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13 in der Liebe — vor mir steht wieder die ewige Jugend, und ich halte sie fest, die geliebte Göttin.... mich hält fortdauernd eine heitere, glückliche Gegenwart im lieblichen Schooße, und aus dem innern Seelenfrieden ent hüllt sich mir eine lächelnde Zukunft. . . Zu dem Glücke meiner Tage fehlt mir nur ein nahes Herz noch, in dessen Besitze ich schwelgen könnte, daö in Momenten, wo das Irdische ans Himmlische reicht, aufginge wie der Kelch der Lilie, daß ich zu ihm hinsänke und ausrufen könnte: Vermag ich nach diesem Augenblicke noch zu leben?" Er hat dieses Herz binnen Jahresfrist gefunden. Sonntag, den 14. Oktober 1810, also am ersten Jahrestage seines Ein tritts bei Pestalozzi, beginnt er sein Tagebuch mit den Worten: „Wer kann dir gebieten, mächtige, heilige Liebe? — wer deiner All gewalt, wer deiner Zauberkraft Grenzen setzen im irdischen Busen, Urquell namenloser Wonne? — Sehnsucht, tiefer, heiliger Drang schwellte des Jünglings Herz — da nahtest Du — ließt ihn erblicken die Line, die Herrliche, und — in lodernde Flammen wandelt sich urschnell die stille Gluth, und — er ist selig! — Der heutige Abend hat entschieden. Mein Herz, mein ganzes volles Herz gehört ihr! — unwiderstehlich, in den Tiefen meines innersten Wesens herrscht sie, die Holde, die Herrliche!" Sie war ein junges Mädchen, das in Pestalozzis Mädcheninstitute zur Lehrerin ausgebildet wurde, Renate Eibler, geboren den 4. April 1793 in Lindau, die Tochter eines Getreidehändlers. Er sah sie zum erstenmal „an einem schönen Sonntage am Tische des Vaters Pestalozzi; von diesem Augenblicke an schlug das befangene Herz, und nie, so oft er sie wieder er blickte oder bei gemeinschaftlichen Spaziergängen an ihrer Seite wandelte, wich diese süße Unruhe aus feinem Innern«. Ihr schreibt er später, nachdem er ihr erzählt, was er einst in jenem Büschchen bei Dresden von Gott er beten: „Und jetzt, o Renate, jetzt strecke ich oft auch meine Arme dem Himmel entgegen mit Thränen der Freude und des Dankes, daß ich dies Herz, das zarte, reine, edle, das mich unnennbarr glücklich macht, gefunden habe. Ach, wie bin ich Deiner kaum werth, meine Renate, wie nehme ich Dich als un verdientes göttliches Geschenk aus der Hand des himmlischen Vaters." Die „Töchteranstalt" PestalozzisH war in einem Hause unweit des Schlosses untergebracht, die ökonomische Leitung besorgte das Kustersche Ehepaar (Frau Küster war die Witwe Jacobs, des einzigen, 1801 gestor benen Sohnes Pestalozzis), die innere Leitung hatte, als Blochmann nach Jferten kam, Rosette Kasthofer (Mors IV, 160ff.), die 1814 sich mit Niederer verheiratete, nachdem dessen Verlöbnis mit einer katholischen Lehrerin am Institute, Luise Segesser, mit gegenseitigem Einverständnis rückgängig ge macht worden war (das Nähere bei Morf, Zur Biographie P. IV, 233). Unterricht erteilten nach v. Muralts und Schmids Weggange außer Niederer und Krüsi namentlich die preußischen Eleven Kawerau','Henning und Dreist, auch Theodor Schacht. Die Mädchen wurden zu Erzieherinnen ausgebildet, und die länger im Institut waren, gaben bereits den jüngeren Unterricht. Zum Morgen- und Abendgebete und zu den Predigten kamen sie ins Schloß, h Ausführliche Nachrichten über diese Töchteranstalt, die 1810 22 Pensionärinnen und 8—10 externe Schülerinnen zählte, findet mau beim General Bullion, Lsprit äs In ins- thoäo ä'äänention do ?o8tnlo!rxl (Nilnii 1812), I, 299—325. In der zweiten, einbän digen Ausgabe (Paris 1812) mit dem Titel ILxpo8s 6s In mütünäs ä'dänsntion äs I?g- iit-Uoxm, S. 187—204.