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1 Wagen führen müssen, wenn bei einzelnen, nach allen Richtungen hin in Anschlußverbindung stehenden Schnellzügen eine Ueberlastung ver- mieden werden soll. Soviel bekannt ist, hat auch die sächsische Staatsbahnverwaltung Anweisung gegeben, daß in Schnellzügen zwei achsige Personenwagen nicht mehr einge stellt werden sollen. — (Stenographie-Jubiläum.) 2b Jahre sind nunmehr verflossen, seit vom sächsischen Kultusministerium die Verordnung erging, welche die Aufnahme des fakultativen Unterricht« in der Stenographie nach dem GabelSberger'schen System in den Lehrplan der höheren Lehranstalten Sachsens anordnete. — Für die Reisezeit prophezeit Falb da» denkbar schlechteste Wetter. Vom Juli schreibt er, daß sich dieser Monat durch zahl reiche Gewitter und durch reichlichen Regen kenn- zeichnet. Die TageSgruppen mit Niederschlägen rücken so nahe aneinander, und die Zwischen zeiten schönen Wetters sind so kurz, daß eine allgemeine Gliederung ausgeschlossen ist. Dem entsprechend gestaltet sich aüch der Verlauf der Temperatur-Schwankungen sehr gleichförmig. Infolge der zahlreichen Niederschläge bleibt es im ganzen kühl. Nicht viel besser hat es der Himmel nach der Meinung Falb» mit dem August vor. Hier heißt die Parole „Landregen und Gewitter." Niederschläge und anhaltender Regen sollen die Signatur des ersten Drittels sein, das zweite Drittel bringt erheblichen Rückgang der Tempe ratur zunächst mit bedeutenden Landregen, welche dann durch Gewitter abgelöst werden. Dieser Termin wird am Schlüsse auch den Hochtouristen gefährlich durch Neuschnee. Das dritte Drittel ist Anfangs kalt und später auffällig warm. Auch hier werden die Landregen durch Gewitter abgelösk. — Aus der Wettin-Stiftung für das sächsische Handwerk haben erstmalig der Drechsler gehilfe Hermann Schäfer auS Leipzig, der Gold arbeiterlehrling Alfred Fankhähnel aus Dresden, der Tischlergehilfe Max Knechte! aus Groß schönau, der Schmiedelehrling Otto Gaudig aus Rehbach bei Leipzig, der DechSlerlehrling Paul Hertel auS Annaberg und der Steinmetzlehrling Walter Naumann aus Pieschen-Dresden Bei hilfen zu ihrer Fortbildung in gewerblichen Schulen erhalten. Am Himmelfahrtstag veranstaltete die deutsch soziale Reformpartei zwei Wahlversammlungen und zwar eine Nachmittags in Königswartha und die andere Abends in Neschwitz. Beide Versammlungen wurden von Herrn vr. msä. Rohr- Bautzen geleitet und mit einem Hoch auf Kaiser und König, in welches die Anwesenden begeistert einstimmten, eröffnet. Herr Heinr. Gräfe führte in seinem mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrage folgendes auS: AIS vor 5 Jahren der Reichstag infolge dec Nichtbewilligung der HeereSvorlage der Auflösung verfiel, war es die deutsche Resormpartei, welche die Wahlparole „Von der Börse daS Geld, vom Volke die Sol daten" aufstellte. Ihre damals gegebenen Ver sprechungen habe die Resormpartei in vollem Umfange gehalten: als eS im neuen Reichstag wegen der Militärvorlage zur Entscheidung kam, lag dieselbe in Händen der Resormpartei, und nur nachdem der Reichskanzler Caprivi die bin dende Erklärung abgegeben, daß die Mittel nicht auS den kleinen Mann schwer schädigenden neuen Steuern (Bier und Branntwein), sondern auS der schärfer heranzuziehenden Börsensteuer be schafft werden sollen, sei sie für die Vorlage ein getreten. Selbst auf eine nochmalige Inter pellation habe Graf Caprivi ausdrücklich betont, daß die früher geplanten Steuernovellen endgiltig abgelegt wären. Wenn hierzu noch Gegner von einem Umfall der Reformpartei sprächen, so sei dies eine infame Lüge. Die Erträgnisse der Börsensteuer seien so ergiebig, daß aus denselben auch noch die Kosten der jetzt bewilligten Flotten vorlage bestritten werden konnten. Auch diesmal habe sich die Reichsregierung gebunden, die Kosten nicht durch Konsumsteuern aufzubringen, sondern dieselben auf die stärkeren Schultern ^zu legen. ES sei dies unbedingt ein Erfolg der Reform partei im Reichstage. Ei» weiterer Erfolg sei e» auch, daß nun der Terminhandrl im Getreide verboten und jetzt der Tetreideeinsuhrzoll nicht aufgehoben worden sei. Wäre die« letztere ge schehen, so würden die Märkte mit ausländischem Getreide überschwemmt worden sein und die Zu den hohen Getreidepreisen. Da e» den Anschein hat, daß die in Folge de» spanisch-amerikanischen Kriege» und wegen der gesunkenen alten Borräthe stark gestiegenen Getreidepreise ihre Höhe doch längere Zeit be halten werden, so muß diese wichtige Frage wiederholt wirthschastlich untersucht werden. Zunächst muß dabei hervorgehoben werden, daß ganz besonder« der Weizen sehr hoch gestiegen ist- die Roggenpreise dagegen noch lange keine NothstandSprrise find. E« ist die« für Deutsch land, wo meisten« Roggenbrot gegessen wird, von Bortheil in der gegenwärtigen Lage. Der Weizenpreis ist aber auch nicht nur-durch Weizen mangel, sondern noch mehr durch spekulative Machenschaften und andere außergewöhnliche Einflüsse, die voraussichtlich nicht von langer Dauer sein werden, auf eine abnorme Höhe gebracht worden. Im Berhältniß zu den anderen Getreidearten wird der Nährwerth de» Weizen« viel zu hoch bezahlt. Da kann e« nicht auS- bleiben, daß entweder die Preise der anderen Getreidearten der Hochbewegung des Weizen preise« folgen, oder durch Rückgang des Weizen- preiseS ein Ausgleich erfolgt. Wahrscheinlich wird der letztere Fall rintreten, da jetzt in allen Ländern die nur irgend wie verfügbaren Weizenvorräthe auf den Markt gelangen. Für die letzte Woche meldet Indien eine Verschiffung von 200,000 Quarters Weizen gegen 80,000 in der vorigen Woche. Argentinien hat in der letzten Woche 176.700 QuarterS und seit dem 1. Januar d. IS. 2.297.700 QuarterS Weizen auSgeführt (gegen 225,000 QuarterS im ganzen Vorjahre und 2,265,000 QuarterS im ganzen Jahre 1896.) Wie im Jahre 1891 die Theuerung des Roggens auS verschiedenen Ländern, die bis dahin noch niemals Roggen nach Deutschland geliefert hatten, beträchtliche Roggenmengen nach Deutschland gezogen hat, so wird jetzt der abnorme Weizen preis bewirken, daß große Weizenmengen im heimathlichen Verbrauch durch anderes Getreide ersetzt und für den Weltmarkt mobil gemacht werden. Wir denken dabei u. A. an Sibirien, dessen Händler neuerdings begonnen haben, nicht nur Weizen auS bisher unerschlossenen Gegenden an die Eisenbahnstation zu schaffen, sondern auch schon Roggen zu exportireu. Abgesehen von dem sibirischen Getreide, ist die Exportfähigkeit Ruß lands auch deshalb größer, als vielfach ange nommen wird, weil man dort während der letzten Jahre al» Reserve für Mißerntejahre in den öffentlichen Speichern sehr beträchtliche Getreide- vorräthe angrsammelt hat und diese Speicher sicherlich auch in den Gouvernements, welche im letzten Jahre befriedigend geerntet haben, öffnen wird, sobald sie übersehen läßt, daß die diesjährige Ernte nicht schlecht ausfallen wird. Die letzt zeitigen Erfahrungen mit den Getreidepreisen geben in mehrfacher Beziehung eine heilsame Lehre. Sie lassen unter anderem erkennen, daß die billigen Exporttarife, welche die deutschen Landwirthe bewogen haben, große Getreidemengen zu verhältniß- mäßig niedrigen Preisen ins Ausland zu schaffen, in diesem Jahre ein Danaergeschenk für die deutsche Landwirthschast gewesen sind. Sachsen. Bischofswerda, 25. Mai 1898. — Für Alpen-Sonderzüge der sächsischen und bairischen Staatsbahnen im kommenden Sommer sind folgende AbgangStage festgesetzt worden: 2. Juli, 14. Juli, 16. Juli und 13. August. Auch für die Sonderzüge von Leipzig und Dresden nach Wien sind die Ab- fahrtStage bereit« bestimmt, und zwar der 16. Juli und 20. August. Der letztbezeichnete Augusttag ist mit Rücksicht auf da« 50jährige Regierungs- Jubiläum de« Kaiser« Franz Josef gewählt. — Die Sonderzugsrückfahrkarten nach dem Boigtlande, dem Erzgebirge, nach Dresden und der Sächsischen Schweiz, welche in früheren Jahren zu den bekannten Sonderzügrn auSge- geben wurden und mit sechs- und siebentägiger Gültigkeit auSgrstattet waren, erhalten in diesem Jahre erstmalig eine zehntägige Giltigkeit. — Vom 1. Mai n. I. ab werden auf den Linien der königlich preußischen StaatSeilen- bahne» zweiachsige Personenwagen in Schnell, zögen nicht mehr geführt werden. Di« Maß nahme kommt zur Einführung au» Gründen der Betriebssicherheit, wird voraussichtlich aber doch wohl zu einer gewissen Einschränkung der direkten Landwirthe hätten im Herbst solch niedrige Preise erzielt, daß sie nicht auf ihre Produktionskosten kümmen würden. Trotz der in Frankreich und Italien ausgehobenen Zölle sei dort da» Brot immer theurer geworden und speziell in Italien die Revolution auSgebrochen. Eingehend schil derte Herr Träfe die verderblichen Folgen der unter Laprivi'scher Aera abgeschlossenen Handels verträge, die die Landwirthschast schwer schädigten und selbst der Industrie keinen Nutzen, dem deutschen Reiche aber jährlich einen Schaden von ca. 1 Million brächten. Die deutsche Reform- . Partei werde dafür eintreten, daß diese Verträge 1903 bezw. 1904 nicht wieder verlängert würden. Mit Hilfe der Rrformpartei sei auch da» Mar garinegesetz geschaffen worden. Durch da« Ueber- handnehmen der großkapitalistischen Betriebe leide der Kaufmann und Handwerker ebenso wie der Landwirth. Den großen Waarenbazaren, Kon sumvereinen, sowie den Offiziers- und Beamten- Konsumvereinen könne nur durch eine progressive Umsatzsteuer wirksam entgegengetreten werden, wie die« in Frankreich bereits geschehe. Weiter trete die Reformpartei ein für eine Verstaat lichung der Reichsbank, damit es auch dem kleinen Manne möglich sei, billigen Kredit zu erlangen. Die Reichsbank sei ein Aktienunternehmen, dessen Privilegium in zwei Jahren ablaufe, daS dürfe nicht wieder erneuert werden, dü von den 8000 Antheilscheinen sich circa 2000 in den Händen ausländischer Juden befänden; der auS der Reichsbank sich ergebende Gewinn müsse dem Reiche zufließen. Ebenso tritt die Reform partei ein für Gewährung von Reichstagsdiäten, selbst die Konservativen, die bisher Gegner der Diäten waren, würden von der Nothwendigkeit derselben noch überzeugt werden, da sie sonst keinen Kandidaten für ihre Partei aus dem bürgerlichen Volke finden würden. Herr Gräfe betonte ferner die Nothwendigkeit einer Ver besserung unserer sozialen Gesetzgebung, wie Krankenkasse, Unfallversicherung, sowie Alters- und Invaliditäts-Versicherung, und wies schließ lich noch auf die feindliche Gesinnung der Sozial demokratie zur Landwirthschast und dem Bauern stände hin. Mit dem Versprechen, nach seinem ganzen Können wie bisher auch ferner im neuen Reichstage für daS Wohl des Vaterlandes ein treten zu wollen, schloß der Herr Gräfe seinen Vortrag, wofür ihm reicher Beifall wurde. In Neschwitz stellten Herr Rittergutspachter Leupold auS Holscha und Herr Schneidermeister Bauch auS Neschwitz Anfragen, die von Herrn Gräfe in treffender und zufriedenstellender Weise beant wortet wurden. — In dem sich der Neschwitzer Ver- - sammlung anschließenden Kommers, in dem noch manch schönes Wort gesprochen wurde, brachte Herr Hauptmann in Neschwitz ein Hoch auf Herrn Gräfe auS, welches freudige Zustimmung fand. Die beiden Versammlungen am Donners tag glichen einem SiegeSzug des Herrn Gräfe, überall hat er es verstanden, die Wähler für sich zu entflammen, es herrschte nur eine Stimme: „Wir wählen Gräfe! Heil!" — Die am Frei tag Abend im Gasthof zum sächsischen Reiter stattgesundene Wählerversammlung, der auch der Herr Amtshauptmann beiwohnte, war dadurch interessant, daß einige Sozialdemokraten sich an der Debatte betheiligten. Ein gewisser Schulze ans Bautzen warnte davor, einen Reformer zu wählen, da diese sehr wenig im Reichstage wären. Herrn Gräfe war es ein Leichte«, de» guten Mann heimzuleuchten und brachte ihm auS der Statistik deS Reichstages den Nachweis, daß gerade die Resormpartei die einzige Partei ist, welche am regelmäßigsten die Reichstagssitzungen besucht hat. Während das Fehlen im Reichstage bei den Reformern pro zentual nur 23 Prozent auSmacht, beträgt die» bei den Sozialdemokraten gar 69 Prozent, und da wollen die Sozialdemokraten sagen, sie ver- treten die Interessen der Arbeiter. Einem Stein brucharbeiter, der gesagt hatte, daß sie wöchentlich soviel an Ueberstunden arbeiten müßten, daß bei nahe I V, Woche herauSkäme, wurden von dem Geschäftsführer de» betreffenden Geschäft» sofort 100 Mark geboten, wenn er den Beweis der Wahrheit erbringen könnte; e» war ihm aber beim besten Willen nicht möglich. Jedoch auch die Sozialdemokraten verstummten und die Ver sammlung war vollständig auf Seite de» Herrn Gräfe, sodaß auch diese Versammlung wieder al» ein großer Erfolg für Herrn Gräfe zu be trachten ist. (v. Tgbl.) w Bischofswerda, der, Mai 18S8.