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Nr. 10 GbsrlauMsr Helmatzeltung M Stark verwehrt war der Zugang zu der oberen Burg. Durch ihre starke Mantelmauer führten drei enge Pfor ten, deren jede recht leicht von einem einzigen Gehar nischten verteidigt werden konnte. Im Schutze dieser starken Zwingmauer lag der Bergfried, an seinem Fuße die kleine Burgkapelle. Hierher rettete in Zeiten der ärgsten Not der Burgherr, was ihm lieb und teuer war. Der tiefe Burg brunnen spendete den Eingeschlossenen frisches Ouellwasser. An eisenrasselnder Kette zog man es mittelst einer Winde aus der eiskalten Tiefe herauf. Eine spätere Zeit hat sei nen Schacht mit Felstrümmern gefüllt. Im großen Ahnensaale, dessen bildreicher Putz heute samt und sonders abgefallen ist, tafelten die Umschlossenen. Wie oft mag Bruder Schmalhans bei ihnen Gast gewesen sein? In der Burgkapelle beteten sie um den notwendigen Ersatz. Von der Höhe des Bergfriedes aus und von den ausgebauten Felsenbalkonen schweifte der Blick der Ein geschlossenen weit über Berg und Tal. Tief unten lag die freundliche Stadt Greiffenberg mit ihren spitzen Türmen und roten Ziegeldächern. Nach der Welkersdorfer Seite drohte die feindliche Talkenburg, ein arges Raubnest. Süd östlich trat in weiter Ferne das Riesengebtrge aus dem Hegerauch der Ferne empor. Bei gutem Wetter erkannte man zwischen dem Kaiserswalder Buchberge und den Bibersteinen den Kynast, mit dessen freundschaftlicher Be satzung man sich durch leuchtende Feuerzeichen verständigen konnte. Weiterhin ragten die Mittagsteine, die Sturm haube und die Schneekoppe, das hohe Rad und die Schnee gruben in den klaren Sommer- und Herbsthtmmel hinein. Im Vordergründe lag das freundliche Rabishau. Hinter ihm baute sich der Kemnitzkamm mit seinen immergrünen Wäldern auf. Rechts von ihm grüßten die Jserberge: das Kesselschloß, das Heufuder und die Tafelfichte. Nach Nord westen reichte der Blick bis zu den Jauernicker Bergen, den Höhen bei Zittau und Löbau. Die Görlitzer Landeskrone bildete den Schlußpunkt dieses gigantischen Berggemäldes. Kein Geringerer als Theodor Körner, „der Sänger der Befreiungskriege", hat der Aussicht vom Greiffenstein ein klingendes Denkmal gesetzt. „Auf dem Greiffenstein" Staunend tret ich heraus auf den Söller, das trunkene Auge Schwelgt unentschlossen umher. Schwer ist die glückliche Wahl! Soll es nach Westen hinauf in die dämmernden Berge tauchen? Soll es der spiegelnden Flut folgen in schlängelndem Lauf? Oder verwegen sich dort zu den flatternden Raben gesellen, Um das verfallene Schloß magische Kreise ziehn? Alles auf einmal, so wär es dir recht, ungenügsames Auge! Alles auf einmal, ein Blick über die ganze Natur, Rückwärts tief in den Wald, vorwärts zur Feste hinüber, Dort zu den dämmernden Höhen, hier in die Fluten hinab; Dann zum Himmel hinauf und zu euch, ihr ergötzlichen Wolken, Wie eure Nebelgestalt keck und verwegen sich baut: So mit dem einzigen Zug den Nektar der Freude zu schlürfen, So mit dem einzigen Blick, Erde, dein blühendes Reich Klar in des spiegelnden Auges entzückten Kristall zu ver weben, Leben und Frühling und Licht, all in die Seele getaucht! Urkundlich wird der Greiffenstein das erste Mal 1243 erwähnt. Am 80. September des genannten Jahres er teilte Herzog Boleslaw Ser Lange wegen der seinem Vater geleisteten Dienste dem Ritter Siboto Schoss, Kastellan von Kemnitz und dessen Nachkommen volle Freiheit von Geschoß, Steuer und Htlfsgeld bezüglich seiner Güter auf sieben Huben bei jenem Schlosse. Dieses selbst erhielt er als unbeschränktes Eigentum. Unter den unterschriebenen Zeu gen befindet sich Graf Stanislaus, der Kastellan vom Greif fenstein. Nach dem Tode der Herzogin Agnes von Schweid nitz-Jauer fielen die Erbfürstentümer nach einer früheren Vereinbarung an Wenzel von Böhmen. Unter ihm kam die schon vorher verpfändete Herrschaft Greiffenstein an einen Herrn Benesch von Chottinitz. Der Pfandpreis be trug 900 Schock gute Groschen. Der neue Nutznießer über ließ die Burg schon vier Jahre später dem Schoss, dem zweiten Gosch, als Besitz. Diese Abtretung billigte König Wenzel von Böhmen im Jahre 1400 am Sonntag Cantate durch eine versiegelte Urkunde. In ihr heißt es: „In An sehung des Gotsche Schoss getreuen und angenehmen Diennte, die er ihm oft und dicke williglich getan, täglich tut, und obengenannten Söhne in künftigen Zeiten wohl tun mögen und sollen." — Die neuen Besitzer von Greiffen berg waren Schützer der alten Handelsstraßen zwischen Böhmen, Schlesien und der Lausitz. Nur in einer grimmen Fehde mit der Stadt Görlitz „soll Gotsche Schoss viel Schaden auf den Straßen getan haben." Er mußte später auf einem Landtage schwören, „Land und Städten die Straße nicht mehr zu hindern." 1511 kamen die Herrschaften Kynast und Greiffenstein in seine Hand. 1634—1641, nach dem in das Geschick Wal lensteins verknüpften Ullrich von Schaffgotsch, der in Regensburg auf kaiserlichen Befehl hingerichtet wurde, kam Greiffenstein wieder an die alteingesessene Familie zurück. Im 30 jährigen Kriege wurde sie mehrmals (unter Stahlhans) umlagert. Fielen auch bei einer späteren Be lagerung unter dem schwedischen Generalissimus Tvrsten- son die östlichen Mauerzüge in die Hände der umlagernden Feinde, so mußten doch die Belagerer unverrichteter Sache abziehen. In den schlesischen Kriegen besetzen kaiserliche Husaren die Burg. 1745, nach der Schlacht bei Kollin, finden wir die preußischen Gegner hier. Im bayrischen Erbfolgskriegs (1778—1779) hallte das letzte Mal wilder Waffenlärm um den Greiffenstein. Dann zerfiel der alte Recke. Er, den oft mals der Blitz getroffen, den Feuerflammen umloht und zu dem die feindlichen Geschütze und Kartaunen ihre ver- I derblichen Kugelgrüße emporgeschickt hatten, wurde sich selbst und dem Zahn der Zeit überlassen. Aus seinen Stein mauern und Bauten brachen geschäftige Hände brauchbare Mauersteine zum Bau der umliegenden Häuser. Erst später setzte die öffentliche Meinung der Zerstörung ein Ziel. Noch heute aber wandelt Frau Sage um die halb zer fallenen Burgtrümmer. Was weiß sie alles zu erzählen? Hier soll ein unterirdischer Gang von der Grafengruft aus nach Friedeberg gegangen sein. Ihn benutzte in Zeiten schlimmster Not die Besatzung zum Abzüge. Dort zeigt man noch die Stelle, an der einst im tiefen Burgverließ die Ge fangenen verhungerten. Das Wunder von Greiffenstein war ein beweglicher Schornstein, dessen Konstruktion man bis heutigen Tages nicht ergründet hat. Einst soll über dem hohen Burgtore das Wappen derer vom Greiffenstein: „ein grimmer Greif", mit stahlbewehrten Krallen in Stein gehauen, zn sehen gewesen sein. Es ist zerfallen, wie das Tor selbst und seine Manern, die es abwehrend abschloh. Klagend wandelt die weiße Fran des Greiffensteins um die verfallenen Trümmer. Sie soll die bildschöne Tochter eines ehemaligen Burgvesitzers gewesen sein. Da sie, treu ihrem Geliebten, nicht den alternden Freier heiraten wollte, den ihr der Vater bestimmt, wanderte sie mit ihrem Herz allerliebsten ins Gefängnis, in dem sie gestorben. Das alte Lied und das alte Leid! Heute steht die alte Burg einsam und zerfallen auf steiler Bergeshöhe. „Heute steht sie, einsam, öde? Halb zerstört vom Zahn der Zeit; Nur Ruinen zwischen Zweigen Sind wehmütig stumme Zeugen Bon der alten Herrlichkeit!" " Plüschke, Lanka«.