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Wort zugab. Frau Alwine hatte in Küche und Stube zu tun, ging aber gern auch einmal in den Laden, es war doch eine Freude, das Geschäft blühen zu sehen. Ja, sic hatten das Glück. Manchmal, wenn Johann mit dem grünen Planwagen hinausgefahren war, saßen die beiden Alten auf dem wei chen, glanzlederüberzogenen Sofa und redeten miteinander über das, worauf sie sehnsüchtig warteten. Mehrmals hatten sie schon, scherzhaft oder auch ernsthaft, dem Sohne zu verstehen gegeben, daß es an der Zeit sei, ein junges, tüchtiges Weib ins Haus zu führen. Der Vater hatte ihm schon eine ausgesucht unter den Jungfrauen des Dorfes: die Jüngste des Bungert-Bauern. Das gab eine glückliche Verbindung, denn es käme Geld zu Geld. Aber Johann war nie darauf eingegangen. Die Mutter wußte wohl warum: sie hatte durch die Leute erfahren, daß Johann mit der Tochter eines armen Webers „gehe". Sie ließ sich jedoch nichts merken: erst wollte sic beobachten, ob das Verhältnis ernstzunehmen sei. Sie war eine kluge Frau und wußte, daß bei dem Sohne, der des Vaters klaren, entschiedenen Willen besaß, sich seiner Tüchtigkeit bewußt und an selbständiges Denken und Handeln gewöhnt war, der aber auch ihr feines, leicht erregbares Gemüt hatte, das Hineinreden eher den gegenteiligen Erfolg zeitigen werde. Es dauerte jedoch nicht lange, da wußte auch Ehre gott von der Sache. Und er geriet darob in heftige Erregung. „Weißt Dn schon, was sich die Leute von Johann er zählen?" fragte er, als er von einem Gange zurückgekehrt ivar. „Nicht? Na, dann setz Dich erst mal! Ja, ja, viel Gescheites nicht! Er läuft mit Weber Liebschers Mädel. Jawohl, es ist so! Man hat sie beobachtet. Nun, was sagst Dn dazu?" Frau Alwine fiel aber weder in Ohnmacht noch in brennende Wut, wie er erwartet hatte. Und so lud er denn noch eine gute Weile aus. „Da wird nichts daraus! Nie mals! Sowahr ich Bäckermeister Ehregott Heidorn bin, der's immerhin zu was gebracht hat! Und das sollte wohl die Krönung meines Lebcnswcrkes sein? Nie, nie!" Als das Rattern des Wagens Johanns Heimkehr mel dete, bat die Bäckin, die geduldig das Gewitter über sich hatte ergehen lassen, Ehregott, er möge dem Sohne gegen über lieber heute noch schweigen: er wisse ja garnicht, wie viel wahr sei an dem Gerede der Leute. „Eben darum will ich's von ihm selber hören!" Und nach wenigen Minuten, während welcher er zorn schnaubend in großen Sätzen die Stube abgeschritten hatte, polterte er von neuem los. Dem Eintrctenden kam diese Begrüßung wie ein Schlag aus heiterem Himmel, er fand aber sogleich die Ruhe: denn er hatte schon immer eine Auseinandersetzung erwartet. „Wenn Ihr eine junge Frau im Hanse haben wollt, so kann Rat werden: die Leute haben recht!" sagte er. Der Vater wollte auf ihn losstürmen, doch es war ihm, als sollte er gegen sein Spiegelbild angehen: frank, auf gerichtet, mit Hellen, mutigen Angen stand Johann vor ihm. Da nahm er seinen Marsch durchs Zimmer wieder auf, klatschte sich dabei in die Hände und stieß ein bitteres Lachen aus. Vor Alwine, die ans dem Sofa sitzen ge blieben war und durch keine Miene verriet, für wen sie Partei nahm, hielt er an. „Nun hast Du's von ihm selber gehört? Ha, das is nnn die Bescherung, auf die wir uns gefreut hatten! Dazu hat man gearbeitet und gestrebt, daß der Sohn dann die erste beste heranschleppt und den Ehren schild der Familie zertrempelt. Das is der Dank . . ." „Vater!" rief ihm Johann dazwischen, der diese Angriffe nicht weiter anhören konnte. „Ich denke, die Sache er fordert einen anderen Ton. Ich weiß, was ich tue. Vor allem, daß ich weder Dich noch mich um den guten Ruf bringe. Sagst Du nicht sonst, daß man's auch ohne Geld und andere Bevorzugungen zu etwas bringen kann, wenn man nur seine Pflichten erfüllt? Also geh erst mit Dir zu Rate, ehe Du Dich gegen meine Wahl wendest! Jedenfalls will ich solche Anwürfe gegen mich und das Mädchen nicht mehr hören. Mag sie arm sein wie eine Kirchenmans und von ihresgleichen verleumdet werden, ich lasse nicht von ihr!" „Aha, soweit seid ihr schon," fuhr der Alte wieder auf und überschüttete den Sohn mit neuen schweren Vorwürfen. Der wendete sich schnell und wollte hinaus, die Mutter aber war schon aufgesprungen und hielt ihn am Arm zurück: „Ein Wort, Johann!" Dieser Frau gehorchten beide, der Alte schwieg, der Sohn blieb, um ihr Wort zu hören. „Der Vater meint's nicht so, wie er's herauspoltert. Dn bist jung und siehst die Sache etwas anders an als wir. Ich will Dich zu nichts überreden und Dir von nichts ab reden, was Dn vorhast, Dn wirst es schon von Dir aus verantworten können. Aber an eins will ich Dich erinnern: Du bist unser Einziger und Dn bist ein tüchtiger Meister, Du kannst Ansprüche stellen." „Das tu ich, Mutter. Und Elsa genügt ihnen." „Ihre Eltern sind biedere, ehrliche Leute, und ich habe auch an dem Mädchen die schlimmen Seiten nicht finden können, von denen mißgünstige Menschen reden." „Ich danke Dir, Mutter!" sagte er warm und drückte ihr die Hand. „Aber Du hast noch weiter nicht Umschau gehalten, Johann. Dn fändest vielleicht manche, die noch mehr Vor züge hat," fuhr sie im gleichen ruhigen Ton fort. „Ich — ja siehst Du, Mutter, das läßt sich nicht so sagen — ich will keine andere, ich kann keine andere nehmen." „Wenn Du immer so denken kannst, dann ist die Wahl richtig gewesen. Aber wie viele Menschen haben sich zu spät erkannt!" „Kenn ich Elsa denn nicht seit unsrer Kindheit?" „Nur binde Dich nicht zu früh und verbiete Dir nicht, auch andere Mädchen anzusehen, damit Dich die Liebe nicht blind macht!" „Als ob er nicht schon blind wäre!" knurrte der Vater, der sich am Tisch niedergelassen und während seiner Ehe hälfte ruhiger, mütterlicher Rede die Koteletts gescharrt hatte. Da ging Johann hinaus. Es folgte noch eine Anseinandersetzung zwischen den Gatten, in welcher Ehregott das letzte Wort hatte: „Jeden falls werde ich nie meine Zustimmung und meinen Segen dazu geben!" * * x * „Ich doarf mich nich lange verweilen, ich will mit'n Mittchznge nva uff Löbau uff die Spvarkvassc, hm. Dar Fleescher hoat frieh zwee Schweine vabgehult. Zwee Pum- mer soa'ch Dir! Sechs Zentner!" erzählte die Bungert- Bänerin. Ihre Stimme hallte, wie aus einer Tonne ge sprochen. Die zwei fetten Pummer posaunte sie aber be sonders laut durch den Laden, damit der Meister, der hinten im Flur die Brote mit der langen Schüsse in den Backofen schob, es ja auch vernähme. Die Bäckin zählte von einer Schrage die frischen, duftenden Flechtsemmeln in den großen Handkorb: „— — zehn, zwölf, fünfzehn". Zwei Stück legte sie noch dazu, das war die übliche Zugabe. Dann hob sie den Korb ans den Ladentisch. „So, so. — Sechs Zentner! Der tausend, das lohnt sich!" „Ja, ja! Das Schweinemästen, das is noch nich aus!" hallte es wieder durchs Haus. Sic konnte zwar nun be zahlen und ihre Wege gehen, die großmächtige, ihren Säuen an Gewicht nicht viel nachstehende Bäuerin, sie zog auch schon das Geldtäschchen aus dem Schubsack, doch öffnete sie es nicht, sondern fuhr fort: „Der Zentner stitt itz uff fnfzig Moark, das senn hundert Taler ock su nabenhar!" Die Heidorn schüttelte erstaunt den Kopf. Das Lächeln, das auf ihrem feinen, zarten Gesicht stand, hatte, nicht nur das Bungertsche Schweineglück, sondern ebenso sehr der