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ein Wort zu entgegnen. Es hätte wohl auch nichts genutzt. Speckbacher schrie mit schriller Stimme: „Ruhe, Ihr Leute! Packt öen Kerl samt dem Stuhle an und folgt mir!" Im Nu hoben kräftige Burschen den armen Juden mit dem Stuhle auf die Achseln und trugen ihr Opfer unter höhnischen Reden bis vor an die Schwanenmühle. Das Volk folgte in langsamem Zuge, denn auch von der Stadtseite her waren viele Zuschauer gekommen. Damals hatte die Spree noch keine Ufermauern. Dort, wo der Mühlgraben am tiefsten war, sollte der Jude ertränkt werden. Entsetzen bemächtigte sich der Leute, als Speckbacher, der einen lau gen Strick mitgebracht hatte, diesen so an öen Stuhl band, daß an jeder Ecke ein Ende war. Vier Burschen ergriffen die Stricke. Auf Kommando sollten sie den Stuhl samt dem Juden hinab ins Wasser lassen. Langsam sank der geäng stigte Mann in die Tiefe. Schon ging ihm das Wasser bis an öen Knebel. Da gebot Speckbacher: „Halt! Aufwärts!" Gehorsam zogen die wilden Burschen hoch. Schon at mete das Volk auf. Da gebot der Anführer wieder: „Runter!" So gings einige Male, bis Speckbacher schrie: „Jetzt über den Kopf!" Die Gesellen johlten vor Freude. Das Volk wich zu rück und mancher Fluch mag im Stillen gegen die grau samen Männer ausgestoßen worden sein. Tiefer und tie fer sank der Stuhl mit dem Unglücklichen. Angstvolle Rufe erschollen, als ihm das Wasser bis über öen Kopf ging. Schon glaubten alle, der Jude solle auf diese furchtbare Art ertränkt werden, da schrie Speckbacher: „Raus mit dem Kerl! Nun ist er getauft!" Der Stuhl wurde emporgezogen. „Bindet ihn ab!" gebot der Anführer. Rasch waren die Stricke gelöst. Erschöpft fiel der Jude vom Stuhle. Mitleidige Hände hoben ihn auf. Speckbacher rief: „So wird jeder bestraft, der keinen Zoll zahlt! Jetzt gebt ihm seinen Kram wieder. Das Geld bleibt hier!" Zwar murrten seine Gesellen, daß der Jude nicht ganz ersäuft worden war. Sie wagten aber keine offene Wider rede. Ein paar hilfsbereite Männer stützten den vom Was ser triefenden Juden und geleiteten ihn zur Töpferschänke. Sie packten die umherliegenden Sachen in sein Raff und hockten es dem Manne auf. Dieser wankte dann gegen Callenberg zu und floh das ungastliche Gebiet der Repu blik. Speckbachers Gewaltherrschaft sollte nun bald zu Ende gehen. Wegen eines Mädchens geriet er mit einem Neben buhler in Streit. Dieser brachte ihm einen gefährlichen Stich in den rechten Arm bei, sodaß derselbe für immer seine Kraft verlor. Nun war es auch mit seiner Macht über die Bande vorbei. Die wilden Gesellen gehorchten dem ge schwächten Anführer nicht mehr. Speckbacher ertrug diesen Schimpf nicht. Er verschwand eines Tages aus der Gegend und ward nicht mehr gesehen. Die Bande zerfiel und das Faustrecht, das die geängstigten Einwohner mehrere Jahre in Schrecken hielt, hörte wieder auf. Aus den Helmatvsreinen Vie vereinig»«« M Wmatir»ae HeichenvaÄ vr. u«a Umgebung tagte am Mittwoch, dem 25 April, im Hotel zur Sonne in einer Jahres-Hauptversammlung. Der Vorsitzende, Herr Ober lehrer i. R. Schöne (Löbau), eröffnete sie mit begrüßenden Worten und streifte Kurz im obgelaufenen Jahre die Veranstaltungen, die die Vereinigung ihren Mitgliedern aeboten hatte. Aus dem Jahres bericht, den der Schriftführer des Vereins, Herr Lehrer Titze, er stattete, sei erwähnt, daß 6 Borstandssitzungen und 4 Versammlungen stattgesunden haben, besucht von einer durchschnittlichen Besucherzahl von 35 Personen. Die Mitgltederzahl ist um 12 gestiegen, sodaß gegenwärtig dir Berrtnigung aus SO Mitgliedern besteht. Der Lusatia-Tagung in Pulsnitz und der Vertrctcroersammlung in Zittau Hst der Vorsitzende unserer Vereinigung als Vertreter beigewohnt; bei letzterer wurde beschlossen, daß 1928 die Tagung der Lusatia in Reichenbach OL., 1929 in Ncusalza-Spremberg und 1930 in Bautzen stattfindet. Dem im vorigen Jahre verstorbenen Mitglied« der Ver einigung, Herrn Lehrer Förster, widmete der Vorsitzende einen ehrenden Nachruf und erhebt sich zum Zeichen des Dankes die Ver sammlung von den Plätzen. Den Kassenbericht erstattete der Kassierer, Herr Dreßler. Die Einnahmen betrugen 645,68 M , die Aus gaben 543,40 M, sodaß ein Bestand von 102,26 M. verbleibt. In diesem Betrage sind 27 Anteilscheine L 5 M. vorhanden, welche friiher oder später zur Auslosung kommen müssen. Die Kaffe ist ordnungsmäßig gepiüst, für richtig besunden worden und wird dem Kassierer dankend Entlastung erteilt. Herr Etscnbahninspektor Mitschke unterbreitet der Versammlung sodann das Programm zu der Wonderveisammlung des Verbandes „Lusatia', welche am Sonntag, dem 13 Mat, in unserer Stabt tagt. Vormittags 8.13 Uhr sind Wanderungen von Bahnhof Zöblitz itoer den Rothstein und Sohland nach Reichenbach OL. vorgesehen. Die Führung hierzu übernehmen die Herren Lehrer Schmidt, Fabrikbesitzer Rabe und Lagerhalter Israel. Nach Eintreffen des Zuges um 11,48 Uhr in Reichenbach OL. sind Wanderungen vorgesehen in die nähere Umgebung (Waldsrieden, Töpseiberg, Besichtigung der Stadt und des Museums). An dieser Führung beteiligen sich die Herren Ober lehrer t. R Schöne, Friseur Richter, Buchhändler Otto, Schuh macher Thomas, Rangiermeister a. D. Niepel, Schlossermetster Kühn. Nachmittags 4 Uhr findet die Versammlung im Hotel zur Sonne statt. Hierzu ist ein reichhaltiges Programm vorgesehen unter Mitwirkung einheimischer Kräste. Geigensolt (Fil Feh Niger), Sologesänge (Frl. Güter bock), Vortrag des Herrn Rektor Hart mann (Görlitz) „Vom Wandern und Schauen in der Pflanzenwelt der Heimat", Konzert (Wagner-Kapelle, Görlitz), Ausführung der dramatisierten Szene „Der Bergkrach". Geschäftliche Mtiteilungen werben die Versammlung eröffnen. Beim Punkt „Verschiedenes" wählte man eine Kommission, bestehend aus 15 Herren, bte die Auf sicht des Museums übermhmen, das jetzt allsonntäalich von '/> 11 dis 12 Uhr sür das Publikum geöffnet ist. Am Töpferberge ge langt jetzt eine Rundstchttafel zur Aufstellung zwecks Orientierung in der näheren und weiteren Umgebung Der Vorsitzende gibt bekannt, daß seit Anfang dieses Jahres eine neue Zeitschrift der gesamten Lausitz, betitelt „Die Lausitzer Heimat", herausgegeben wird, deren Bcrlagsort Sommerfeld ist. Uoer „Geschichtliche Mitteilungen" aus der Siadt Reichenbach OL." gibt Herr Nicht einige Aufklärungen über das Dorf Ncusorge bei Reichenbach OL. Aus seinem Bericht entnehmen wir folgendes: Wenn man von Reichenbach die Gcrs- dorser Straße entlang geht, so kommt man an den Krtegerhäusern vorbei nach dem Waldsrieden. Bald an diesen anschließend hinter den heute bewaldeten ehemaligen Teichen liegt eine Fläche Land, auf dem das Dorf Neusorge in alter Zeit gestanden hat. jetzt den Grundstücken der Stadt Reichenbach zugetetlt und unter dem Namen Gemctndescheffel bekannt. Ein altes Schöppenbuch, das sich im Museum des Heimatoerelns befindet und für die Gemeinde Ober- Reichenbach und Ncusorge von Herrn von Warnsdorf auf Reichen bach im Jahre 1596 errichtet worden ist, schreibt, daß die Gemeinde Neusorge dos Hutungsrecht mit Ober-Reichenbach gemeinsam aus dem gntsherrschastlichcn Gelände haben soll. Die Besitzer der Neu sorge hatten auch gleich denen von Oder-Reichenbach tzosedtenste zu leisten. Bei Grundstückskäufcn sind die Ortsrichter und Schöppen beider Gemeinden unterschrieben. So wird von dec Neusorge der O'tsrichier Jakob Herrmann mehrmals genannt, besonders 1597 und 1602. In dem Schöppenbuch heißt es ausdrücklich, daß die ne« au-gesetzten Gärtner an der Gcrsdorfcr Grenze, die Neusorge ge nannt, alle Rechte und Bräuche gleichförmig halten sollen mit der Gemeinde Ober-Reichenbach und das Schöppenbuch gemeinsam ge. brauchen sollen. Auch die Lage einzelner Wirtschaften ist angegeben. So meldet ein Kaufvertrag von 1596 den ersten oberen Garten neu. erbaut an der oberen Gersdorfer Straße gelegen. 1602 wird der Garten bei den Teichen als Tetchhaus und der Besitzer Mathias Hübner als Teichwärter angesehen, der keine Hosedienstr tun brauchte, dos Gras aus den Teichdämmen als Nutzung hatte. Diese Teich wirtschaft wurde 1602 für 213 Görlttzer Mark verkauft. Auch der Verkauf eines kleinen Hauses für 8 Görlitzcr Mark von 1592 ist im Schöppenbuch, das erst 1596 errichtet wurde, nachgetragen. Die Kaussumme für die Wirtschaften der Ncusorge betrugen von 70 dis einschließlich 200 Görlitzer Mark, was einer Größe von 10 bis 30 Morgen pro Wirtschaft entspricht. Bei allen Käufen war Ab zahlung bis zu endlicher Bezahlung nach Besage der Kerbhölzer, wie es ausdrücklich im Schöppenbuch heißt. Die Nachrichten über die Ortschaft Neusorge reichen bis zum 16. Juni 1630 und find im