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denn das Wort bedeutet, wie schon oben erwähnt wurde, „Luft führende". Erst der berühmte römische Arzt Claudius Galenus (geb. 131 nach Chr., Arzt an der Fechterschule zu Pergamus, studierte zu Alexandria, wohin er, wie er selbst an- giebt, reiste, um ein vollkommenes menschliches Skelett zu sehen. Er übte die Heil- künde zu Rom unter den Kaisern Markus Aurelius und Commodus) zerstreute diesen Irrtum. Dafür hielt er und mit ihm die gesamten Ärzte des Mittelalters desto fester an dem oben angeführten zweiten Grnndirrtume, daß die Herzkammern mit einander in Verbindung ständen. Dies kommt uns heute ganz unnatürlich vor, wird aber erklärlich, wenn wir hören, daß Bonifaz VIII. (1300) durch eine besondere Bulle den Kirchenbann über alle aussprach, die es wagen würden, einen menschliche» Leichnam zu zergliedern. Erst der Reformator (oder wie ihn seine Feinde und Neider katholischen Glaubens nannten „der Luther") der Anatomie, Andreas Besalius (geb. 1514 zu Brüssel; seine Familie stammte aus Wesel, daher „Vesalius"; die erste Ausgabe seiner Anatomie erschien 1543. Er wurde später Leibarzt Kaiser Karl V. und Philipp II. und starb, seines Glückes und Ruhmes wegen von seinen Zeitgenossen auf das unwürdigste verkannt und gekränkt, nachdem er seine Handschriften verbrannt und sein Amt niedergelegt, in seinem fünfzigsten Lebensjahre, auf der Rückkehr von seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem, die er zur Sühne des Verbrechens, Anatom gewesen zu sein, unternehmen mußte), wies den über tausend Jahre alten Irrtum nach; doch war die blinde Verehrung Galenus' so groß, daß viele geneigter schienen, eher eine Änderung im Baue des Menschen anzunehmen, als den großen Ältmeister eines Fehlers zu zeihen. Es blieb nun noch der dritte Irrtum, daß die Venen das Blut vom Herzen wegführten, zu beseitigen; dies geschah durch den Engländer William Harvey (geb. 1578 zu Folkstone, gest. 1657). Doch war ihn: vorgcarbeitet; denn 62 Jahre früher entdeckte der Mönch Michael Servet» s die wichtige Thatsache, daß das venöse Blut durch die Lungenpulsadern aus dem Herzen in die Lungen getrieben wird und von dort, in arterielles verwandelt, durch die Lungenblutadern zurückkehrt, also den kleinen Kreislauf. (Er hatte diese Entdeckung niedergelegt in der Schrift „(Rristinnismi restitutio", derenwegen er mitsamt der ganzen Auflage auf Betrieb des Reformators Calvin den Scheiterhaufen besteigen mußte. So wäre dieselbe wohl ganz der Vernichtung anheimgefallen, wenn nicht eine neugierige Hand ein Exemplar noch in letzter Minute den Flammen entrissen hätte. Es befindet sich jetzt, vom Feuer gebräunt, in der Pariser Bibliothek.) Doch machten einige Jahre später Realdus Kolumbus (Nachfolger des Vesalius) und Andreas Cäsal pin u s (berühmter Botaniker „paxa pbitosopllorum") dieselbe Entdeckung, während im Jahre 1574 Fabricius von Aquapedcnte zu Padua (ein Lehrer Harveys, der nach Padua gekommen war) fand, daß die Lage der Venenklappen einem Laufe des Blutes vom Herzen nach außen entgegenstehe. Diese Vorarbeiten benutzte nun Harvey und begründete die neue Lehre vom Blutlaufe. — Aber lückenlos war Harveys Lehre trotzdem nicht; denn was wurde aus dem Arterienblute, nachdem es in die kleinsten Verzweigungen der Arterien eingetreten? Wie gelangte es aus diesen in die feinsten Anfänge der Venen? Diese Fragen wurden mit einem Schlage beantwortet, als Marcello Malpighi (geb. 1628, gest. 1694 als Leibarzt des Papstes Jnnocenz XII.) im Jahre 1661, vier Jahre zu spät, um Harvey noch erfreuen zu können, die Haargefäße (zuerst in der Froschlunge) entdeckte. Aber erst der Fran zose Bichat (geb. 1771, gest. 1802) erhob dieselben zu einem Haargefäßsysteme. XL. 2. Die Milz. Sie ist eine längliche, flache (Gestalt einer Kaffeebohne), faustgroße, 300—400 x schwere, braun- oder violettrote Drüse, welche auf der linken (äußeren) Seite des Magens im oberen Teile der Bauchhöhle (unter dem Zwerchfell und den vier letzten falschen Rippen) liegt. Sie wird durch eine Arterie, welche fast unmittelbar aus der großen Körperschlagader kommt, reichlich mit Blut versehen. Hat das letztere die Milz durchströmt, so wird es durch die Milzvenen in die Pfortader und von dieser in die Leber geführt. Ein Durchschnitt zeigt, daß dieser Körper aus einem schwammigen, elastischen Gewebe zahlloser Blut- und Lymphgefäße be steht. Die Elastizität ihres Gewebes erlaubt der Milz, sich leicht auszudehnen, und