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Geylittenfayrt Kling — Kling, klingling! Nacht und Schnee — Weiße Erde, schwarzer Wald l Alles still, nur aus dem Tale Glocksnschlag der Turmuhr hallt. Kling — Kling, klingling! Husgetrappel — And das Knarrn der Ledersträngs! Dauhrsif an dem Bart des Kutschers, Dauhreis an dem Pelzgehängs. Kutscher aus dem Dock gähnt müde. Wäre er doch erst zu Hause — And jein „Los doch- klingt stupide. Kling, Kling, klingling Vor mir immer! Anter mir dis Kussn knallen. Hinter mir der Straße Daums In das graue Dunkel sollen! Wald zur Liechten, Wald zur Linken — Keuchend schleppen sich die Pferde. Aus dem schwarzen Himmel blinken Sterne aus dis kalte Erde. Fest in Decken singehüllst, Din ich ganz der Fahrt ergeben. Gleicht nicht unser ganzes Leben Einer solchen Fahrt? Kling - kling — kling Als Sehnsucht süße — Stummer Kutscher aus dem Dock, And mich selbst friert an dis Füße, Eingehüllt im Zottsnrock! Ernst Nerlich. Eine winterliche Neißtalfahrt Eisenbahnfahrten können hohe landschaftliche Reize HMIk erschließen. Unsere heimatliche Oberlausitz darf sich freilich in dieser Beziehung mit anderen Gegenden unseres deutschen Vaterlandes nicht messen. Infolge ihrer Oberflächengestaltung als ausgedehnte Granitplatte mit zumeist flachen Talwannen zwischen langgestreckten Bergketten und Einzelbergen, haben sich kühne Eisenbahnbauten an gähnenden Abgründen hin und Bergdurchstiche mittels kostspieliger Tunnel, bauten hier nirgends notwendig gemacht. Und doch sind unsere oberlausitzer Bahnstrecken durchaus nicht reizlos. Gar anmuts volle Landschaftsbilder bieten sich auf den Linien südlich von Bischofswerda, Bautzen, Löbau und Görlitz von den Fenstern unseres Abteils aus, Ausblicke auf walogrüne Talspalten und reichbeoölkerte, stundenlange Täler und schöngeformte wechsel volle Berge und Bergzüge. Unter den landschaftlich besonders anziehenden oberlausitzer Eisenbahnstrecken steht zweifellos an erster Stelle die Neitztalbahn Zittau —Görlitz. Ihr mittlerer Teil zwischen Hirschfelde und Ostritz, in dem sie sich in dem tiesausgegrabenen, wald» und felsenumschlossenen Durchbruchs tal des Flußes einen Weg gesucht Hal, ist sicher ein Glanzstück in der Reihe wirkungsvoller heimatlicher Etsenbahnausblicke. Eine Stunde währt die Fahrt von Zittau bis Görlitz, davon entfallen 20 Minute» auf den Streckenieil Hirschfelde—Marien- thal, dem „Ncißtal" im engeren Sinne des Wortes, der an landschaftlichen Reizen von keinem lausitzer Flußdurchbruch übertroffen wird. . . . Ein schneereicher Sonntagmorgen des vorjährigen Spät winters ists, als wir Zittau verlassen. Unter dichter Schnee- decke liegt das Zittauer Gartenland, das die schöne Stadt sonst wie ein grüner Teppich umgibt. Wir haben auf der linken Seite unseres Abteils Platz genommen, denn hier dürfen wir auf die genußreichste Aussicht hoffen. Bon westlicher Anhöhe grüßen die stattlichen Güter von Eckartsberg, und dann gehts hinaus in das große „Zittauer Talbecken", wo sich der Blick weitet und, soweit es der feine Nebeldunst des Wintermorgens j zuläßt, an den kleinen Häuserzeilen der seitwärts auf flacher Höhe gelegenen Ortschaften Radgendorf und Wittgendorf hinläuft. Hirschfelde, der altlausitzer Marktflecken und Ort hoch bedeutsamer neuzeitlicher Fabrikanlagen, ist erreicht, und wir biegen nunmehr ein in das steile granitische Engtal, das sich einst der Fluß in mühevoller Arbeit in den festen Granitgrund gemacht hat. Am westlichen Talelngange klettern die dem Orte Rosenthal zugehörigen anziehenden Fachwerkhäuschen mit ihrem „Andreaskreuzgebälk" an dem jähen Hange empor, heute alle weiß verbrämt mit frischem Schnee — ein entzückender Anblick. Nach kurzem Aufenthalt an dem kleinen Haltepunkte Rohnau gehts eigentlich erst so recht hinein in das Bereich winterlichen Schönhcitszaubers, die Waldhänge prangen hier im reinsten Streuschnee. Wir überschreiten die Neiße zweimal bei Haltestelle Rosenthal, wo mir diesmal nicht hallen, und bleiben fortan dauernd am rechten Uferabhange. Eine tiefe, feierliche Ruhe liegt über dem Tale zu unseren Füßen. Unser Auge hängt an den westlichen Steilhängen, die von den Fels- gruppen des „Gemsensteincs" und „Heidelbeersteines" überragt werden und heute in ihrem Schneemantel stattlicher denn je erscheinen. Den Winterwald in seiner ganzen unvergleichlichen Schönheit zeigen uns die jenseitigen Waldabhänge, die in wechselnden Bildern an uns vorüber gleiten. Dabei umweht es uns wie ein milder Hauch des Vorfrühlings, wenn unser Blick die grünlichgelben Kätzchen der Haseln und Erlen streift, die am Bahnkörper unter der Schneelast hervor blinzeln. Und durch diese weißleuchtende Pracht zieht tief unten das stahl graue Gewässer des Flusses, in solchem Gewände den wirkungs vollsten Gegensatz zu den weißen Uferbändern des Talgrundes bildend. Ebenso scharf umgrenzt erscheinen auch die kleinen Hellen Flußinseln. Nachdem die verlassene „Neißtalbaude" unfern Blicken entschwunden ist, enteilen wir in tiefem Ein schnitte für eine Zeit dem Tal und erreichen die Haltestelle Marienthal. Bald biegen wir aber wieder in das nunmehr bedeutend verbreiterte und verflachte Flußtal ein, wir kommen an Klosterfreiheit und Altstadt vorüber und halten in dem ge- werbefleitzigen Ostritz. Bei Klosterfreiheit ist uns übrigens noch ein fesselnder Blick auf Turm und Klostergebäude des Nonnenstiftes Sankt Marienthal vergönnt. In stattlicher Höhe erheben sich hinter dem Städtchen die breiten Rücken des alten und neuen Hutberges. Dasselbe gilt auch noch von dem Leubaer Hoseberge, der darauf sichtbar wird. Dann verflachen sich die Uferhöhen Immer mehr. Wir sind in die „Radmeritzer Talwanne" eingetreten, berühren den großen Bahnhof Nikrisch und später die Haltestellen Deutschossig und Leschwitz. Im gleichmäßigen Weiß dehnt sich das Gefilde zu beiden Seiten unseres Schienenweges, die Granit- und Basaltgipfel der Iauernicker Berge und der Landeskrone verschwinden in dem Dunst des feuchten Wintertages. Bald erscheinen die ersten Vorposten von Görlitz, über uns schlägt die Teufelsbrücke ihren Bogen, ein kleiner Untersührungstunnel umfängt uns für kurze Zeit und wir fahren ein in die große Bahnhofshalle der Stadt Görlitz. Unsere winterlicke Fahrt durch das Neißtal hat ihr Ende erreicht, eine kurze Spanne Zeit, aber reich, ja überreich an unvergeßlichen Bildern heimatlicher Winterschönhe t. O. Schöne. der Gberlausitzer Heimatzsitung bei freier Zu- 2—T stellung durch dis Post und den Buchhandel für das erste Vierteljahr 2.25 Goldmark (zuzügl. Duchhändlerzuschlag). Zahlungen können aus das Postscheckkonto Amt Leipzig Nr. 275.34 srsolgsn. — Bezug ist nur in vierteljährlichen Zeiträumen zulässig. Bei Nichtabbsstellung spätestens 14 Tage vor Beginn eines neuen Vierteljahres laust das Abonnement weiter. Nnz-ig-nb-r-chnung-AL« nach Pstitzsilen und beträgt der Preis sür eine solche in einspaltiger Breits (45 mm) 25 Goldpfg., Äsklamezeils (SO mm) 75 Goldpfg., unter Büchermarkt (in gleicher Breits) 20 Goldpfg. Druck und Verlag Alwin Mar», Buchdruckers! und Seitungsverlag G. m. b. H. in Äsichsaau, Sa.