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Der -Kat o n. ^9. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1840. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 21. Februar 1840. Wenn man jetzt auf das Reich der Mode einen prüfenden Blick richtet, so muß man wahrlich mehr als jemals darüber klagen, welche große Unbeständigkeit, welcher namenlose Wechsel daselbst herrscht. Nur Eines scheint wirklich eine ganz cigen- thümliche, feste Stellung erlangt zu haben, und das ist der Sammctstoff! Damen und Herren scheinen in der Vorliebe zu ihm emsig und nachdrücklichst zu wetteifern und wo es nur irgend möglich ist, wird er von den Modistinnen und Kleider künstlerinnen des Tages angebracht und sinnig substikuirt. Ich glaube, man hat nur dcßhalb die Paletots und Rockmäntcl auf's Tapet gebracht, um den Sammet in seiner ganzen Fülle und Eleganz prangen zu lasten. Und was soll ich nun erst in Bezug auf die so beliebten kleinen Hüte sagen! Die sind fast durchgängig von Sammet, ja sogar meist mit Sammetblümlein geziert und ihr Rester auf das von ihnen bedeckt werdende Damengesichtchen ist allerdings sehr wirksam und angenehm, noch dazu, wenn man die Farbe des Gesichts mit der des Hütchens in Einklang zu bringen gewußt hat. So sahen wir auch jüngsthin in den Soirücn der Tuillerien und beim Herzog von Orleans allerliebste elegante Roben von hellblauem oder grünem Sammet, welche meist mit Bran- dcnbourgs hoch oben am Leibchen verziert waren, und die stufenweise bis zum Untertheile herabliefen, und entweder aus Seide oder Gold bestanden. Auf dem Balle der Civilliste, welcher, wie wir gestehen müssen, der splendidste und eleganteste gewesen ist, dem wir seit lange bcigcwohnt, waren namentlich viel Diamanten in dem Frauenputze zu gewahren, die man jetzt auf eine recht zierliche und geschmackvolle Weise anzubringcn gesucht hat. Man vermischt sie nämlich mit grünen Sammctblättcrn, man bildet Blumen, Herzen oder Kronen, man bringt wohl eine wogende tricolore Feder an oder man setzt echicn so beliebten, faltenreichen Sammctturban auf, aus dessen anscheinend ver borgensten Vertiefungen das Edelgcschmcide sternengleich her vorstrahlt. Doch will ich vor Allem noch einer Robe Erwähnung thun, die durch ihren Stoff schon zum Aufsehen berechtigte. Derselbe war nämlich kirsehrother Sammet mit feinen gerieften Linien durchfurcht, die aus Gaze oder Tüll gewebt zu sein schienen und welche sich besonders sein ausnahmen, denn sie wurden von einem matten Gelb sanft begrenzt. Den Erfinder dieses Stoffes kann ich leider bis heute noch nicht authentisch angeben; jedenfalls darf er auf meinen vollen Beifall zählen. Der Stoff wird Velour <Ie kloceoco genannt. — Die Robe selbst war sehr sorgfältig und meisterlich von der Madame Dudcvand, Passage de L'Opera Nr. 39, gearbeitet. Sie hatte ein stumpfes Schneppcnlcibchen mit weißen Barben bis an die Schultern besitzt. Die Acrmel waren mit Bouillons versehen, aufgeschlitzl und an dem Handcnde fein gezackt und mit den herrlichsten dunkelbraunen Seidenschnüren verziert. Auch zeigte dieß Gewand nur zwei sehr faltenreiche Volans von Brüsseler Spitzen. — Ungemeiner Luxus herrscht jetzt auch hier — besonders in Bezug auf die Herren — im Reiche der Pomaden. Da soll das Haar durchaus so glänzen wie ein Metallspiegel und wirk lich bringt es mancher Löwe darin so weit, daß sein Haar mehr leuchtet als sein Verstand. So erwähne ich nur der köstlichen und wohlriechenden komallo cl'^mour, die ein ge wisser Dugneaur erfunden haben will und welche sehr be liebt ist. Sie sieht weißlich aus und scheint dem Haare ordent liches Leben einzuhauchcn. Auch für die Moustaches wird be stens gesorgt. Wie viele Arten von Bartwächsen werden in den Journalen angepriesen! Es ist wirklich unerhört! Die am meisten zu empfehlende, wenn man nach dem Ausspruche der Mehrzahl der Dandies gehen soll, ist wohl die sogenannte Oiruro baisöablo (Kußbartwichse), welche ein Herr Cydonias in der Rue de Rivoli verkauft. — Seitdem für die Königin von Spanien Hierselbst grüne Fenstervorhänge vgn Gaze mit darin gewebten Sammetgemäl- den bestellt worden sinb, weil diese erlauchte Person solche we gen der Masern, an denen sie darniederlag, im Krankenzimmer brauchte, schafft sich jetzt Alles solche Vorhänge an. Nach ahmung erhält am meisten die Schöpfer der Modengestalten! Adieu u. s. w. Ihre Melanie. Feuilleton. Ei» »euer Tempel der Vernunft. Dieser wird amerikanischen Blättern zu Folge in Philadelphia gebaut. Die Stifter bestehen aus einer Anzahl Deutscher, welche sich ver anlaßt durch eine Reihe von Vorträgen eines Herrn Ginal zu- sammcngcsunden haben. Frei von Dogmen hält sich die Glau- bensgenoffenschast an die reine Vernunft, Der Tempel soll mit großer Feierlichkeit eröffnet werden. Das Thal Tempc. Ueber dieses berühmte Thal, das schon im Alterthume vergöttert wurde, spricht sich ein neuerer englischer Beobachter also auS: „Der Anblick Tcmpes machte einen größern Eindruck auf meine Nerven, als auf meine Ein bildungskraft. Ich fühlte, daß meine Lungen sich erweiterten, daß meine Glieder elastisch wurden, als ich die Luft des