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159 fälliges, cs ist die Bewegung des Herzens, die er ausspricht, und man kann errathen, was jener junge Mann dort dem Mädchen in der Ecke zuflüstert, wenn man den Falten ihres Fächers folgt; man kann errathen, was der Fächer jener Dame sagt, die ihre Blicke auf den fern und stumm stehenden Ca ballero heftet, wenn man so glücklich war, diese bewegliche Hieroglyphen-Hcrzenssprache zu durchdrungen. Goethe, ein Geisterseher. An Goethe s Garten in Weimar knüpft sich manch' reizendes Mährchen. Am Mittag, heißt es, wird es darin urplötzlich todtenstill, kein Lüftchen regt sich, die Gräser legen sich der Länge nach und schlafen ein und der schmeichelnde Wind wagt es nicht, die Blumen zu küssen. In diesem Garten nämlich hatte die reizende Jlm- nixe Er linde vor langer Zeit mit dem goldlockigcn Knappen eines alten Herzogs gebuhlt und eine süße Erinnerung fesselt sie noch immer an die Grotten und Büsche, wo sie einst so warm geküßt und so glücklich gewesen. Wenn Goethe aus dem Theater nach seinem Garten ging, den er im Sommer bewohnte, soll er sie oft gesehen haben, wie sie im Mondschein traurig und händeringend aus dem Brückchen stand, das über das Flüßchen führt. Als eines Tages ein schönes junges Mäd chen, das wie überirdisch schien, die gefallenen Blätter in seinem Garten auflas und dann emsig umherfegte, fragte der Dichter: „Wer bist Du, holdes Kind, und wie kommst Du hierher?"— „Ei," erwiederte das Mädchen, „kennst Du mich denn nicht? Ich wohne ja seit langer Zeit mit Dir unter diesem Dache und sehe Dir zu, wie Du denkst und dichtest. Ich bin ja Erlinde!" — Der alte Dichter hat oft dicß seltsame Abenteuer im trauten Familienkreise erzählt und das ungläubige Lächeln seiner Zuhörer mit dem hamletischen: „Es giebt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit träumen läßt," in einen stillen Glauben an die Geisterwelt umgewandelt. Schlimm gefahren. Die Wahl eines passenden Ge schenkes, welches die Königin Victoria an den Kaiser von China zu senden sich entschlossen hatte, ist dießmal schwer ge nug geworden, bis man sich endlich für zwei sehr künstlich gearbeitete Uhren entschied. Man erinnerte sich folgendes eben so ärgerlichen als spashasten Vorfalls. Die Beherrscher des himmlischen Reiches sind nämlich bei verschiedenen Gelegen heiten von der englischen Regierung im Namen des Königs mit Geschenken bedacht worden, allein immer hat die Wahl Schwierigkeiten gehabt, oder es hat sich bei der Ueberreichung Anstoß gefunden. Das letzte Geschenk unter Georg III. war ein prächtiger Stadtwagen. Einen solchen hatte angeblich der Kaiser selbst gewünscht.. Also ging der Wagen ab, sorg fältig in einzelnen Stücken gepackt und begleitet von einem Sachverständigen, der nicht blos den Wagen an Ort und Stelle zusammcnsetzcn, sondern auch für den Fall ncthiger Reparaturen den chinesischen Oberhofwagcnbaudirector mit der - bekannt machen sollte. Es erschien auf aus- wue.. Befehl des Kaisers ein hoher Mandarin, den Wa gen zu übernehmen. Nachdem er ihn beaugenscheinigt, ohne auf ächt chinesisch zu loben oder zu tadeln, fragte er, für wen der außerhalb angebrachte, hohe, mit kostbarer Decke behangene Sitz sei? Der Engländer antwortete: „Für den, der die Pferde lenkt." „Das thut der Kaiser nicht," entgegncte der Chinese. „Für den Kaiser ist der Platz im Wagen," bemerkte der Engländer und deutete auf die reich geschmückten Kissen. Da sah der Chinese ihn mit steigendem Zorn an. „Und meint Ihr," rief er, „daß unser ruhmgckrönter Kaiser, der Sohn der Sonne, niedriger sitzen soll, als einer seiner Sclaven?" Der Mandarin war nicht zu beschwichtigen, erklärte seinen Kopf in Gefahr, wenn er dem Kaiser den Wagen überlieferte, und entfernte sich, Bericht zu erstatten. Der Erfolg war, daß die Annahme verweigert und der Wagen nach London zurückgebracht wurde. Das „GlaS Wasser", welches jetzt eine so große Rolle spielt, ist nun auch, nachdem es in Berlin mit immer ge steigertem Beifall in Kurzem zehn Male aufgeführt worden, in Leipzig zum Besten des Pensionsfonds gegeben worden. Man stimmt darin überein, daß das Interesse an dem — ob gleich drei Stunden lang spielenden — Stück bis zum Ende ununterbrochen erhalten werde, obgleich an der Vorstellung Manches auszusetzen gewesen sei; im vollsten Maße aber habe Madame Dessoir den Beifall verdient, welcher ihr reichlich gezollt worden. Wir berichten nächstens mehr über das neue Stück. Arauenorthographie. In dem hauswirthschaftlichcn Tagebuche der Dichterin Luise Brach mann fand man ein „probates Mittel," gute Lichter zu ziehen, ausgezeichnet, das wohl keine Hausfrau ohne einen Commentar verstehen würde. Die Notiz lautet nämlich: „Man muß die Töchter wichsen," soll heißen: die Dochte. — Oh! — Welche deutsche Dynastien 1l,eilen bisher keine HauS- oder Givilverdicnstordcn anS? Die beiden Großherzoge zu Mecklenburg, der Herzog von Nassau, die Fürsten von Lippe, Waldeck, Schwarzburg, Reuß, Hohen- zollern und Lichtenstein und endlich der Landgraf von Hessen- Homburg; folglich in allem fünfzehn; diese sind also in die sem Betrachte in der Minorität. — In einer Ordensunion befinden sich die drei regierenden Herzoge des Sachsen-Ernc- stinischcn Hauses und die drei Herzoge zu Anhalt. — Unter allen Ministern der deutschen Potentaten hat die meisten Orden der durchlauchtigste östreichische Staatskanzler Fürst Met ternich. Leipziger Ltadttheater. Der Talisman, Posse mit Gesang in drei Acten, von Nestroy, wurde neulich auf der hiesigen Bühne zum ersten Male dargestcllt und mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Das mährchenhaftc Element, welchem Raimund zuerst in Stücken dieser Art eine entschiedene Geltung zu verschaffen gewußt, fehlt im Talisman gänzlich. Dadurch ist dem Stücke ein Reiz ge nommen, dessen Mangel Müllers humoristische Musik nicht