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Der Vater Oberlansttzer Erzählung von Oskar Schwär -Fortsetzung) Wie er heimkam, konnte er den Frauen berichten, die nachbarliche Wiese sei ihm so gut wie sicher. Darüber waren sie alle froh. Am meisten natürlich der Bäckermeister, aber nicht nur, weil er mit dem Ankauf seinem Geschäft einen Dienst erweisen würde, sondern aus noch einem anderen Grunde, der, als er ihn äußerte, die Frauen Hell auf lachen ließ. Er sagte nämlich in ernsthaftem Ton: „Man muß auch an seine Kinder denken." „Aha, Du willst jedem einmal ein Grundstück mit- geben? Da ist's allerdings gut, beizeiten anzufangen l" Und Elsa: „Wirklich, ein fürsorglicher Vater!" „Doch nicht ganz, Elsa!" gab er zurück. „Soweit hab ich nicht einmal gedacht. Bloß auf's allernächstliegende. In unserm neuen Garten wird eine schöne Ecke für's Kind als Spielplatz bestimmt. Schöner, weicher Rasen, wo 's Pur zelbäume schießen kann nach Herzenslust. Und einen Sand haufen daneben natürlich. Und dann werde ich, wie ich's neulich sah, eine Schaukel bauen. Da kann er mit seinen Kameraden tollen und toben, wie 's ein richtiger Junge muß. Das wird mal eine lustige Zeit! Was?" Seine Augen leuchteten dabei, es war nicht bloß Scherz, er freute sich auf das Kommende. Und Elsa strahlte diese Freude wider, was still in ihr glomm, war durch ihres Mannes Rede angefacht und zum lustigen Auf lodern gebracht. „Ach, wenn 's nur bald soweit wäre!" sagte sie. Und auch Frau Alwine wurde wieder jung dabei. War sie nicht auch einmal diese zitternde Ungeduld gewesen? Nun lebte sie jene Zeit noch einmal. „Wir wollen uns nach Federn umsehen, Elsa! Am besten, wir gehen zur Federfrau, nehmen ungeschliffene und lassen sie uns von der alten Richtern schleißen. Je eher, je besser," riet sie. Johann wollte am folgenden Sonntag die Frauen hin überfahren ins Nachbardorf zur Federfrau. Er hatte sich aber bei der Erörterung dieses Punktes auf noch eine Freude besonnen, die er seinen Kindern später bereiten müsse. „Übrigens, Enten und Hühner werd ich auch anschaffen. Die machen dem kleinen Volke Spaß. Kinder und solch unschuldiges Viehzeug verstehen sich präch tig miteinander. Und da drüben stört's nicht!" Nun erzählten sie eigene Erlebnisse mit treuen, lieben Tieren. Johannes bester Freund war der Wollax gewesen, ein schön gefärbter und kluger Schäferhund, der hatte ihn auf jedem Gange begleitet. Leider wurde das gute Tier von einer unsauberen Krankheit befallen, sodaß man ihn erschießen lassen mußte und Hernach keinen Hund mehr halten konnte. Elsa wnßte allerlei Schönes von den Katzen zu berichten, die ihre Eltern hatten. Frau Alwine hatte Freud und Leid an Singvögeln erfahren. Und alles dies sollte wiederkehren. Alles dies wollten sie dem Kinde bereiten, das bald zum Leben erwachte. In dieser Nacht wurde Johann von seiner Frau ge weckt, die einen unruhigen Schlaf hatte und im Traume laut redete. Er erschrak. „Was ist Dir, Elsa?" fragte er. „Johann, es lebt! Ich ftthl's!" „Das Kind?" fragte er mit freudebebender Stimme und küßte sie. * Die Kirmis rückte heran. Im Bäckerhause wurde es lauter. Obgleich drei Wochen vor dem Feste mit dem Kuchenbacken begonnen wurde, gab es täglich viel zu tun. Der Lehrjunge fuhr das Brot aus. Johann stand den gan zen Tag über am Backtrog und in der Trittgrube. In dem an die Backstube angrenzenden Zimmer ging's lebendig zu,' denn fünf, sechs Weiber machten hier ihre Platze fertig, trieben sie auf den schwarzen Blechen aus, bestrichen sie mit Streusel, Quark, geriebenem Käse, besteckten sie mit Rosinen. Dabei erzählten sie sich lang und breit Altes und Neues, scherzten und lachten. Kinder saßen in den Winkeln, schabten die Bleche ab und rieben sie dann mit Speck ein, damit der Teig nicht haften sollte, auch sie praschten «ach Kräften. Als diese Hochflut von Arbeit kam, mochte Elsa nicht drüben in der Wohnstube müßig sitzen oder nur Namens zeichen in kleine Jäckchen und Bettbezüge sticken. Sie wollte, wie ihre Schwiegermutter, sich mit hineinstürzen in die Flut. Ihr Mann hatte es ihr ziemlich streng unter sagt: „Laß uns nur- wir werden uns schon kümmern! Du sollst Dich pflegen, geh spazieren, besuch die Eltern, lies! Was Du willst. Nicht wahr, Liebste, Du folgst! Weißt ja, für wen!" Das wußte sie wohl, und sie wußte auch, daß es lauter Liebe war, die ihren Mann so ängstlich machte. Dennoch beherrschte sie sich nicht. Als sie Johann einmal knurren hörte, daß es zu langsam vorwärtsgehe, daß er und der Backofen zu lange warten müßten, zog sie sich rasch eine Schürze über, schlupfte hinüber in die Backstube und griff mit zu. Dann schob sie die Bleche mit den Kuchen durch das Schiebeloch. Johann, der draußen in der Trittgrnbe stand, fing sie auf und beförderte sie mit der langen Schüsse in den Ofen. Sie hütete sich, dabei zu reden. Als er aber fragte, wieviel Kuchen noch blieben, mutzte sie ihm doch Antwort geben. Nun war sie verraten. „Elsa?" fragte er. „Ja?" „Noch einen!" Dann verschloß er öen Ofen und ging in die Backstube. „O dar is tälsch!" meinte die eine Frau zu ihrer Nach barin. „Hm, 's is ni su fix gegangen, wie a sich 's eigebildet hoat!" Da kehrte er schon zurück, mit rotem Kopfe, finsterer Stirn. Und Elsa folgte ihm. In der Wohnstube machte er ihr Vorwürfe, daß sie leichtsinnig sei. „Aber, Mann, was war's denn weiter! Dabei kann doch nichts gescheh»!" „Gerade dort, wo man's nicht denkt, geschieht etwas. Wie leicht ist ein Schaden fertig! Und dann ist's zu spät! Siehst Du denn nicht, daß ich's gut meine mit Dir?" „Aber, Liebster, soll ich denn wirklich die Hände in den Schoß legen, wenn es drüber und drunter geht und wenn die Mutter auch mit dran muß?" „Ja, das sollst Du! Doch bloß jetzt. Später magst Du wieder arbeiten nach Herzens Lust. Jetzt ist es Deine Pflicht, Dich zu schonen. Auch mir gegenüber!" „Was sollte denn aber bei armen Leuten werden —" „Wir können 's uns leisten. Wenn andere Frauen bis zur letzten Minute schuften müssen, so ist das traurig und sie tun mir leid! Aber von Dir, die Du's nicht notwendig hast, wär's sträflicher Leichtsinn!" In milderem Tone fuhr er fort: „Siehst Du, Liebste, alles, was wir uns so schön ausgedacht haben, könnte hin sein, wenn Du nur den ge ringsten Schaden nimmst! Es ist so manche Frau deswegen auf den Kirchhof gebracht worden! Wirst Du nun folgen?" „Ja. Na komm und fei wieder gut!" Sie küßte ihn. „Hallo!" lachte sie. „Mit was man umgeht, das hängt einem an!" Und sie klopfte sich das Mehl ab, das bei der Umarmung an ihrem Kleide haften geblieben war. „Ja, ja, wer Bäcker und Schornsteinfeger küßt, soll sich inachtnehmen!" Damit verschwand er, und alles war wieder gut. *