prinzessinnen-Töch- tern, sowie von dem Prinzen Johann Georg begrüßt. Fer ner waren auf dem Bahnhof Atz Herren Staatsminister und der Minister des Königlichen Hauses die Hofstaaten, der stellvertretende kommandierende General, der Kreishaupt- mann, der Präsident der GtaatSeisenbahnen und der Poli zeipräsident zur Begrüßung erschienen. Bon den städtischen Kollegien waren bei dem Empfange deS Königs anwesend die Herren Oberbürgermeister Dr. Beutler, Bürgermeister Dr. Kretzschmar und Bürgermeister Dr. Mai, Stadtverordnetenvorsteher Oberjustizrat Dr. Stöckel, Bizevorsteher Dr. Vogel und Vizevorsteher Hofrat Holst. Bei Betreten des Empfangsraumes begrüßte die Herren Vertreter -er Stadt Se. Majestät, in dem Herr Oberbürgermeister Dr. Beutler eine Ansprache mit etwa folgendem Wortlaut hielt: „Euer Königliche Majestät wollen gestatten, daß die Vertreter der Haupt» und Residenzstadt Euer Königlichen Majestät bei der Heimkehr aus dem Felde alleruntertänigst begrüßen. Zahlreiche Briefe von Angehörigen der sächsischen Ar mee haben eS unS bestätigt, welche Freude und Begeisterung eS. bei unseren Truppen ausgelöst hat, daß Euer Königliche Majestät sie im Felde besucht und die Allerhöchste Anerken nung für ihre tapfere Haltung ausgesprochen haben. Aber auch wir daheim haben es empfunden, daß durch die An wesenheit Euer Königlichen Majestät bei den im schweren Kampfe stehenden Söhnen unseres Volkes die innigen Bande zwischen Fürst und Volk noch fester und die Liebe und Verehrung Euer Königlichen Majestät noch inniger und stärker geworden sind. Die heißesten Wünsche unserer gesamten Bürgerschaft gelten jetzt dem Wohlergehen unserer Truppen im Felde und gipfeln darin, daß ihnen, wie bisher so auch künftig ein ruhmvoller Anteil an einem endlichen Siege unseres deut- schen Vaterkrndes über seine Feinde beschieden sein möge. Diese Wünsche umfassen vor allem auch unsere Königlichen Prinzen, die nach dem Befehle Euer Königlichen Majestät daS Schicksal unserer Armee teilen sollen. Darum aber find wir auch Euer Königlichen Majestät zu tiefstem Danke verpflichtet, daß Euer Majestät Aller höchstselbst Sich um unsere Truppen gesorgt und gemüht und damit deren Entschluß, die Heimat mit ihrem Leben vyr den Feinden zu schützen und ihren Willen zum Sieg neu gefestigt und gestärkt haben. Wir bitten Euer Königliche Majestät, den Ausdruck dieses Dankes mit dem ehrerbietig sten Willkommens grüß Allergnädigst anzunehmen." Der König erwiderte etwa folgendes: „Lieber Herr Oberbürgermeister! Für die im Namen Meiner Haupt- und Residenzstadt Dresden ausgesprochene Begrüßung spreche ich Ihnen herzlichen Dank aus. Mit großer Freude habe ich unter Meinen braven Truppen im Felde geweilt und mich mit Genugtuung davon überzeugt, wie dort ein Jeder vom obersten General bis zum jüngsten Soldaten furchtlos und treu seine Pflicht tut. Wer gesehen hat, wie unsere Truppen unter zum Teil schwierigen Ver hältnissen nicht nur von standhaftem Heldenmut, sondern auch von dem Geiste frischer Offensive erfüllt sind, der weiß, daß wir in diesem Kampfe siegen werden. Freilich hat dieser Krieg schon viele und schwere Opfer unter den Söhnen Meines treuen Sachsenvolkes, insonder heit von Meiner lieben Residenzstadt Dresden gefordert. Dankbar erinnere Ich Mich dabei auch der Opfer, welche die Stadt durch die reichliche Ausstattung von Liebesgaben zügen nach Ost und West gebracht hat. In dem Wetteifer aller Kreise in dieser Opferfreudigkeit erblicke Ich einen er neuten Beweis für den unerschütterlichen Zusammenhalt und den durch den Feldzug neu erweckten sittlichen Ernst des ganzen Volkes. Ich benutze diese Gelegenheit, um zum Ausdruck zu bringen, wie sehr Mich die patriotische Haltung deS ganzen Volkes erfreut, die Mir seit Beginn des ganzen Krieges immer wieder entgegentritt." Verlustliste Nr. 48 der Köniftl. SLchs. Armee. ausgegeben am 3. November 1914, nachmittags 5 Uhr. ('Iusmg>. Leib-Grenadier-Regiment Nr. 1VV, Dresden. Gnauck, Paul, Grenadier d. R. aus BelmSdorf — vermißt. Gräfe, Erwin, Grenadier aus Oberlichtenau — gefallen. Rößler, Paul, Gren. d. R. aus Neuschmölln — l. verw., lin ¬ ker Unterarm. 4. Infanterie-Regiment Nr. 1V3, Bautzen. Krahl, Paul, Ers.-Res. aus Hainitz — l. verw. rechtes Bein. Haufe, Ernst Robert, Soldat aus Rammenau — schw. verw. Hultsch, Alwin Max, Soldat aus Rabitz — l, verw. Strehle, Paul, Res. aus Goldbach — vermißt. Werner, Max, Gefr. d. R. aus Niedernenkirch — vermißt. Schuffenhauer, Eugen Alexander, Res. aus Großharthau — l. verw., rechter Arm. Hofmann, Ernst Walter, Ers.-Res. aus Schmölln — l. verw., Schulter. Feldpostbriefe der Söhne unserer Heimat. Ein Demitzer bei der Einnahme von Longwy. Am 2. August ging es nach St. I. ins Quartier; die Einwohner waren sehr feindlich gesinnt, es ist dreimal von den Bewohnern nachts auf mich geschossen worden. Am 11. Aug. 3 Uhr vormittags habe ich mit meinem Leutnant die Täter verhaftet, wir haben den Pastor, Bürgermeister, Lehrer, Förster und 3 Franzosen verhaftet, weil sämtliche in dem Verdacht standen, geschossen zu haben, außerdem wur den 53 Gewehre gefunden, mehrere geladen. Von da aus ging es nach Diedenhofen, über Büttgen durch Luchsemburg nach Belgien, am 21. August 4,30 Uhr nachmittags eröff neten wir zum ersten Male das Feuer gegen den Feind. Links von dem Dorfe H. feuerten wir gegen die Festung Longwy. Nach mehrtägiger schwerer Arbeit ist es gelungen, am 26. August 2 Uhr nachts die Festung Longwy zur Ueber- gabe zu zwingen; es sind 4500 Gefangene gemacht und 55 Geschütze erbeutet worden. Am 5. September haben wir die Maas bei D. überschritten. Hier ging es erst los, vom 12. bis 17. Sept, haben wir in Feuerstellung gestanden. » Siuuspruch. Ohne Kampf und Not kann kein Einzelwesen » ein lebenswerte«, intensives Dasein führen, Kampf L » und Not braucht das «ollektivwesrn ebensosehr, ja » 8 noch viel mehr, weil seine Elemente viel lockerer » > zusammengeHtlel sind als die des Jndimduums. j? Gedruktage: 4. November 1814; Bereinigung Norwegens mit Schweden. 1903: Panama löst sich von Kolumbia los und erklärt sich selbständig. Astronomischer Kalender. 5. November: Sounesiaufg. 7 Uhr O Mn. Mondaufg. 5 Uhr 8Min. Sonnenunterg. 4 Uhr 27 Min. Mondunterg. 9 Uhr 56 Min. Los vom Joch. Roman aus der Zeit der Befreiungskriege. Bon E. v. Winterfeld-Warnow. (14. Fortsetzung). / (Nachdruck verboten.) „DaS tut er wohl! Aber weiß er, was wir in Bremen gelitten haben? Kennt er die Schande unserer Schwestern, die Not unserer Mütter und Väter? Die Last, die auf un serem Handel, auf unserer Stadt lastet? Heimlich haben wir unsere Nachrichten von Euch und von dem Aufschwung im Bolle erhalten. Heimlich nur durften wir darüber re den! Wundert es Euch, daß wir da vielleicht noch wilder in unserem Haß, noch heißer in unserer e wurden?" »Wie schön Ihr seid in Eurer Begeisterung!" Friesens Augen hingen wie verzaubert an der Gestalt deS begeisterten Mädchens. Bei seinem Ausruf zuckte sie zu- sammen! Sie wandte sich ab. In demselben Augenblick ertönten Hornstöhe. Dann hörte man von weitem ein Marschlied. Gesche^fteute sich. „Hurra! Meine Hornisten! Nu kommen se! Demoiselle, nu müßt Ihr aber fort von hier, sonst sehen sie Euch noch als Mädchen. , Friesen hatte sich auch gefaßt. Er trat ruhig zu Anna und sagte: „Ja, kommen Sie, Fräulein! Ich bringe Sie zu Pastor Peters, meinem guten Freund ' Der wird Sie aufnehmen. Dorthin besorge ich Ihnen Waffen und Uni form." „Und ein Pferd?" „Ja, auch ein Pferd! Ich werde schon eins auftreiben. Da Sie vertraut mit der Zügelführung sind, ertragen Sie die Strapazen als Reiter leichter." „Und ich kann noch eine recht kindische Bitte ausspre chen, eine, über die Sie lachen werden als über eine Mäd chentorheit? Wenn es möglich ist, bringen Sie mir einen Schimmel. Ich sah mich auf einem Schimmel im Traum. Es ist eine Kinderei! Ich weiß es, aber . . . ." „Gott sei Dank, daß es so ist! So sind Sie nicht nur das Heldenweib! So sind Sie doch noch ein Mädchen, -em phantastischer Sinn anhaftet, das mir dadurch noch mensch lich näher tritt." Verwirrt fragend blickte Anna ihn an. Aber wieder drängte Gesche: „Schnell, schnell! Die Soldaten kommen! Die Musike ist schon ganz dichte bei." Anna und Friesen waren gleich darauf hinter dem Kirchlein verschwunden. Gesche blieb noch zurück, um ihren Peter zu begrüßen, den sie auch jetzt seit Wochen nicht ge sehen hatte. Ihr Peter war Hornist. Ueber das Wort schrieb Körners Freund Förster in Briefen: „Wir Jäger werden nur mit Hornsignalen kommandiert." Deshalb war das Wort Hornist gebräuchlich. Jetzt hatten die Soldaten das Dorf erreicht. Es waren zu viele, um alle in den Häusern unterzubringen. So wur den Zelt« aufgeschlagen und auf einer Wiese gelagert. Ge- sche suchte nach ihren „Ollen" und wurde stürmisch von ihm begrüßt. Er wollte Bescheid wissen von allem, was sie noch getan und erreicht hatte. Und auch von Anna und dem neuen Vetter, den er plötzlich bekommen hatte, erzählte sie ihm. Wenn er nicht eingeweiht gewesen wäre, hätte er sie sicher in der ersten Verblüffung verraten. Zuerst wollte er sich totlachen über den neuen Zuwachs seiner Familie und deS Regiment«. Aber als er sah, daß seine Gesche die Sache doch sehr ernst nahm, da versprach er schließlich auch tiefste Tag und Nacht, immer im größten Regenweiter, ganz durch näßt, ein Bett gibtS nicht; das war ein schweres Gefecht, die feindlichen Granaten, Schrapnells und Kugel flogen uns nur so um den Kopf, aber immer vorwärts ging es. Die Franzosen sind nur so gesät auf den Feldern. Mancher armer Kamerad hat sein Leben gelassen, wer weiß, was uns noch bevorsteht. Heute haben wir das erste Mal seit den: 2. September einen Ruhetag. LI. 2. I« Dixmuiden während de» Domdardement». Philipp Gibbs, der Berichterstatter deS „Daily Chro- nicle" schildert eine Fahrt, die er mit dem Ambulanzauto unternommen hat, um Verwundete aus Dixmuiden abzu- holen. Die Schlacht am Merkanal war in vollem Gange, und während der Kraftwagen durch das ebene Land längs des Kanals dahinrollte, befand es sich fortgesetzt in der Feuerlinie. «Die Kanonen donnerten unaufhörlich. Alle kleinen Dörfer standen in Brand, Flammen lohten zum Himmel empor. Es war ein wunderbar schöner, aber furcht barer Anblick. Nahe bei uns lagen zwei belgische Batterien, die die ganze Zeit die feindlichen Stellungen beschossen. . . Aus den Laufgräben knallten die Flinten. Wir befanden uns in einem doppelten Feuer, und belgische und deutsche Granaten schrien über unseren Köpfen. Schüsse von der feindlichen Seite fielen auf das Ge lände dicht bei uns, pflügten es auf oder machten riesenhafte Löcher darin." Der kleine Wagenzug kam weiter in einen kleinen Flecken, der vom deutschen Feuer ganz besonders schwer verwüstet worden war. „Belgische Soldaten lagen dicht an den zusammengeschossenen, rauchgeschwärzten Mauern und schossen von hier auf den andringenden Feind. Ein Granatenregen fiel auf den Ort. Wir waren in einer Staubhölle. Es war, als ob wir mitten in einem Artillerie park ständen, wo von allen Seiten unablässig gefeuert würde." An dieser Stätte des Schreckens gab ein belgischer Offizier ihnen die nötigen Anweisungen über den Weg nach Dixmuiden. Sie setzten ihre Fahrt unter einem Bleihagel fort. „Endlich erreichten wir unser Ziel. Wir fuhren in Dixmuiden ein. Die Straßen, die wir passierten, waren menschenleer. Die Häuser waren zerstört. Es war, als ob ein Erdbeben die Stadt heimgesucht hätte. Jeden Augen blick fanden neue Explosionen statt. Die Granaten fielen auf die beschädigten Gebäude nieder und zerstörten sie noch mehr. Als wir eine Ecke passierten, fiel eine Mauerwand quer über die Straße. Hier und da sahen wir einige bel- gische Soldaten, die voller Schrecken Zuflucht suchten. Einer von ihnen sprang auf meinen Wagen. Er zeigte uns den Weg. Alle Zugänge zum Rathäusplatz waren von Ruinen versperrt, aber wir mußten um jeden Preis hin. Der Füh rer gab daher dem Chauffeur Befehl, vorwärts zu fahren, die anderen Wagen folgten, und so ging es auf und nieder über die Trümmerhaufen. Das Rathaus selbst war ganz zerstört. Wie wir auf dem Platze ankamen, fiel gerade wie der eine Granate auf das Gebäude, und unter ohrenbetäu bendem Krachen stürzte eine Masse Mauerwerk zusammen. Unter -en herabfallenden Steinen lagen tote Soldaten." Gibbs und seine Begleiter drangen in das Rathaus ein. In der Vorhalle trafen sie auf Tote. Ein junger Offizier kam ihnen entgegen. Er rauchte, sich als Mann zu zeigen, aber er konnte den Schrecken in seiner Seele nicht verbergen. Verschwiegenheit und Hilfe für den neuen, jungen Kame raden. Besonders nachdem er gehört hatte, daß Leutnant Friesen sie angenommen hatte, da war er beruhigt. „Denn hat die Sache 'ne Art! Denn der Friesen, da ist ein ganz Fixer. Immer vorne weg! Und schießen kann er wie der Satan! Immer ins Schwarze!" Er gab Gesche noch Mitteilung über ihren Marketen derwagen, den bisher eine andere mit übernommen hatte. Dann hörte er Hornsignale. Man sah neue Jägerabteilun gen einrücken. Er mußte zu seiner Kompagnie. „Lebwohl, Katrinchen, sorg' für deinen Wagen! Ich muß los." Es entwickelte sich eine richtige Lagerszene. Gesche wurde jubelnd begrüßt. Für diese Nacht sollte sie hier ja biwakieren. Denn morgen mit dem Frühesten- sollte die Ein- segnung der Waffen sein. Nach und nach wurde es stiller. Alles richtete sich für die Nacht ein. Nun konnte sich auch Leutnant Friesen nach seiner Schutzbefohlenen umsehen. Er fand sie bei dem freundlichen, alten Pastor Peters gut aufgehoben. Der gab ihr Unter kunft für die Nacht und hatte sich schon rasch mit seinem schönen, jungen Gast befreundet. Auch Friesen blieb noch ein Stündchen bei ihm. So verlebten die drei noch in deS Pastors freundlicher Studierstube einen schönen, stillen Abend. Pastor Peters, ein alter Junggeselle, wußte doch in seinem kleinen Dorf von allem Großen, was die Welt be- wegte. Er hatte Freude an den neuesten Schriftwerken und Dichtungen, und freute sich, -aß seine jungen Gäste ihm auch auf dies Gebiet folgten. Aber dann wurde es ihm web- mütig zu Sinn, wenn er dachte, daß sie nun beide, auch das liebliche Mädchen, hinaus wollten in den Krieg. Weich' an dere Zukunft hätte er wohl beiden gewünscht! Er sah eS sa, daß in der Brust d«S Mannes trotz Kriegsurrruhen und Vor bereitungen eine holde Blüte aufwuchs. Sah eS, wie Fried rich Friesens schöne JünglingSgestalt nicht ohne Eindruck auch auf das Mädchen blieb. Aber dann kam der Gedanke an den Krieg, an die harte, schwere Zeit! DaS würde alles Weiche und Zarte zerdrücken und töten. Auch diese Abend stunden waren nur zu rasch vergangen. Sie mußten sich trennen, damit sie alle Kraft und Stärk« für den nächsten Tag sammeln konnten.