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2 GberlauflLzer Helmaizettung M. beiten an der Nürnberger Staütbefestiguug. Die hierzu nötigen Erfahrungen mag er in seiner Vaterstadt gesam melt haben, als diese wiederholt von den Hussiten schwer bedrängt wurde. Als aber dann der Leinwandhandel mäch tig aufbltthte, verdichteten sich die persönlichen Beziehungen zwischen beiden Städten erheblich. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts ließ sich die Familie Gewand sch neider in Zittau nieder, die vertragsmäßig mit der Vertretung einer Nürnberger Großftrma betraut wurde und Barvor- schiisse zur Warenherstellung nach Rumburg und Schlucke nau gewährte. Auf Nürnberger Einflüsse dürften auch die bekannten Grufthäuschen auf dem Zittauer Kreuzfried- hvf zurückzuführen sein; die beiden ersten sind von dem ersten Zittauer Vertreter der Familie Gew andschnei- der und dem mit ihm verwandten Prokop Nasv er richtet worden. Ein anläßlich einer Hochzeit in diesen Kreisen verfaßtes Lied aus dem Jahre 1588 stellt übrigens den ältesten nachweisbaren Druck aus der Stadt Zittau dar. Der Mitinhaber der obenerwähnten Großfirma dürfte die Mittel zur Erbauung des berühmten Pollerhauses in Nürnberg im Wesentlichen aus dem Reingewinn des Zit tauer Leinwandhandels bestritten haben. Im Jahre 1609 ging der Wandschneidersche Lieferungs kontrakt auf Martin Eichler von An ritz über, der dadurch der bedeutendste Zittauer Leinwandhändler des 17. Jahrhunderts wurde. Noch erheblich größere Geltung aber erlangte sein in demselben Jahre geborener Sohu Johann Eichler von Auritz, den der Vater als noch nicht Elfjährigen zu seiner wissenschaftlichen und prak tischen Ausbildung nach Nürnberg sandte. Als diese abge schlossen war, kehrte Johann nach seiner Vaterstadt zurück und wurde hier einer der angesehensten, wohlhabenden und einflußreichsten Persönlichkeiten. U. a. wurde er auch als Sachwalter der gräflich Clam Gallas'schen Familie be stellt und mit den weitestgehenden Vollmachten versehen. Ein Verdienst um die Volkswirtschaft hat er sich insofern er worben, als er als erster die Vorteile des bargeldlosen Verkehrs erkannte und praktisch auswertete. Er bildet den Höhepunkt in den Beziehungen zwischen Zittau und Nürn berg. Sein Tod fällt in das Jahr 1671. Erhalten geblieben ist uns die ihm gewidmete Leichenpredigt und eine Menge anläßlich seines Ablebens verfaßter Trauerreden, von denen nicht weniger als 38 von Schülern des Zittauer Gymnasiums herrühren. Aus ihnen darf geschlossen werden, daß dieser Mann auch ein großer Wohltäter gewesen sein mntz. Aus seinem Namenszeichen I. E. V. A., das wir am Kanzelbeckel und an zwei anderen Stellen der Zittauer Kreuzkirche vorfinden, mag sich im Laufe der Zeit manche Fehldeutung ergeben haben. Ausführlicher kam der Vortragende noch auf Andreas Noack zu sprechen, der 1647 in Bautzen geboren war und 1672 nach Zittau übersiedelte. Er wurde der Begründer der Firma, die hier heute noch nach 255 Jahren unter der Be zeichnung C. H. N o a ck floriert. Wie rührig und vielseitig dieser Mann gewesen sein muß, geht daraus hervor, daß er sich in Zittau als Krämer, konzessionierter Spezerei- und Materialwarenhändler betätigte, dabei einen lebhaften Leinwandhandel betrieb und zuletzt auch noch als Steuer- und Grenzzolleinnehmer wirkte. Er starb 1701. In diesem Nahmen wurden auch vier Persönlichkeiten erwähnt, von denen gleichzeitig gut erhaltene Olbildntsse gezeigt werden konnten, au erster Stelle der 1551 in Nürn berg geborene Kaufmann Johann G u n d e l f i n g e r, der sich mit einer Tochter des damaligen Zittauer Sonnen- nnrts Kolo vermählte und das in der Frauenstraße Nr. 2 gelegene Haus bewohnte. Die letzte Ruhestätte des Ehe paares befindet sich auf dem Kreuzfriedhof; ihre Bilder sind im Renaissancestil gehalten. Es folgte Johann Daniel Böttcher (1678—1739), seines Zeichens ebenfalls Kauf herr, der Besitzer des Hauses innere Weberstratze 6, in dem sich heute das Kaffee Zinn befindet, war. Das im aus gehenden Barock gehaltene Bild zeigt uns einen ansehn lichen Patrizier; ebenso das des Kaufherrn Karl Fried rich Besser (1701—1761). Das Geschäft war von seinem Vater Christian Besser im Gebäude der „alten Post" in der Bautzner Straße gegründet worden. Die beiden letzten Herren ruhen auf dem Friedhof der Peter-Paulskirche. Zum Schlüsse erzählte der Vortragende noch erbau liche Dinge von dem schon damals üppig wuchernden Konkurrenzneid der Bautzener und der Zittauer, die sich andauernd gegenseitig des unlauteren Wettbewerbs beim Landesherrn bezichtigten. Dieser hatte es für gut befunden, seinen Lausitzer Untertanen den für sie so bequemen Nürn berger Handelsweg durch das Bühmerland zu sperren und sie aus den zeitraubenden und natürlich auch kostspieligeren Umweg über Leipzig zu verweisen. Diese Reibereien be zogen sich also nicht nur auf das geistig-literarische Gebiet. Der Redner verwies schließlich noch auf die ebenso dan kenswerte als dankbare Aufgabe, die zurzeit noch fehlende Geschichte des Zittauer Handels zu schreiben, der sich in der Zeit, da es noch keine Eisenbahnen gab, durch Ver mittelung der Nürnberger bis nach Italien und Spanien hinein höchster Blüte erfreute. Darüber, wie auch über die wissenschaftlichen und künstlerischen Beziehungen zwischen Zittau und Nürnberg soll in späteren Vorträgen berichtet werden. Der Vorsitzende, Herr Dr. Reinhard Müller, lieh dem Danke der Hörer für die fesselnden Ausführungen beredten Ausdruck. Er wies darauf hin, wie hoch die da maligen Reiseleistungen der Zittauer Kaufmannschaft an gesichts der unbequemen und unentwickelten Verkehrsver- hältntsse jener Zeit bewertet werden müssen. Bruno Reichard. Magister Caspar Dulichius Ein Hexenprozeß in Kamenz Mit Schrecken lesen wir in alten Schriften von dem Hexenwahnsinn des Mittelalters, uns Menschen eines auf geklärten Zeitalters ist es unerklärlich, wie man es fertig gebracht hat, völlig unschuldige Personen, denen kein Mensch Böses nachsagen konnte und die höchstens einen kleineren geistigen Fehler hatten, der sie heute im Höchst fälle ins Irrenhaus bringen würde, grausam zu Tode zu quälen und zu töten. Auch unser Kamenz darf den traurigen Ruf für sich in Anspruch nehmen, au diesem Hexenwahnsinn mitgewirkt zu habe». Dies geschah nicht etwa im „finstersten" Mittel alter, sondern erst einige Jahre nach dem 30 jährigen Kriege. Nicht irgend ein „Vettel", irgend eine Person üblen Rufes, wurde wegen Hexerei vor das Gericht ge zogen, es war der ehemalige Diakonus selbst, der dritte Geistliche unserer Kirche, der sich wegen Hexerei zu ver antworten hatte. Magister Caspar Dulichius stammte aus Mückenberg iu der heutigen Provinz Sachsen, er hatte in Leipzig und Wittenberg studiert und in der letztgenannten Stadt die Wurde eines Magisters, also eine gewisse Abschlußprüfung erlangt. Wahrscheinlich 1642 war er als Diakonus und wendischer Prediger nach Kamenz gekommen und hatte sich hier mit der Tochter des Ratsherrn Heinrich Seyfert ver mählt. Allein sein streitsüchtiger Charakter und seine leicht aufbrausende Natur ließen ihn bald mit seinen Vorgesetz ten, dem Rat und seinen Amtsbrüdern in Streit geraten. Dulichius beschimpfte und verdächtigte sie auf die übelste Weise, sodaß sich die Geschmähten, zu denen unter anderen auch seine beiden Amtsbrüder, der Primarius Egidius Rothe und der Archidiakonus Jakobus Spalteholz, gehör ten, veranlaßt fühlten, ihn wegen Verleumdung vor Ge richt zu verklagen. Aufs Rathaus vor den Stadtrichter ge laden, benahm sich Dulichius derart anmaßend, daß auch ! die beteiligten Gerichtsperfonen gegen ihn wegen Beleidi-