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— I4S — Deutschlands Gesetze vorschreiben und allerhand Materialien verkaufen wollen. Obgleich die Sache nirgends rechten Anklang fand, hat sich der „Vorstand" dieser Vereinigung, ein Hr. K-, so in seine Rolle als „Alleinherrscher aller Färber" hineingeträumt, daß er an ein ab trünnig scheinendes Glied seiner Sippe folgendes Schreiben richtete: *) Dem Färber-Gesellen dl. dl. z. Zeit in Berlin. Der Borstand des Verbandes ertheilt Ihnen zunächst eine Rüge, daß Sie, ohne sich anzumelden, 3 Monate außerhalb des Verbandes zugebracht und Stellung bei einem Nichtverbands-Mitgliede genommen haben. Der Vorstand spricht zweitens einen scharfen Tadel aus Ihr Benehmen gegenüber und kann es drittens nicht verzeihen, daß Sie, bereits 3 Monate in Berlin, so wenig Fortschritte in der deutschen Sprache gemacht haben, daß Ihr Brief von jeden Anderen nicht aber von einem Färbergesellen geschrieben scheint. Ihnen wird auferlegt, daß Sie dem Vorstand des Verbandes, jede 14 Tage einen Bericht senden über das, was Sie während der 14 Tage gearbeitet und auf unser Ge- chäft bezüglich gesehen haben. Erst, wenn die, von Ihnen selbst gearbeiteten Schreiben zur Zufriedenheit des Vorstandes ausfallen, können Sie wieder auf die Gunst des Vorstandes rechnen. F. d. Vorstand. I. H. C. K., Ober-Meister. Einem großjährigen Manne, welcher sein Brot selbst verdient, wird also eine Rüge ertheilt. Und warum? Weil er Stellung bei einem Nicht-Verbandsmitgliede nahm. Es dürfte dem Gerügten aber schwer sein, bei einem Verbandsmitgliede Stellung zu bekommen, weil es kaum solche giebt, am wenigsten aber solche, die Anderen Beschäftigung geben können. Das Nicht-Verbandsmitglied, bei welchem der Getadelte arbeitet, ist einer der bedeutendsten Kleiderfärber hier am Ort. Soll nun der Gehülse diese für ihn lohnende Stellung, in welcher er viel lernen kann, mit einer bei einem Verbandsmeister vertauschen, dem er erst seine Kunstgriffe wird beibringen müssen? Die zweite Rüge, daß der Geselle so wenig Fort schritte in der Deutschen Sprache gemacht hat, dürfte dieser leicht dem gelehrten Vorstande selbst aussprechen; denn die Bulle des Allein herrschers aller Färber enthält selbst einige grammatikalische Schnitzer. Es muß heißen: „spricht einen Tadel aus Ihrem Benehmen gegenüber". Gegenüber regiert nämlich den dritten Fall. Ferner regiert „von" den dritten *) Der Brief ist in unserin Büreau im Original einzujehen. Fall, in ganz Deutschland, auch bei allen ge bildeten Leuten Hamburgs. Im obigen Ukas heißt es aber, „von jeden Anderen". „Ick hab't aber immer gesagt, et giebt in die Welt zu komische Leute", würde das Verbands mitglied Nunne sagen. Uebrigens wird der Gestrafte wohl besseres zu thun finden, als alle 14 Tage Bericht zu erstatten. Sollten aber die Färbereibesitzer, welche pflichttreue „Verbandsgesellen" beschäftigen, solche regel mäßigen Berichte über Vorgänge in ihren Etablissements an Fremde gern sehen? Möge dem hoffentlich reuevollen Gesellen die Gunst des Vorstandes recht bald zu Theil werden. Ein unverfrorener Berliner würde allerdings vielleicht sagen: „Wat ick mir dafor koofe." Die Tagesblätter melden: Eine hiesige Firma der Woll- und Strickgarnbranche hatte -ckn alle gleich artigen Geschäfte Schreiben erlassen, in denen sie darauf hinwies, daß Wolle und Garne, namentlich Zephyr- und Mohairgarne, auf unreelle Weise durch Zusatz von Farbstoffen und andern Chemicalien be schwert werden. Da diese Waare nur nach Gewicht gekauft würde, so sei durch diese Beschwerung eine be trügerische Manipulation constatirt, gegen welche alle achtbaren Geschäftsleute Front machen müßten. Darauf hin fand gestern Abend zur Berathung des ange gebenen Uebelstandes eine Versammlung der bezüg lichen Firmen statt. In der Diskussion wurde das Verwerfliche des angezogenen Geschästsprincips aner kannt und eine hiesige Firma, sowie ein Leipziger und Hamburger Hans als diejenigen bezeichnet, die sich eines solchen Verfahrens schuldig gemacht hätten. Die Versammlung beschloß, eine Commission zu wählen, welche die Angelegenheit weiter berathen soll; event. sollen in einem Gegencirculair die Namen derjenigen drei Firmen namhaft gemacht werden, denen die gerügte Beschwerung der Waare nachgewiesen werden kann. Ohne auf den Streit selbst eingehen zu wollen, möchten wir nur Folgendes hervor heben. Wenn bei Seidengarn, Baumwollen- waare und Papier hohe Beschwerungen, resp. beschwerende Füllungen in enormen Procent sätzen zum Theil seit 100 Jahren allgemein in Gebrauch sind, so ist der Uebergang dieser Usance auf die Wolle, welche übrigens schon seit Jahren besteht, nicht überraschend. Es ist auch zu berücksichtigen, daß die Wolle von allen Textilstoffen derjenige ist, welcher Ge wichtsschwankungen am meisten unterliegt. Schon der kurze Aufenthalt von Wolle in feuchter — nicht nasser — Lust reicht hin, ihr eine Gewichtszunahme von 1—10 Procent zu