Volltext Seite (XML)
26 ich euch sage: lehret eure minder sprechen, damit sie, wenn's Zeit ist, den Mund aufthun können! ebenso gut rufe ich euch zu: lehret eure Kinder beten, damit sie's können, wenn sie's brauchen! . . . . Die Religion hat eine Waffe zu sein in dem Kampf zwischen Mensch und Natur, in dem Kampf zwischen Egoismus und Nächsten liebe, in dem Kampf zwischen Ideal und Wirklichkeit, zwischen Gutem und Bösem*). Ed. v. Hartmann, der Philosoph des Un bewußten, stimmt dem zu, indem er schreibt: „Die nackte Bestiali tät der Socialdemokraten in ihrem kosmopolitischen Jubel über die Gräuel der Pariser Commune zeigte uns, bis zu welchem Grade der Rohheit das Volk gelangt, wenn ihm mit der Religion die einzige Gestalt abhanden kommt, in welcher ihm der Idealismus zugänglich ist"-). Wenn auch Einzelne der Meinung sind, sie brauchten Kirche und Religion nicht, so kann doch die Gesammtheit nicht ohne die selben sein, wenn nicht Alles der Auflösung entgegengehen soll. Die Religion dient dem Volke, dem größten Theile der Menschen überhauptl, zur Anregung und zum Stützpunkte der Sittlichkeit, und darum wird dort, wo man sie ihnen entreißt oder zweifelhaft macht, auch ihre Moral an Reinheit und Sicherheit verlieren. Wer das bestreiten wollte, würde damit nur beweisen, daß er von der Sache nicht das Mindeste versteht und das Volk, das er etwa zu beglücken gedächte, nicht im Geringsten studirt hat. Ohne be sondere Belebungsmittel für sein sittliches Leben kann kein Mensch sein, keine geistige Entwickelung unter uns gedeihen. Das erkennt selbst David Strauß an, der zwar mit der christlichen Religion, ja, mit jeder Religion überhaupt gebrochen hatte, aber doch wenig stens der Kunst nicht meinte entbehren zu können. Diese und ') I)r. Jäger, die Darwinsche Theorie und ihre Stellung zu Moral und Religion, px. 147, 148, 149. — -) Die Literatur, Wochenschrift für das nationale Geistesleben der Gegenwart. 1874, Nr. 14. pK. 210. —