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-G 70 Der sich fisch« Gr-ühler. Sette G. Kar in Wiesbaden weilt, erhalten. Der dLnische Herrscher nahm an der Mittagstafel in Schloß Friedrichöhof Theil und kehrte hierauf nach WieS- baden zurück. Dem bedenklichen Wirrwarr in den Mittheilungen der al-halbamtlich geltenden Berliner Blätter soll nunmehr ein Ende gemacht werden. E- verlautet bestimmt, daß in der jüngsten Sitzung de» preußischen Staat»- Ministerium- beschlossen worden sei. fortan Ver lautbarungen halbamtlichen Charakter- nur durch die „Berliner Korrespondenz- und durch die „Nordd. Allg. Ztg." veröffentlichen zu lassen, sonst aber keinem anderen Blatte Mittheilungen oder Jnsormationen sriten- der Mitglieder de» Staat-Ministerium» zu übermitteln. Eine ähnliche Anweisung soll durch den Reichskanzler den Chef» der Rrich-ämter zugegangen sein. Hoffentlich wird diese höchst zeitgemäße Maßregel auch konsequent durchgrführt, damit dann die öffentliche Meinung ohne Weitere» weiß, welche Kundgebungen in Berliner Blättern al» von verantwortlichen Stellen herrührend zu betrachten sind. Eine Konferenz von Vertretern der ein zelnen Bundesstaaten behufs Erzielung einer ein heitlichen deutschen Rechtschreibung tritt am Montag im Reichsamte des Inneren zu Berlin zusammen. Man kann nur ausrichtig wünschen, daß diese Konferenzverhandlungrn von Erfolg be gleitet sein mögen, denn die auf dem Gebiete der deutschen Rechtschreibung trotz der amtlichen Puttkamer'fchen Orthographie herrschende Kon- fusion ist kaum mehr erträglich. In Berlin hat am Sonntag Mittag die feierliche Enthüllung de» National denkmals für den Fürsten Bismarck im Rahmen des aufgestellten Festprogrammes statt gefunden. Die in Frankfurt a. M. abgehaltene Konferenz von Vertretern der vier Main- Uferstaaten Preußen, Baiern, Baden und Hessen ist am 14. Juni nach dreitägiger Dauer wieder geschlossen worden. Den Gegenstand dieser Kon- frrenzverhandlungen bildete die geplante Kanali sation de« MainS von Frankfurt bis Aschaffen burg, doch ist über den Verlauf und da« Ergebniß der Berathungen noch nichts bekannt, da dieselben streng vertraulich gehalten waren. In Württemberg will man nach wie vor von einem Anschlüsse an die preußisch-hessische Eisenbahngemrinschast nichts wissen. Auch die Kammer der StandeSherren hat jetzt, wie vorher schon die Abgeordnetenkammer, sich für Aufrecht erhaltung der Selbständigkeit des württembergischen Eisenbahnwesens ausgesprochen, durch einstimmige Annahme eines hierauf bezüglichen Antrages, der zugleich den Erlaß eines Reichseisenbahngesetze» und die Verwirklichung des Artikels 42 der Reich-vrrfassung fordert. Die deutsche Regierung soll in Gemein schaft mit der niederländischen Regierung dem Londoner Kabinett eine Protestnote gegen die Be handlung der Transvaalbahnaktien, wie sie in dem Kommissionsbericht über dir Transvaalbahn, der dem englischen Unterhause vorliegt, vorge schlagen wird, übermittelt haben. Diese Aktien befinden sich wohl mindestens zur Hälfte in deutschem Privatbesitz, und die deutsche Regierung wäre daher nur in vollem Recht, wenn sie in London Protest gegen die geplante Vergewalti gung der Besitzer der Transvaalbahnen eingelegt hätte. Der Besuch Kaiser Franz Joses'S im „goldenen Prag" scheint im Allgemeinen den vor gesehenen programmgemäßen Verlauf genommen zu haben. Am Freitag Vormittag wohnte er der vom Cardinal-Erzbischof v. SkrbenSky voll zogenen feierlichen Weihe der neuen Moldaubrücke bei. Nachmittags besuchte der Monarch die städtische Sparkaffe und die Landesbank, ferner den Vorort Weinberge, besichtigte dann die neue Kirche in Dizkry und fuhr schließlich über Caro- linenthal nach dem Hradschin zurück. Ueberall wurde der Kaiser hierbei von den Menschrnmassen jubelnd begrüßt. Der czrchische Landsmann „Minister" Rezrk gedachte den Kaiser auf dessen Weiterreise nach Leitmrritz und Aichig zu be gleiten, wogegen aber die Bürgermeister der beiden Städte protestirt haben. Die Congo-Vorlage begegnet im belgischen Parlament noch immer gewissen Schwierigkeiten. So beschloß die für die vorberathung derselben gewählte Sonderkommission der vcputirtenkammer, der Regierung zunächst einige Fragen vorzulegen, unter ihnen auch diejenige, welche Folgen in Hin blick auf Belgien au» einer etwaigen Ablehnung der Congo-Vorlage entstehen würden. In der französischen Deputirtenkammer führte die Weiterberathunh der Interpellation «egen der Araber-Unruhen in Marguöritte am Freitag zu einem leidenschaftlichen Ausfall« de» brkanoten antisemitischen Abgeordneten Drumout auf die algerische Regierung. Er sprach u. A. davon, daß in derselben übelberüchtigte Persön lichkeiten säßen und nannte sogar den Präfekten Lutaud offen einen Schurken. Infolge dieser un- qualificirbaren Aeußerungen beschloß die Kammer die zeitweilige Ausschließung DrumontS, da dieser aber nicht freiwillig ging, mußte die Sitzung suS- pendirt werden, woraus eine Abthrilung Soldaten die Tribüne räumte und Drumont zum Verlassen de« Saales zwang. Nach Wiederaufnahme der Sitzung verbreitete sich Ministerpräsident Waldeck- Rousseau über die allgemeine RryirrungSpolitik in Algerien und besprach weiter die Ereignisse in Marguöritte, dieselben als belanglos charakteri- sirrnd. Eine hochpolitische Rede hat der italienische Minister des Aeußeren, Prinetti, in der Frei tagssitzung der Deputirtenkammer gehalten. Er vertheidigte lebhaft den Dreibund und betonte namentlich, daß derselbe Italien keineswegs über mäßige Lasten aufrrlegr; auch bezeichnete Prinetti den Dreibund als rin wirksame« Mittel zur Auf rechterhaltung de« europäischen Frieden«. Haupt sächlich aber verbreitete sich der Minister über die Frage der Erneuerung der Handelsverträge Italien», die er von allen Seiten beleuchtete, wobei er zu dem zuversichtlichen Schluffe kam, daß die Schwierigkeiten sür den Abschluß neuer Handels verträge Italiens mit Deutschland und Oesterreich- Ungarn durchaus keine unüberwindliche seien, der Minister sprach sogar seine feste Hoffnung auf da« Zustandekommen Vieser Verträge au«. Er erntete mit seinen Ausführungen großen Beifall bei der Volksvertretung. Die Nachrichten von einem im serbischen Staatsministerium bevorstehenden Wechsel in der Besetzung mehrerer Portefeuille« werden von zuständiger Belgrader Seite au« al« unbe gründet bezeichnet. In England kann man sich über die Be lassung einer deutschen Garnison in Shanghai noch immer nicht beruhigen. In der UnterhauSsttzung vom Freitag richtete der Abgeordnete O' Kelley die Anfrage an die Regierung, ob die Beibehaltung einer deutschen Besatzung in Shanghai mit den Bestimmungen de« deutsch-englischen China-Ab kommen« in Einklang stehe. UnlerstaatSsekretär Lord Cranborne ertheilte hierauf eine ausweichende Antwort. UebrigenS wird in dieser Angelegenheit aus Washington gemeldet, daß die UnionSregirrung nicht beabsichtigt, Protest gegen die Belassung einer deutschen Garnison zu erheben, da ihr deutscherseits befriedigende Aufklärungen hierüber gegeben worden seien. -Cronberg, 15. Juni. Seine Majestät der Kaiser verbrachte den Nachmittag in der Gesell schaft Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, be gleitete die Kaiserin auch auf der Spazierfahrt im Park und trat dann um 9^ Uhr Abend« die Reise nach Berlin an. * Berlin, 16. Juni. Heute Mittag wurde in Gegenwart de« Kaisers da« BiSmarck-Denkmal feierlich enthüllt. Große Menschrnmassen hielten die Zugänge zu dem Denkmalsplatze besetzt, der, in weitem Halbkreis von Flaggenmasten mit Tonnengrün umsäumt, mit den bis oben besetzten gewaltigen Tribünen, in deren Mitte sich das Kaiserzelt erhob, ein Bild bot, dessen Farben unter dem bedeckten Himmel prächtig hervortratrn. Die Kriegervereine mit wallenden Fahnen flankirten das Podium vor dem Denkmal, wo Fürst Herbert Bismarck, der Reichskanzler, die Minister, die Staatssekretäre, die Mitglieder des BundeSrathrS und des Reichstages, Fürst Hohenlohe, die Herren de« Centralkomitees, Mitglieder de» Herrenhause» und de» Abgeordnetenhauses, der Schöpfer de» Denkmals Bega«, die Schöpfer der Nebenfiguren und Offiziere der Armee und der Marine sich eingefunden hotten. Desgleichen stellten sich dort auf die Abordnung der Halberstädter Kürassiere, die Vorstände der Kriegerverrine, die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft, der Vörsenvorstand, die Vertreter der Universität und der Hochschule», der Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin und Charlottrnburg. Der Präsentiermarsch der Ehrenkompagnie kündigte da« Nahen der Majestäten an, welche der Reichskanzler Graf Bülow, der ReichStagSprästdent Graf Ballestre« und die Herren de» Komitee« empfingen. Der Kaiser in SeneralfeldmarschallSuniform schritt die Ehrenkompagnie ab und begab sich mit der Kaiserin unter den Baldachin, die Prinzen und die Prinzessinnen folgten, ebenso die Damen und Herren der Umgebung. Eia tausendstimmiger Chor von Schulkindern eröffnete mit dem Gesang „Die Himmel rühmen d«S Ewige« Ehre" die Frier, worauf v, Leurtzow vortrat , yud da» Denk mal dem Reichskanzler mit einer Ansprache über gab, in der er hervorhob, daß da» unter de« Protektorate de» Kaiser», von deutschen Lands leuten au- allen fünf Welttheilen errichtete, von hochbewährten Künstlern geschaffene Denkmal der Enthüllung in Gegenwart de- Kaiserpaar«-, der deutschen lande-herrlichen Familien und dr» ältrsten Sohne» de» verewigten großen Kanzler» harre, während der zweite Sohn leider au» seine« erfolgreichen Wirken in» Jenseit» abberufen und seine einzige Tochter Krankheit» wegen zurückge hallen sei. Die Enthüllung erfolge ferner unter Betheiligung der obersten Würdenträger de» Reich» und der Bundesstaaten, de» ReichStage» und Tausender, welche da» Andenken Bismarck» im Herzen tragen. Dauernder al» Erz lebe da» Andenken Bismarck» in der Weltgeschichte und im deutschen Volke fort, da» seiner selbst vergäße, fall« e» Bismarck» vergäße, auf den die ganze Welt bewundernd schaute. Auch sti Bismarck ein nationaler Hero«, ein Vorbild monarchischer Ge sinnung, ein Vorbild de» ManneSmuthS und der Vaterlandsliebe. Sein Wort „Wir Deutsche fürchten Sott, sonst Niemand in der Welt" bilde da» Motto der Zukunft. Er bitte den Kaiser, den Reichskanzler, da« Reich, den BundeSrath und den Reichstag, da« Denkmal in ihre Obhut zu nehmen. Wer das Denkmal sehe, müsse sagen, „das war ein Mann", Märkern aber wolle man nicht verargen, daß sie sagen, „er war ein branden burgischer Mann." Hierauf erwiderte Reichs kanzler Graf Bülow, dessen klare Stimme von der Plattform hinauSdrang in die lautlose Menge mit folgender wiederholt von lebhaftem Beifall unterbrochener Rede: Im ganzen deutschen Volke ist Niemand, der nicht fühlte und wüßte, daß die Spuren von den Erdentagen de» eisernen Kanzler nicht untergehen, daß die Bewunderung und Dankbarkeit für ihn nicht aufhören werden, solange ein deutsche» Herz schlagen, ein deutscher Mund reden und eine deutsche Faust sich ballen wird, Bismarck war ein „Löwenvater". Er stand auf der Erde im Staube de» Kampfe». Der Kampf bringt berechtigte Gegnerschaft, ungerechte Ver kennung, ehrliche Feindschaft und blinden Haß. Nachdem der Staub de» Kampfe» sich verzogen hat, leuchtet nur die Erinnerung an die er reichten Thaten und an die unvergleichliche Per sönlichkeit. Nachdem er unter un» mit Kaiser Wilhelm dem Großen in gewaltiger Energie da» Reich aufgerichtet hat, sicherte er diesem und der Welt in ebenso seltener Mäßigung und Selbstbr- schränkung den Frieden. Er hat auSzeführt und vollendet, wa» seit Jahrhunderten da» Sehnen de» Volke» und da» Streben der edelsten Geister ge wesen war, wa» die Ottonen, die Salier, die Hohenstaufen vergeblich angestrebt, wa» 1813 den Kämpfenden al» unerreichter Siegespreis vor schwebte, wofür eine lange Reihe Märtyrer der deutschen Idee gekämpft und gelitten hat. Er war gleichzeitig der Ausgangspunkt und der Bahn brecher einer neuen Zeit für da» deutsche Volk. In jeder Hinsicht stehen wir auf seinen Schultern, nicht in dem Sinne, al» ob e» vaterländische Pflicht wäre, Alle» zu billigen, wa» er gesagt und gethan hat. Nur Thoren oder Fanatiker werden behaupten wollen, daß Bismarck sich niemals geirrt habe — auch nicht in dem Sinne, al» ob er Maximen aufstellte, die nur unter allen Um ständen anzuwenden seien! Starre Dogmen girbt e» weder im politischen noch im wirthschaftlichen Leben. Gerade Bismarck hielt von der Doktrin nicht viel. Wa» Bismarck un» lehrte, ist, daß nicht persönliche Liebhabereien, AugenblickSström- unge», noch graue Theorien, sondern immer nur da wirklich andauernde Interesse der Volksgemeinschaft die Salus pubUoa die Richtschnur einer vernünftigen sittlich berechtigten Politik sein darf. Wa» fein ganze» Wirken lehrte, ist, daß e» bei der Politik darauf ankommt, in jedem Augenblick die Grenze» de» erreichbaren deutlich zu bekennen, an die Er reichung de» zu Nutz und Frommen de» Lande» Er reichbaren aber alle« zu setzen, vi-marck gehörte keiner Koterie, er gehörte der ganzen Nation. Er wurde auf politischem Gebiet, im Reiche der That da-, wa» Goethe im Reiche de» Geiste- auf dem Gebiet der Kunst undLitteraturfür un-gewesen ist. Bi-marckistun» «ine Gewähr dafür, daß die Nation ihre Gleich berechtigung mit anderen Völkern da» Recht auf Einheit, Selbständigkeit und Macht niemals aufgeben kauu. In ihm kann sich wie in einem Spiegel di« Ratton selbst beschaun; denn er war vor Aller» ein Deutscher im vollsten Sinne de» Worte», vor un» liegt die SiegeSallee. Wenn diese stolze Straße von den A-kauieren und von den Nürnberger Burggrafen bis zu dem großen deutschen Hofer führt, so verdanken wir «» in erster Linie de»