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Den Grundstein zur gegenwärtigen Kirche legte man im August 1708, dabei vermauerte man nebst üblichen Er innerungen eine mit folgenden Inschriften versehene Äupferplatte: „In und mit Jesu — dem Grundstein seiner Kirche — Esa XXVIII, 16— ward dieser erste Stein — zu — Neuen Kirche geleget — den 24. Augusti 1703 Hilff, Jesu, daß allhier dein Wort Dem Volke sey ein fruchtbar Thau! So Heist und bleibet dieser Ort Mit recht die große schöne Au! Siehe ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen köstlichen Eckstein, der wohl gegründet ist,- wer glaubet, der fleucht nicht." Der im Innern 27 Meter lange, 14 Meter breite und rund 11,8 Meter hohe Bau ging nach damaligen Verhält nissen schnell seiner Vollendung entgegen; am 18. Septbr. 1705 war Turmknaufaufsetzung, und am 18. Oktober des gleichen Jahres fand bereits unter entsprechenden Feier lichkeiten die Einweihung statt. Außer Acht der freiwillig geleisteten Handdienste betrugen die Kosten der Kirche 3247 Reichsthaler 8 Groschen llÜ-6 Pfennig — 1 Thaler - 24 Groschen, 1 Groschen - 12 Pfennige! Das Gebäude präsentiert sich als ein in der Längs achse nach Südvsten orientiertes, dreiseitig geschlossenes Schiff mit eng angefügtem Turm nach Westen. Letzterer besteht aus drei Teilen, dem nur nach Westen hervortreten den schlichten Unterbau, dem etwas zurücktretenden und daher dem Gesamtbau eine gewisse Zierlichkeit gebenden, mit je einem Pilaster an den Kanten bereicherten Ober bau und der etwas im Umrisse trockenen Haube darauf. 45 Meter beträgt die Höhe des im Charakter frauenhaft anmutenden, im guten Verhältnis zum Gesamtbau stehen den Turmes. Im Ganzen genommen, ist die Kirche seit ihrer Er bauung nicht besonders verändert worden, 1825 erstand das gutabgewogene, großzügig klassizistische Turmportal, seit 1899 mit einem 1,83 Meter hohen segnenden Christus nach Thorwaldsen, in einer Nische darüber, 1889—83 traten an stelle der Fensterbleizüge nüchterne eiserne Sprossen, ebenso 1867 für die hölzernen Zifferblätter weniger ausdrucks volle gläserne; 1898 führte man zu Seiten des Turmes neue Stiegenhäuser auf, und auch das unglückliche, weil zu große, überm „Christus" zu stehende Fenster brachte man an; und die letzte bedeutende, der Kirche nur zum Vorteile wie dem ganzen Orte zur Zierde gereichende Auf besserung, indem Turm wie Schiff mit elfenbeinfarbiger Ölfarbe gestrichen und die Dächer mit gegen 40 000 Stück Zeipauer Ziegeln gedeckt wurden, geschah im Sommer 1927. Die von der Pfarre ausgehende, zur Brauthalle, dem einzigen Anhängsel der Kirche führende und immer bei Hochzeiten frohbelebte Brauttreppe heraufschreitend, be suchen wir das Innere, das sich durch diese Tür auch dem Eintretenden am besten zunächst auftut. Es wirkt über raschend hoch, und der Betrachter tut gut, des besten Ein druckes wegen, auf einer der geschickt Hinterm Hochaltäre angebrachten Emporentreppen sich bis auf die erste Em pore, und da bis etwa unter die Orgeltribüne zu bemühen. Wie stattlich wirkt da trotz der drei Ränge Galerien der Hochaltar. In großzügig klassizistischen Formen steigen zwei schöne Säulen und Pilaster an der Rückwand empor, ein reiches mit Engelsköpfen belebtes Gebälk, nebst Seg mentbogen tragend, wie den kostbarsten Schatz das noch immer prächtige 5 Meter hohe, 2,10 breite Altargemälde „Christi Auferstehung" von Großschönaus größtem Sohne, dem Maler Johann Elias Zeißig — aus Liebe zur Heimat in der Fremde sich Eleazar Schenau nennen lassend — ge schaffen und 1787 trotz hoher und königlicher Angebote ge spendet. Eine unter ihm angebrachte Inschrift gibt die beste Er klärung: „Jesus im Gefühle der wiedererwachenden Lebens kraft, ist auferstanden und schwebt durch innere Gotteskraft, mit dankbarem Blicke zu seinem Vater gerichtet, unbemer- kend die Freude seiner staunenden Engel, und das Ent setzen der bestürzten Menschen, der Glorie des offenen Himmels entgegen. Mit stiller Bewunderung und voll von Anbetung und Liebe umgeben die Engel den Erstandenen. Die Wache ist vor Schrecken übereinander gestürzt, der ein zige Hauptmann entflieht mit Entsetzen. Adam und Eva, die ersten Sünder, schweben dem Erlöser mit dankbarem Entzücken entgegen, und in höhern Sphären erwarten ihn triumphierend die Seeligen der verflossenen Zeiten. Eine feierliche Stille, der Tagesanbruch eines glorreichen Mor gens, umgibt diese große Begebenheit." Nach Urteil des ersten sächsischen Kunstdenkmalpflegers, Cornelius Gurlitt-Dresden, ist das Bild „eine bedeutende Leistung der Zeit; der Mengsschen Schule entsprechend, ist zwar einem weichlichen äußerlichen Schönheitsideale gehul digt, vieles namentlich in den Nebenfiguren maniriert; in der Hauptfigur des Christus ist das Bild aber doch von entschiedener Wirkung." (Bau- und Kunstdenkmäler, Band: Zittau-Land.j Am 1. Juli 1787 wurde es enthüllt und ist seitdem zwei Mal, 1803 und 1873, einer Ausbesserung unterworfen wor den. Ihm zur Seite befindet sich ein Vorhang, der, alter Sitte gemäß, Karfreitags zur Verdeckung des Gemäldes dient. *j Über dem Bilde strahlt eine von Wolken umgebene Sonne mit dem Worte „JEHOVA", noch von vor 1787, hernieder. Zwischen den beiden Säulen, die ihrerseits an den Podesten die figürlichen Sinnbilder der vier Apostel: Mar kus - Löwe, Matthäus - Stier, Johannis - Engel, Lukas - Adler tragen, steht der mit einem großen derbförmigen Kreuzbilde von 1767, von hiesigen Einwohnern David Schiffner und Gottfried Kaulfersch gestiftet und mit der Be schriftung „Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam biß zum Tode, ja zum Tode am Kreuz — der am Kreuz ist meine Liebe", wie vier zinnernen, 1830 von der Groß- und Neuschönauer Jugend geschenkten Leuchtern besetzte Altar tisch, der als Rückwand und Verdeckung der Sakristeitttr ein barockes hübsch geschnitztes Gitter von 1787 mit In schrift: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von allen Sünden", trägt. Einen weiteren Schmuck des Innern bilden die an der ersten Empore rings herumlaufenden handwerksmäßig, aber flott von einem Großschönauer Mustermaler namens David Berndt um 1766 als eine Art Notstandsarbeit — da die Gemeinde für den etwas eigenwilligen, aber nicht unbegabten Berndt so halb auskommen mußte — ausge führten Tuschebilder in folgenden Szenen, am Altar be- ginnend: 1. Der schwebende Erdball von Wolken umhüllt. 2. Adam und Eva im Paradiese. 3. Kains Brudermord. 4. Die Sündflut. 5. Noahs Opfer. 6. Der Turmbau zu Babel. 7. Isaaks Verheißung. 8. Isaaks Opferung. 9. Isaak segnet seinen Sohn Jakob. 10. Jakobs Kampf mit Gott. 11. Josef und seine Brüder. 12. Moses mit den Gesetzestafeln. 13. Das Opfer in der Stiftshütte. *1 Ein Selbstbildnis des Künstlers wie noch einige andere Arbeiten findet der Interessierte im Großschönauer Krumbholzmuseum, außerdem ein Jugendbildnis im Zit tauer Stadtmuseum.