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75 Theater scheint völlig darnieder zu liegen. Ein glaubwürdiger Berichterstatter aus London sagte vorKurzem: „Das einst klas sische Drurylanc-Theater begnügt sich mit Oonovrts «I'Iiiver, die unter Herrn Musards Leitung stark besucht werden; das zur Hebung der englischen Oper errichtete englische Opern- House fristet seine Existenz durch promenacls-ooncerls, und das niedliche Theater in der Oxford-Straße, tbs ?rinevss tbo-Urs, weiß auch nichts Besseres zu thun, als Concerte zu geben. — O Britannia, wohin ist dein Stolz?" — Bolkögesang. Da man überall in Europa wieder pa triotische Lieder anstimmt, da man vorläufig die Kehlen übt, so lange die Schwerter noch in der Scheide sind, so können auch die Engländer das Schweigen nicht mehr aushalten. Das 6oä sax« ll>8 queeii und das lixle LritamL ermüden doch auf die Länge, wenn sie die fast einzigen Lieder sind, die im Munde des Volks leben. Die englische Regierung hat daher den Befehl gegeben, eine Sammlung Seelieder zu veranstalten und sie an die Schiffsmannschaft zu vertheilen. Die Briten sind arm an volksthümlichen Gesängen; desto reicher ihre Nachbarn, die Schotten. Am liederreichsten möchte wohl die deutsche Lyra tönen. Die Stadt Frcvonia, im Staate Ohio, ist von der Natur auf eine merkwürdige Weise begünstigt, indem eine unversiegbare Gasquelle sie Jahr aus Jahr ein mit dem glän zendsten Lichte versorgt. M. Beier in seinen Amerikanischen Reisen, giebt von der Vorrichtung dieser Gasbeleuchtung fol gende Beschreibung: „Der merkwürdige Gasquell befindet sich mitten im Orte, an fden Ufern eines durchfließenden Baches. Ein kleines Haus ist darüber erbaut. Unmittelbar über der Quelle ist ein viereckiger Kasten von Eisenblech angebracht, der acht Fuß lang, neun Fuß breit und vier Fuß hoch ist. Er schwebt angehängt während des Tages dicht über dem Wasser und das Gas sammelt sich darin. Abends wird er bis auf einige Zoll in das Wasser gedrückt und das dadurch con- densirte Gas steigt dann in die geöffneten Röhren von einem Zoll Durchmesser, die es zur Flamme führen." Glcichmuth im Kampfe. Die alten französischen Gre nadiere, die sogenannten Grognards, pflegten nicht selten sich mit den vor ihnen aufschlagendcn Bomben zu unterhalten und über die bei ihnen vorbeifliegenden Kugeln Witze zu reißen. Bei Großgörschen war dazu viel Gelegenheit gegeben. Während die feindlichen Geschütze die furchtbarste Verwüstung anrichteten, sagte einer jener Veteranen zu seinem Nachbar, einem jungen Conscribirtcn: „Die Haubitzkugeln sind doch noch vernünftig; man sicht sie ankommcn, oder wenn sie da sind, melden sic sich bescheiden durch eine Ohrfeige — diese unge zogenen Scleraten aber (er meinte die Muskctenkugeln) sausen an einem vorüber, ohne auch nur einmal „Borgesehn!" zu rufen, oder aber, wenn sic sich melden, ist man schon todt, ehe man noch weiß, daß sie eigentlich da sind. Nicht wahr, Moustachon (Milchbart), das ist doch keine Lebensart von diesen Bestien!" Als in diesen Augenblicken ein Vierund zwanzig-Pfänder vorbei rikoschettirtc, rief ihm der Gardist mit lachendem Hohn nach: „Oh, diese Kanaille; fahre hin, ich kenne dich nicht!" MarschallDalöe. Den Namcndeffelben benutzten fran zösische Blätter bei Gelegenheit seiner Abberufung aus Afrika zu folgendem Wortspiele: „Marschall Valee hat dem Valloe Medidja Vale gesagt. Einige kleine Capitel über Aenßerlich- keiten. (Siehe die vorige Nummer.) ». Der Bart. Die Zeit der Bärte ist wiedergekommen. Ein Achter Dandy muß so viel Bart, wie möglich tragen, wenn er, wie seine Pflicht ist, einem Bilde in einem Modenjournale ähnlich sehen will. Backen-, Schnurr- und Kinnbart müssen sich vereinigen, um dem Lion das Zeichen seiner männlichen Würde — die Mähne — zu verleihen. Die Körpergcstalt kann einem schmäch tigen Hyacinth gleichen, ja, ein solcher ist sogar sehr beliebt; aber der Bart muß an den Hercules erinnern, das ist uner läßlich. Seht euch einmal die feinen Herrchen an, liebe Leserin nen — falls es Leserinnen giebt, die sich für Bärte interessiren — seht sie euch einmal an, diese Gestaltchen, in Conccrten, im Theater, im Salon u. s. w. und ihr werdet sie wahre Sim- sons nennen; denn Simson besaß bekanntlich seine ganze Kraft, zwar nicht im Bart, aber doch im Haar überhaupt. Sir scheinen fast alle nervös afficirt, elegisch-hinfällig, poetisch kraftlos, vornehm-zart. Ein feiner Geist muß auch in einem feinen Körper stecken, und wem die Natur dieß harmonische Vcrhältniß versagt hat, der hat nichts Eiligeres zu thun, als das Gleichgewicht durch eigene Energie sobald als möglich zu schaffen, nämlich den extravaganten Körper in seine ihm ge hörigen Schranken zurückzuweisen. Ist dieß geschehen, dann nimmt sich der volle Bart auf dem blassen Gesicht erst gut aus, erst dann ist er eine Zierde, erst dann kann man stolz auf ihn sein. Nur darf ein solcher gemahnter Löwe nicht etwa einen der drei genannten Bärte aus seinem Gesicht wcglassen — das würde ihn in eine ganz andere, viel unwürdigere Klasse versetzen. Ein Schnurrbart allein oder ein Backenbart, oder auch ein Kinnbart allein kann Alles ankündigen, nur keinen Lion. Lassen wir diesen jetzt bei Seite und wenden wir uns zu andern Bärtigen. Wer einen bis auf die Hälfte der Wange und zwar in gerader Richtung laufenden Backenbart trägt, ist, um einige Stände hcrvorzuheben, ein Arzt oder ein subalterner Beamter oder ein Baumeister oder, um mehr auf den innern Charakter Rücksicht zu nehmen, ein Mensch von großer Tugendhaftigkeit, oder von grader derber Gemüthsart und hausbackncm Ver stand, oder von ruhigem Temperament, u. s. w. Ein Hitz kopf wird niemals einen solchen Backenbart tragen. Ein Backenbart, der das ganze Gesicht umschließt, ist jetzt ein so allgemeines Kennzeichen, daß ein ganz feines Auge dazu gehört, die Nuancen zu entdecken, die uns auf den Stand, den Charakter, die Leidenschaften des Mannes, der