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An alle Botaniker der Oberlausitz richte ich daher die Bitte, zwecks weiterer Erklärungen mit mir Fühlung zu nehmen und sich an der genannten Arbeit zu beteiligen. An Hand eingehender Studien habe ich eine Liste der für die Oberlausitz besonders wichtigen und charakteristischen Pflanzen aufgestellt, die der ganzen Kartierungsarbeit als Grundlage dienen kann. Auf diese Weise ist endlich jeder Botaniker in die Lage versetzt, sein reiches Wissen über die Pflanzenstanöorte seines engeren Gebietes wissenschaft lich verwerten zu können zu einer großzügigen, ans Jahr zehnte hin angelegten Arbeit, die sich hier für die Ober lausitz als Grenzgebiet ganz besonders lohnend gestalten wird. Karl Mädler, Seifhennersdorf. Reste vorweltlicher Tiere in Zittau und Umgebung Einen recht dankenswerten zusammenfassenden Über blick über die bisher in der südlichen und östlichen Lausitz gefundenen Spuren einer untergegangenen vorgeschichtlichen Tierwelt gab Herr Studienrat Dr. Heincke in einem trefflichen Vortrag, den er am 9. Mai im Zittauer Ge- schichts- und Museumsverein hielt. Es erwies sich als besonders vorteilhaft, daß die Veranstaltung im Naturkundezimmer bezw. in dem vom Redner mit außer ordentlichem Sammlersleiß zusammengebrachten geologi schen Heimatmuseum stattfand, weil es dadurch ermöglicht wurde, die gehaltvollen Ausführungen des Vortrags durch zahlreiche Fundstücke zu belegen. Der Redner charakteri sierte einleitend die gegenwärtige und die beiden unmittel bar vorhergegangenen Perioden der Erdgeschichte. Hierbei ist bekanntlich ein wesentlich anderer zeitlicher Maßstab anzulegen, wie bei den Geschehnissen der Weltgeschichte. In der Tertiärzeit waren die Braunkohlenlager der Lausitz entstanden. Damals entsprach das Klima in unserer Gegend etwa dem der heutigen Mittelmeerländer. In der folgen den Periode, dem Diluvium, trat dann eine ganz erhebliche Abkühlung der Durchschnittstemperatur ein, die mit einer gewaltigen Zunahme der Niederschlagsmengen verbunden war und ganz Nordeurvpa unter einem ungeheuren Eis panzer begrub. Die Vergletscherung drang unbeschadet ge- lervntlicher Rückgänge während der sogenannten Inter glazialzeiten unaufhaltsam nach Süden vor. Das von ihr betroffene Gebiet ist noch heute an der Feuersteinzone er kennbar. Sie erreichte auch das Lausitzer Gebirge und ver wandelte es in eine eisumgürtete Insel, indem sie auch Durchbruchsstellen in das heutige Böhmen fand. Die Tal mulden von Jonsdorf, Oybin und Lückendorf sind damals bis zu einer Seehöhe von 500 Meter mit kompakten Eis massen ausgefüllt gewesen, die über dem Weichbild des heutigen Zittau eine Höhe von 250 bis 300 Meter erreicht haben. Es leuchtet ein, daß sich nach dem endlichen Zurück weichen der Gletschermassen in nördlicher Richtung im Zit tauer Talkessel riesige Schmelzwassermengen gebildet haben, deren Abfluß durch die den Kesselrand bildenden Höhenzüge zunächst-oerhmdert wurde. Aber selbst das härtere Gestein ivar der anhaltenden Einwirkung dieser Wassermassen ans die Dauer nicht gewachsen,' in unablässiger Arbeit bahnten sie sich einen Weg durch den starken Granitriegel, der hinter dem heutigen Hirschfelde den Abfluß versperrte. Im Laufe der Zeit hat der Fluß von dem Gebirge eine 130 Meter tiefe Schicht abgetragen und so das heutige Neißetal ge bildet. Das Geröll uud der Moränenschutt, den das Wasser mit sich führte, setzten sich allmählich an beiden Ufern wieder ab, woraus sich die Terrassenform des Geländes erklärt. Diese bodenzerstörende Wirkung des Wassers geht aber auch noch heute ihren Gang. Unter Zugrundelegung des Jahres durchschnitts der von der Neiße in der Gegenwart geleiste te,» Bodenabtragung läßt sich errechnen, daß sie zur Her beiführung der heutiger» Geländeverhältnisse einen Zeit raum von 400 000 Jahren gebraucht hat. In den Ablagerungsschichten zu beiden Seiten des Flusses sind auch zahlreiche Skelettreste einer ausgestorbe nen Tierwelt, die das Wasser von höher gelegenen Stellen zu Tale geschwemmt haben mag, liegen geblieben und von einer mehr oder weniger dichten Bodendecke überlagert worden. Mit der zunehmenden Besiedelung des Tales dürf ten im Laufe der Jahrtausende beträchtliche Mengen dieser Belegstücke nachträglich wieder bloßgelegt worden uud un beachtet verloren gegangen sein. Aber auch noch in unseren Tagen werden hochinteressante Funde mit Hacke und Schau fel ans Licht gefördert; wo allerdings die moderne Technik mit ihren großen Baggern Bodenbewegungen ausftthrt, sind die Funöaussichten wesentlich geringer. Die ergiebig sten Plätze sind Kies-, Sand- und Tongruben; auch ge legentlich der Erschließung neuer Baugründe wird dann und wann ein wertvoller Rest aus grauer Vorzeit zu Tage gebracht. Gauz besonders reich ist die Ausbeute bisher iu der Flur des Dorfes Pethau bei Zittau gewesen. Ein zusammenfassender Überblick über die gegenwärtig vorliegender» Belegstücke aus jener erdgeschichtlichsn Periode ergibt, daß sich das gleichzeitige Vorhandenseil» des Mensche»» in unserer Gegend bis jetzt nicht hat nach weisen lassen, dagegen ist bis jetzt die Feststellung von etwa zehn Säugetierarten, zum Teil in ihren Urformen, ge lungen. Auffallend ist es, daß es sich dabei fast ausschließ lich um Arte»» handelt, die sich von Pflanzenstoffen nähren. Wie aus der Menge der Fundstttcke hervorgeht, scheint das Wildpfcrd ganz besonders zahlreich gewesen zu sein. sMan vergleiche hierzu das Werk „Aus der Weltgeschichte des Tieres" von Wilhelm Bölsche!) Ei»» sehr schönes Stück ist z. B. in der Nähe des städtischer» Elektrizitätswerks ge sunden worden. Der Wildesel ist durch Zahnfunde bei Hainewalde nachgewiesen, Wildschweine und der Ur typ des Rehs rnüssen anch in großen Mengen vorhanden gewesen sein. Namentlich interessante Stücke hat das schon erwähnte Pethau geliefert: Edelhirsch, Bison oder Wi sent, vor allem aber das Rhinozeros in der Form des Wvllnashorns. Ein weiteres Belegstück für das letztere ist erst unlängst an der Jahnstraße in Zittau in 4 Meter Tiefe entdeckt worden; auch sonstige noch nicht genau be stimmte Knochenfunde von der Kasernen- bezw. Stephan- straße gehören wahrscheinlich dieser Gattung an. Überreste des Renntiers sind bei Bautzen angetroffen worden. Das Vorhandensein des Elchs konnte durch eine zwischen Sei- tendorf und T ü r ch a u erbeutete Geweihschaufel nachge wiesen werden. Vom Niesenhirsch sind Reste bei Nik risch gefunden worden. Anch von dem gewaltigsten Vierfüßler, dem Mammuth, haben sich mehrere Reste, wie ein Back zahn von Herrnhut, nachweisen lassen. Sogar ein Koprolith, der diesem Urdickhüutcr seinen Ursprung verdankt, ist vor handen. Weitere Knochenfunöe von der Karlstratze in Zit tau und aus Pethau, deren genaue Bestimmung noch nicht erfolgen konnte, gehören mit großer Wahrscheinlichkeit hierher. Ob ein iu der Weiuau bei Zittau gemachter Fund, wie vermutet wird, ein Skeletteil des Höhlenbären ist, be darf ebenfalls noch der genauen Feststellung. Aufgefundene diluviale Tierreste sind dem raschen Ver fall ausgesetzt, sobald sie mit der Luft in Berührung kom men. Sie können jedoch durch Behandlung mit kochendem Leim präpariert werden, wodurch sie noch eine begrenzte Haltbarkeit erlangen. Jeder in unserer Lausitz gemachte Fund von Skclettrcsten, der nach Maßgabe der Umstände einer ausgcstvrbcnen Tiergattung ans vorgeschichtlicher Zeit angehörerr könnte, sollte unverzüglich an Herrn Stu dienrat D r. Heincke oder an Herrn Dr. Reinhard M ü l - ler, die Leiter der beiden Zittauer Museen, gemeldet wer den, damit die letzten Zeugen einer versunkenen Welt den Zeitgenossen erhalten werden können. Denn sie gehören auch der Heimatgeschichte und der Heimatkunde an.