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ganz ober teilweise mit Brandenburg verbunden war; ob wohl schon Bischof Benno von Meißen 1207 das Dekanat zu Budtssin (Bautzen) gestiftet und dem dortigen Dom propste als Verwalter des S. Archidiakonats von Meißen, beinahe 200 Pfarrgemeinden unter 10 Erzpriestern, zur Be aufsichtigung übergeben hatte. Auch der Reformation unter den Wenden, welche 1528 in Bautzen ihren Anfang nahm, wurde dadurch Vorschub geleistet, daß man aus Mißachtung ihrer Nationalität viele der wendischen Sprache unkundige Priester unter ihnen angestellt hatte. Diesen Mangel suchte man später dadurch abzustellen, daß seit 1635 an der Fürsten schule zu Meißen mehrere Freistellen für wendische Pre digersöhne gestiftet wurden. Auf einem Flächenraum von etwa 38 Quadratmeilen wohnten nach den letzten Volkszählungen ungefähr 92 000 Wenden, ungerechnet die, welche von wendischen Eltern ge boren wurden, aber sich ihrer bürgerlichen Stellung nach zu den Deutschen zählen. Nicht mttgerechnet sind auch die Wenden der Niederlausitz, welche in den Kreisen Sprem- berg, Kottbus und Kahlau wohnen und deren gegenwär tige Zahl 60 266 betragen soll. In der wendischen Mundart der Oberlausitz wird zur Zeit noch in 57 Gemeinden gepredigt. Davon stehen unter sächsischer Hoheit 26 evangelische (Städte: Bautzen, Kamenz, Löbau, Weißenberg; Landparvchien: Baruth, Großpostwitz, Kleinbautzen, Hochkirch, Guttau, Gaußig, Kittlitz, Klix, Ko- tiz, Malschwitz, Mittel, Neschwitz, Nostitz, Pohla, Purschwitz, Königswartha, Gröbitz, Schmöln, Uyst a. T., Oßling. Erb- ländische Gemeinden: Göda, Wilthen) und 6 katholische (Bautzen, Crostwitz, Nebelschütz, Ralbitz, Radibor, Ostro). In Preußen sind es 24 evangelische (Städte: Hoyerswerda, Muskau; Dörfer: Bluno, Schwarz-Collm, Geyerswalde, Groß-Parkwitz, Lohsa, Merzdorf, Groß-Särchen, Spreewitz, Uyst a. d. Spree, Krischa, Gebelzig, Lang-Förstgen, Peters- Hain, Collm, Groß-Radisch, Daubitz, Gablenz, Klitten, Crebe, Reichwalde, Schleife, Nochten) und eine katholische zu Wittichenau. In der sächsischen Pflege wohnten nach der letzten Volkszählung 44 800 evangelische in 322 Dörfern mit 26 Kirchen und 31 Geistlichen, 68 Schulen und 80 Lehrern. Die Zahl der katholischen Wenden belief sich auf 8000, welche in 77 Dörfern mit 14 Schulen und eben so viel Lehrern wohn ten. Sie haben 11 Kirchen mit 26 Geistlichen, darunter 6 Domherren. In Preußen zählte man 36 200 evangelische Wenden in 122 Ortschaften mit 32 Kirchen und 25 Geistlichen (darunter 2 wendische Superintendenten) und 56 Schulen mit 62 Lehrern. Wendische Katholiken zählte man 3000 in 12 Orten mit 5 Schulen und 8 Lehrern, 3 Kirchen und 3 Geistlichen. Wie langsam die Verschmelzung der Wenden mit den Deutschen, die sie umgeben und unter ihnen sich nieder lassen, vor sich geht, geht daraus hervor, daß seit etwa 100 Jahren erst 7 Gemeinden (Hohenbuka, Schwepnitz, Groß grabe, Ruhland, Kosel, See, Zybelle) aufgehört haben, wen disch zu sein. Ferner erhellt es daraus, daß 1847 in Bautzen unter 8378 evangelischen Bewohnern noch 1138 Wenden gezählt wurden. Das katholische Domstift zu St. Petri in Bautzen hatte seit 1644 zwölf wendische Dekane, darunter auch zwei, welche ihr Priesterjubiläum feierten und mit der bischöflichen Würde bekleidet waren, nämlich Jacob Wosky von Bären stamm (geb. 1692 zu Crostwitz, gest. 1771), welcher bei der Weihe der neuen katholischen Kirche in Dresden 8 Neben altäre weihte und dafür vom König einen Altar geschenkt erhielt, welcher an der rechten Seite des Hauptaltars in hiesiger katholischer Kirche aufgestellt wurde und noch heute der Dresdner Altar heißt. Der zweite war Franz Lock aus Wittichenau, welcher 1831 starb und, wie sein zweiter Nach folger Dekan Kutschank, mit dem Zivilverdtenstorden ge schmückt wurde. Die wendisch-katholischen Geistlichen Sachsens erhalten ihre Bildung auf dem wendischen Seminar in Prag, welches 1716 durch zwei Gebrüder Schimon aus Temritz gestiftet und später durch reiche Vermächtnisse anderer geistlicher Herren und zuletzt durch Fürsorge des Bischofs Ignaz Mauermann so erweitert wurde, daß darin 32 katholische Jünglinge Sachsens Aufnahme finden können. Sie stehen unter einem besonderen, vom hiesigen Domstifte gewählten Präses, und die sprachlichen Übungen der Wenden leitet seit längerer Zeit ein Prager Professor der slawischen Sprache. Eine andere, den Wenden sehr wohltätige Stiftung, machte 1767 Herr Michael Buder, Advokat zu Bautzen und Besitzer von Obergurig. Er vermachte den armen Wenden im Meißnischen und in der Ober- und Niederlausitz den größten Teil seines Vermögens, von welchem bet der Tei lung Sachsens 22 560 Taler bei Sachsen blieben und 33 331 Taler an Preußen fielen, wovon nun alljährlich die Zinsen in bestimmten Raten an Arme verteilt werden. Die Wenden haben auch ihre eigene Literatur: Eine evangelische und eine katholische. Beide bedienen sich der deutschen Schriftzcichen und haben einige ihrer Sprache eigentümliche besondere Buchstaben wie l, z, cz. Die Katho liken haben eine mehr dem Böhmischen angepaßte Schreib weise. Die dadurch erschwerte gegenseitige Benutzung ihrer Schriften versucht man durch die allmählige Einführung einer gemeinsamen Rechtschreibung zu beseitigen. Trotz der kleinen Zahl der katholischen Wenden sind bis jetzt doch etwa 50 katholisch-wendische Bücher erschienen, meist asketischen und pädagogischen Inhalts. Darunter be findet sich auch ein schon 1787 gedrucktes vollständiges Ge sangbuch, seit 1846 erschien ein neuer Katechismus, ein Schullesebuch und die Evangelien und Epistel für alle Sonn- und Festtage. Reicher ist das Schrifttum der evangelischen Wenden. Seit 1594 sind mehr als 300 (zum Teil sehr umfangreiche) Schriften gedruckt und in 6 verschiedenen öffentlichen Bib liotheken gesammelt worden. Ihrem Inhalt nach bezwecken viele die Erbauung und Belehrung im Christentum, doch befinden sich unter ihnen auch Bücher über andere Wissens gebiete, besonders über Sprachforschung. Die sehr gut über setzte Bibel ist seit 1727 in vielen starken Auflagen ver breitet worden. Das allgemeine wendische Gesangbuch ist seit 1710 von 202 bis zu 816 Liedern vermehrt worden. Seit 1844 erschien in Hoyerswerda ein vielgelesenes Mis sionsblatt und ein seit 1842 bestehendes wendisches Wochen blatt bestrebt sich nicht ohne Erfolg, die mehrseitige Bildung des Volkes angelegentlich zu fördern. Hatten in früherer Zeit die hohen Stände der Lausitz und einzelne fromme adelige Familien, wie auch das Oberkonsistorium zu Dres den den geistigen Fortschritt der Wenden durch Errichtung guter Schulen und durch Herausgabe lehrreicher Bücher mit reichen Geldmitteln unterstützt, so ist neuerdings das Volk, besonders der Lehrerstand, zu der Überzeugung ge langt, daß auch der Wende durch eigenes Streben, mit Hilfe und unter weiterem Ausbau seiner schönen und bild samen Muttersprache sich zu den Höhen- der Zeit empor arbeiten und eine der deutschen ähnliche Bildung zu er langen suchen muß. In diesem Streben gründeten schon 1776 studierende wendische Jünglinge, mit Bewilligung der Universitäts und Landesbehörden, in Leipzig die wendische Prediger gesellschaft, welche 1816 unter Lubenskys Seniorate ihr Jubiläum feierte, seitdem durch Beiträge gewesener Mit glieder ein Kapital von 442 Talern zur Unterstützung der Vereinszwecke angesammelt hat und aus der viele tüchtige Prediger hervorgegangen sind. In diesem Sinne vereinig ten sich 1837 die in Breslau studierenden preußischen Wen den, 1839 die wendischen Gymnasiasten zu Bautzen, später auch die wendischen Zöglinge des Schnllchrerseminars da-