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29 Die Jfertener Aufzeichnungen Blochmanns beginnen am 14. Oktober 1810. Der Anfang ist schon oben (S. 13) mitgeteilt worden. Es heißt weiter: „Zufall und Geschäfte hatten mich ihr (Renaten) lange nicht wieder nahe gebracht; — doch heute, o seliger Abend! ewige, unvergeßliche Augen blicke! — heute wandelte ich an ihrer Seite, hielt ihre Rechte an mein klopfendes Herz, und — o ihr ewigen Sterne, nach denen ich blickte, zu denen auch sie ihr sanftes Antlitz erhob — ihr wart Zeugen meiner Liebe und meiner Seligkeit! Das ländliche Lest, das pflücken der Trauben von grünenden Neben, der heitere Abend, Pestalozzis Nähe — alles vereinigte sich zu einer frohen Gegenwart; aber ich sah nur sie, ich fühlte nur sie, ihre Nähe zauberte jene Umgebungen im Augenblicke des wunderschönen Sonnenuntergangs in mehr als Llysische Fluren!" Acht Tage später hatte sich Herr Küster, der Ökonom des Töchterinstituts, vorgenommen, abermals die Töchter und einige Lehrer in einen Weinberg nahe bei Grandson zu führen. Blochmann wollte eigentlich zurückbleiben und seinem am nächsten Tage nach Sachsen zurückgehenden Freunde Burckhart Briefe mitgeben und diese vollenden. Das gelang ihm jedoch nicht. Er be richtet : „Der Augenblick, wo die Gesellschaft gehen wollte, nahte, ich konnte keinen Gedanken mehr zu Papier bringen — sie ist ja dabei, du wirst Letzteren will ich zu gehören versuchen. Wir haben außer dem großen Institut noch eine Erziehungsanstalt sür Mädchen. Ich werde auch in diesem Töchter-Institut Geschichtslehrer und trage so Geschichte dreimal vor." Den verlockenden Antrag, als Führer des Sohnes der Frau v. Wolzogen, die damals länger- Zeit in Jferten sich aufhielt (Pest.-Stud. III, 93 ff.), mit nach Weimar zu gehen, schlug er aus: „Es hat mir den Kops stark bewegt, die Sehnsucht rief: thu's — und ein schönes dichterisches Leben lag vor mir. Aber die Pflicht sprach: Laß ab, du würdest den alten Pestalozzi betrüben, und du bist seinem Institut schuldig zu bleiben. Ich gehorche der Pflicht und bleibe!" An den Pastor Cherubim in Rohrsheim, bei dem Schacht Hauslehrer gewesen war, schrieb er am 18. September 1810: „Oft, wenn mich die Idee der Erziehung recht heiß er greift, oder der Plan meines Lebens in Zverduu mit seinem Zweck herrlich' fruchtbringend vor meinen Blicken liegt, ruf ich kräftig aus, es ist gut, daß ich hier bin! Es soll etwas tüchtiges werden! Seh' ich daun wieder auf so viel Unvollkommenheit umher, auf so gewaltige Fehler, denen ein rascher, fester Streich abhelfett könnte, — was aber schlechterdings nicht mir zu kommt — will man gar auch mich in Kleinlichkeiten hineinziehn, so möchte ich des Kukuks werden und denke: es wäre bester, du ging'st. — Gehen? o nein! ich bin dem alten, herr lichen, einzigen Manne, dem Pestalozzi verpflichtet. Gut! ich mein' es redlich mit ihm, ich will den, Institut und der guten Sache nützen, niit Mund und Feder, so gut ich kann. — Rur sind so viele Hindernisse, und er muß nicht, wie er will, mich ganz und gar in die große Reihe seiner Lehrer ziehen wollen, nm mich als Aufseher zu gebrauchen, wozu ich nicht geschaffen bin und was ich ihm durchaus abgeschlagen habe. Es ist ja — das ist wahr, bei aller Originalität viel Unordnung und Unangenehmes im Schloß, kein Lehrer hat ein eignes Zimmer, alle« läuft und arbeitet durcheinander. Das kann ick nicht, darum hab ich mich auf eignen Fuß gesetzt. Ich wohne in der Stadt, sehr angenehm, arbeite tüchtig, gebe meine Stunden im Schloß mit Eifer und Kraft, denke über die Sache und habe sonst mit dem äußeren Wesen nichts zu schaffen, als daß ich an P. Tisch Mittag und Abend speise und gern mit gewaltthätiger Hand hier und da Umänderungen treffen möchte, wenn es nicht ein übles Ding wäre, Eingewurzeltes auszuroden. Was diesem großen weltberühmten Institut fehlt, ist Einheit . . es müßte einer da sein, der die Zügel festhält . . und ein solcher fehlt. Der alte Pestalozzi, voll rastloser Unruhe, voll großer Liebe, fast täglich mit Reisenden beschäftigt, ist zu schwach dazu." Schulz, Ein Jünger Pestalozzis, 29—34. Ein Lebensbild Schachts hat Roh nieder gezeichnet im Pädagogium, herausgegeben von Dittes, IX, 419 — 450. Leipzig 1887.