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34 daß Sie mich in Ihre Mitte auszunehmen für gut gefunden haben. Ganz unwerth erachte ich mich dessen nicht zu seyn. Denn in Zittau steht ein ähnliches Werk durch meinen Rath, Einleitung und zum Theil baare Do- tirung seit dem Anfänge dieses Jahres ganz fertig zu Jedermanns Be schauung da. In einem ganz von Grund aus neu aufgesührten Gebäude mit vier geräumigen Rlassenstuben genießen seitdem über 300 arme Rinder von beiden Geschlechtern ganz ohnentgeldlichen Unterricht nach pesta- lozzischer Methode ebenso vollständig als die Rinder der wohlhabendsten Stadtbürger. In einem zur Seite davon sich befindenden schon älteren Hause ist zugleich Vorrichtung zur Arbeits-Anstalt in der Maaße gemacht, daß diese Armen nicht allein zu nützlichen Geschäften angehalten werden, sondern auch in den Stand gesetzt sind, durch den Arbeits-Verdienst sich und ihren nothleidenden Eltern den Lebensunterhalt mit zu erwerben. H Gedeiht, wie ich zu Gott hoffe, dieses Unternehmen, so soll und wird dasselbe in allen Sechsstädten Nachahmung erhalten. Meines Bedünkens ist eine öffentliche Fürsorge dieser Art mehr werth als die Errichtung von Waisenhäusern. Waisen werden besser gegen ein gewisses Ziehgeld in ehrbaren Familien untergebracht und geben sodann unter Leitung ihrer pflegeältern theilnehmende Mitgenießer jener Anstalt ab. Noch immer findet man, der großen Verdorbenheit des Zeitalters ohngeachtet, unter dem gemeinen Haufen eher Personen von christlichem Sinn und mensch lichem Wohlwollen, um sie für Erziehung zu gebrauchen, als bei den höheren Abstufungen, welche Schmids Broschüre weder rechtfertigen noch bekehren kann. Ich freue mich indeß zum voraus nicht wenig, im künf tigen Jahre, wenn mein Reisevorsatz sich realisirt, die Vorschritte persön lich zu sehen, welche der neue Bund in Iferten gemacht haben wird, be halte mir auch vor, sodann meine Gabe auf dem dortigen Altar zu opfern. Sie sehen übrigens, mein Freund, wie alles in der Lausitz vorbereitet wird, Sie als Direktor einer der Sechsstädtischen neuorganisirten Bürgerschul anstalten aufzunehmen, wenn Ihnen Neigung und Beharrlichkeit dafür verbleibt." Bei der Geburtstagsfeier Pestalozzis im folgenden Jahre, die Schacht a. a. O. S. 50—53 anmutig beschreibt, Übergaben die älteren Knaben Pesta lozzi eine Schale: »in der Schale aber lag viel Geld, woran die Knaben schon seit einem Jahre unter sich gesammelt hatten, es sollte ein Beitrag zur Errichtung der Armenschule sein, wozu im Jahre vorher der Grund gelegt worden war. . . Wie dies unserm alten Vater wohlthat, brauche ich nicht zu sagen. Es war ein neuer Beweis, daß seine Erziehung auf Liebe und Kraft gegründet ist, wie würden die Zöglinge so edle Gedanken sonst fassen und mühevoll ausführen!" Zur Ausführung gelangte der Plan erst später, als durch die Herausgabe seiner Schriften bei Cotta größere Mittel in Pestalozzis Hände gelangten. Die große Rede an sein Haus am 12. Jänner 1818 (Zürich 1818, 173 Seiten) enthält das begeisterte Programm; die Ausführung in Clendy blieb freilich weit hinter dem Ideal zurück. Ein wenig freundliches Licht auf die vielfachen persönlichen Mißhellig keiten werfen folgende Briefstellen. Am 22. April 1811 schreibt Blochmann an Renate u. a.: »Das Gespräch zwischen Niederer, Dreist und Henning, das i) Die Anstalt ist erst in neuester Zeit in modernere Formen gebracht worden.