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43 recht viel lerne; das soll jetzt aber noch verschwiegen bleiben. Mich hat er im voraus zum Brautführer gewählt, und ich habe ihm heute die Hand drauf geben müßen, daß ich bei seiner Hochzeit mit nach Schaffhausen reisen will. — Heute war ich wieder bei der Zgf. Torrevon; sie erkun digte sich mit vieler Theilnahme nach Dir. — Der Pastor pereux geht von hier fort nach Lolombier am Genfer-See, wo er eine pfarrey ange nommen hat. . . . Vater Krüsi ist sehr heiter und wohlgemuth in seinen neuen verhältnißen, und Trineli ist auch recht lustig und fühlt sich, so viel ich meine, glücklich. Ls war mir diesen Morgen ein so ganz eigner An blick, sie im häuslichen Anzuge mit einem Häubchen in ihrer Küche schaffend zu erblicken. . . . Donnerstags d. 6"" Aug. Heute habe ich in ein paar Stücken gefehlt. Fürs erste bin ich erst um 5^ Uhr aufgestanden. Ls kommt mir oft so schwer an, um 4- schon das Bettchen zu verlaßen, und dann ist der Geist wohl willig, das Fleisch aber schwach; und dann habe ich auch die Llavierstunde an Reitter heute ver säumt. Sonst aber bin ich immer thätig und pflichttreu gewesen, so daß ich immer noch mit einem guten, frohen Gewißen an meine N. denken und schreiben kann. — Heute Abend war wieder Gebet mit Gesang — da habe ich denn Deiner recht von Herzen gedacht; ich kann niemals die Töchter im Gebetsaale sehen, ohne daß mein Herz und meine Phantasie nicht auch Dich unter ihnen erblickt. Pestalozzi sprach: „wie der innere Adel der Seele auch im Äußern, in Anstand und Sittsamkeit sich ausdrücke", und wir sangen No. s50: „Laß mir täglich dein Gericht" pp. . . . Freitags den 7'°" August. Mie geschwind gehen doch die Tage, wenn man immer thätig ist und seine Pflichten erfüllt, vorüber. Anhaltende Beschäftigung ist wirklich auch das beste Mittel gegen die Schmerzen getreuer, sehnsuchtsvoller Liebe. Ls bleiben nur wenig Minuten den Tag über für diesen Schmerz frei; zwischen 7 und 8, wenn ich ein Viertelstündchen im Garten bin, nach Tische, wo ich Deine Nähe an den gewohnten Mrten suche oder wenn ich sonst ins Töchterinstitut komme. Abends aber — ach — wenn ich dann so allein bin, meinen Bildern von Lindau gegenüber — o meine Re nate — da ergreift die Sehnsucht die Tiefen meiner Seele — dann lebe ich bei Dir — dann küße ich Dich — daun treten mir die Thränen in die Augen — ach dann danke ich immer dem guten, himmlischen Gott, daß er mich so unaussprechlich in Dir beseligt. — ... Samstag d. 8'°" Aug. Heute, liebe, gute Seele, habe ich H. Lgger wieder geseßen; binnen 8 Tagen wird er mich wohl fertig haben, und wie ich hoffe, gut getroffen. Dann sollst Du das Bild augenblicklich erhalten und — o Renate, laß dann nicht lange auf das Deine mich harren. Ach welcher Schatz sind nicht schon die todten Züge des Bildes; wie trägt unsre Linbildungskraft Leben, Geist und Seele hinein — ich werde mich noch einmal so ruhig und wohl fühlen, wenn das Deine mir am Herzen hängt. — Die heutige Post brachte die traurige Nachricht von Neapel, daß der