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Gberlaufltzer Hslmatzsttung Äv. 26 heute muß der Brunnen Wein geben, weil die Weih nacht ist." Sagen die Buben: „Wir trauen uns nicht, geh erst Du hin, Vater! Wir werden schon kommen, wenn der Vater den Wein gekostet hat." Um halb zwölf geht er hinaus in den Hof zum Brunnen. „Ich werd schon schreien," sagt er, „baß Ihr nachkom men könnt mit dem Geschirr." Er hat geschöpft und hat getrunken. Der Tausend! Es ist lauter roter Wein aus dem Rohre geronnen. Schreit er: „Hans, komm schnell mit dem Fasse!" Da hat er einen Schlag bekommen, grab auf den Mund und war mausetot. Muß schon ein anständiger Schlag gewesen sein. Wenn er nichts geredet hätte, hätte er schöpfen können, waS er hätte mögen. Seit der Zeit rinnt zu Weihnachten kein Wein mehr. * In früheren Zeiten haben die Tiere reden können zwischen elf und zwölf Uhr. Da hat eine Bäuerin eine Sau gehabt mit sieben Jungen. Da hätte sie gern gehört, was die mit ihren Jungen redet in der Nacht. Geht sie abends zur Zeit hinaus, schleicht zum Saustall und hat bei der Saustalltür gelauscht. Alles ist still. Da macht sie vorsichtig die Tür uns und schaut hinein, ob die Sau nicht drin ist. Die Sau aber hat schon auf dem Sprung gestanden. Sie bricht aus und reißt mit ihren Hauern der Bäuerin zwei mächtige Wunden in den Leib. Die Bäuerin fällt um und ist nachher daran gestorben. * Ein Bauer hat einmal einen Knecht gehabt, Hans hat er geheißen. Der ist recht brav und treu gewesen. In der Christnacht geht er um halb zwölf in den Stall, zieht sich aus und hat sich niedergelegt. Da sagt ein Ochs zum andern: „Wir haben eine trau rige Nachricht. Unser guter Herr wird morgen sterben. Er wird morgen zu Mittag ein Kraut essen und da wird ein Knöchelchen dabei sein. Dieses bleibt ihm im Halse stecken, und er muß ersticken. Wir müssen ihn hernach hinausfahren auf den Kirchhof." „Das wird freilich eine schwere Last für uns sein!" sagt der zweite Ochs. Wie sie den andern Tag zu Mittag essen, hat sich der Bauer sein Fleisch auf den Teller geschnitten und eine tüchtige Fnhre Kraut daraufgehäuft. Er nimmt sich nun die erste Gabel voll. Als er sie zum Munde führt, haut sie ihm der Hans zurück auf den Teller. Der Bauer schaut den Hans großmächtig an. Er greift sich nun die zweite Gabel voll heraus, da haut sie ihm der Hans nochmals ab. Sagt der Herr: „Was machst denn Du mit mir?" Das dritte Mal haut er sie ihm nochmals hinab. Sagt der Bauer: „HauS, ich hab Dich allweil gern ge habt. Aber jetzt ist Deine Zeit aus!" Da hat ihm der Hans die Geschichte erzählt, die er von den Ochsen gehört hat. Sie suchen das Kraut gleich durch, und richtig, finden im Kraut so ein spitziges Knöchelchen. Da hat sich der Bauer'aber gefreut, hat den Hans für sein eigenes Kind gehalten und ihm sein Bauerngut ver macht EßrrvänSdeEsn GHA. wolle man uns baldigst zusammen lassen, damit I wir einen Überblick über dis Gesamtzahl der gewünschten Exemplare gewinnen. — Das Inhaltsverzeichnis des I Jahrganges iS27 wird einer der ersten Nummern des neuen baigelegt werden. Mutter *) Von Gustav Wolf-Wetfa Ich drückte die Klinke nieder. Noch ein zweites Mal. Eine Tür ging. Dann hörte ich die Schritte meines Vaters und sein kurzes, etwas gequält klingendes Husten. Der Lichtschalter knipste im Hausflur, und jetzt wurde der Rie gel zurückgeschoben. Ich trat ein und stapfte und schüttelte den Schnee von Kleidern und Schuhen. „Guten Abend! Was macht Ihr?" — Dabei hielt ich meines Vaters Hand, fing seinen großen Blick auf, der unverwandt auf mir ruhte, sah, wie grau sein Haar ge worden, und sah in sein unbewegtes Gesicht, dessen fremde Starrheit mich erschreckte. — Keine Freude? — Was sollte das? — Was war ge schehen? — „Ich meine," sagte er, den Kops etwas unnatürlich hebend, wie es Schwerhörige zu tun pflegen, so baß er ein wenig nach hinten geneigt schien und das Kinn seltsam weit vorsprang — und seine Stimme klang sehr vorsichtig —, „ich meine nur, Du mußt ganz leise sein! Mutter liegt in der Stube. Wir haben bas Bett hereingesetzt. Sie hat sich legen müssen, gerade als ich mich wieder aufgerappelt hatte." Er legte die Sätze einzeln und mit großen Pausen hin. In mir war ein langsames Begreifen und ein Besinnen ohne Worte; etwas war plötzlich wie gelähmt. WährenSbem Hatte ich ganz mechanisch Rucksack und Tasche im Flur abgesetzt, war in mein Studierzimmer ge treten und hatte dort Hut und Mantel an den gewohnten Haken gehängt. Weihnachtsferien! „Du kannst hineingehen," sagte mein Vater. Ich öff nete leise die Tür nach dem Hinteren Zimmer. Es war ganz still. Nur die Wanduhr tickte; mir schien es: lauter l als sonst. In meiner Kehle . . . ., in meinen Augen . . . .: l ich zwang es fort. Dann stand ich am Bett und hielt ihre i Hand. „Mutter! Mutter!" Sie schlief nicht, aber sie war sehr schwach und lag un- ! beweglich — ihre schmerzenden Glieder gestatteten keine ; Wendung —, und ihre fieberheißen Wangen glühten. „Ja, ich muß nur alles geduldig abwarten . . ., nur abwarten . .," hauchte sie sehr angestrengt. Und dann ging der Atem kurz. Aber schon fragte sie, wie mir's immer er gangen und ob ich gesund sei — in all ihren Schmerzen ihre sorgende Liebe für mich! — Und ob mein Geld auch die Monate hindurch zugereicht hätte; — so gern Hätte sie noch etwas für mich verdienen wollen, aber da hätte erst Vater ein paar Tage gelegen und nun sie schon so lange, und jetzt sei die Kasse daheim genau so ler wie meine . . . Doch — ganz plötzlich schien ihr der Gedanke gekommen — im Januar gäbe es ja wieder Invalidenrente, und auch Vater würde bald seine erste bekommen . . . Der Klang ihrer Stimme verriet ihre Freude über den glücklichen Einfall. —Mutter, du Gute! Und dann saß ich am Tisch. Vater brachte mir zu essen, obwohl ich kein Verlangen danach hatte. Nach und nach erfuhr ich alles. Neun Tage schon lag sie todkrank. Man hatte mir keine Nachricht nach der Stadt gegeben, um mich in meinem Studium nicht zu stören. — Mutter! Wie groß du bist! — Eigentlich wußte man nicht recht, was ihr fehlte. Fie ber, völlige Appetitlosigkeit, ein geschwollenes Vein und ein schier unerträglicher Schmerz darin. Mit einer merk würdigen Hoffnung und Sorglosigkeit ließ man alles ge schehen. Und kein Arzt? Onkel aus der Residenz war ihre *) Aus: „Neue Jugendblätter": Mütter. 18. Jahrgang. 1926. Verlag: Schriftenhauptstelle des Sächsischen Pestalozzi- vereins, Dresden-A. i, Zinzendors-Str. 81. Das Buch eignet sich vorzüglich als Geschenk zum Muttertag.