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seinen Grundsätzen schöne Rippe bilden, so könnte es leicht möglich sein, daß die entstehende Glocke eine musikalische Mißgeburt würde. In dieser Beziehung dürfen nur musi kalische Rücksichten gelten; denn es ist immer zu bedenken, daß die Glocke säst zu jeder Zeit von allen gehört, dagegen nur selten, von wenigen gesehen wird. Außerdem läßt die Technik der Glockengießerei auch nicht jede beliebig ge formte Rippe zu. So werden der Plastik bestimmte Grenzen gesetzt durch musikalische und gußtechnische Rücksichten. Dasselbe gilt vom Bildnis- und Schriftschmuck. Erhöhte und vertiefte Verzierungen aller Art, die am Glockenkranz oder am Untersatz angebracht sind, beein flussen die Klangreinheit gleichfalls ungünstig. Dasselbe gilt von Verzierungen am Obersatz, wenn sie etwas massig gehalten sind. Am Hals ist ihr Einfluß ganz bedeutend ge ringer. Nicht zu massige Verzierungen, an dieser Stelle an gebracht, sind ohne Einfluß auf die Akustik. Die Platte kann ohne merklichen musikalischen Nachteil mit allem mög lichen in Betracht kommenden Schmuck versehen werden. Es sei auch darauf hingewiescn, daß die Krone und vor allem der Helm sich recht wohl zur Anbringung von Ver zierungen aller Art eignen. Will man die hier angegebenen Gesichtspunkte nicht beachten, so muß wohl oder übel auf die größtmögliche Klangschönheit verzichtet werden; das heißt dann jedoch, den Hauptzweck der Glocke außer acht lassen und den Nebenzweck in den Vordergrund rücken. Schriftschmuck wird am günstigsten in einem ge schlossenen Bande an den bezeichneten Stellen rings um die Glocke gelegt. Hierdurch wird eine für gute Akustik wichtige gleichmäßige Verteilung der Lasten bewirkt. Die große Zahl alter Glockeninschriften gibt uns einen deutlichen Hinweis, welche Anforderungen an ihren Inhalt zu stellen sind. An Inschriften, die immer wiederkehren, verblaßt das Interesse. Bieten sie Bibelsprüche, Dichter worte usw., die jedem bekannt sind, so vermögen sie gleich falls nichts besonderes zu sagen. Dagegen ist ein kerniges, weniger bekanntes Bibel- oder Dichterwort recht wohl an gebracht, zumal wenn es auf die Zeitoerhältnisse Beziehung hat oder einen Einblick darein gewährt, was die Herzen der Gemeinde ganz besonders bewegt. Bon besonderem heimatlichen Werte für später sind die jenigen Inschriften, die wirklich etwas von heutigen Ver hältnissen zu sagen wissen. Ob dies nun in Form eines Gebetes, eines Ausrufs, einer bloßen Mitteilung in ge bundener oder ungebundener Rede zum Ausdruck gebracht wird, ist mehr nebensächlicher Natur. Jedoch kann auch die Form eine persönliche Note tragen. Es ist kein Grund vor handen, warum Inschriften nicht im Dialekt der Gemeinde erfolgen sollen. Ohne öder Reimerei und holperigen Knüttel versen das Wort zu reden, märe doch zu wünschen, daß Heimatdichter bei Entwerfung von Glockeninschristen mit zu Rate gezogen werden, jedoch nur von ihrer Gemeinde oder einem nur wenig erweiterten Kreise; andernfalls würde das Persönliche sofort verloren gehen. Dagegen hat der Name des Dichters keine Erwähnung zu finden. Außer Gießer und Stifter sollte überhaupt niemand genannt sein. Wir wurden einmal gefragt, ob man die Namen der ge fallenen Helden nicht auf der Glocke verewigen solle. Da hierdurch der Heimatwert der Glocke nicht gehoben wird, da außerdem viel sinnigere Heldenehrungen möglich sind, raten wir im allgemeinen davon ab. Daß die Inschrift durchweg deutsch sein muß, versteht sich von selbst. Sollte aber doch vereinzelt lateinische Sprache oder Schrift gewühlt werden, mag auch dies ausnahmsweise zugelassen werden, damit die Zukunft erkenne, daß es zu einer Zeit, wo es sich um Sein oder Nichtsein des Deutsch tums handelt, doch noch Männer gibt, die dies nicht begriffen haben. Auch das ist eine „persönliche Note". Am wenigsten wird man bei Wahl einer Inschrift Miß- griffe begehen, wenn die maßgebenden Stellen folgende Er wägung anstellen: Wir wollen etwas sagen, was dem Mit teilungstrieb unserer Gemeindeglieder entspricht, was zu- gleich aber auch den Nachkommen nach 50 Jahren so gut wie nach 300 heimatlich wertvoll ist. Bei Wahl der Schriftform ist zunächst darauf Rücksicht zu nehmen, daß jede Schrift auf der Glocke im Laufe der Zeit an Deutlichkeit einbüßt. Deshalb sollen von Anfang an klar leserliche Schristzeichen Verwendung finden. Die Schrift entspreche der Wucht der Glockenform; dement sprechend muß sie auf kleinen Glocken zierlicher sein als auf großen. Bildschmuck wird in den meisten Fällen Begebenheiten aus dcm Neuen Testament behandeln. Es muß darauf hin gewiesen werden, daß auch in dieser Beziehung Heimat werte geschaffen werden können. Die Glocke steht ja'mit dem heimatlichen Leben in so vielfacher Beziehung. Von der Wiege bis zum Grabe begleitet sie den einzelnen Menschen. An den größten Freuden und tiefsten Leiden der ganzen Gemeinde nimmt sie mit ihrem Klange teil. Es ist durchaus keine Entheiligung, wenn irgendwelche wichtigen Erlebnisse auf ihr im Bilde festgehalten werden. Hiermit treten wir durchaus nicht für Schlachtenbilder, Feldherrnköpfe usw. ein. Wir führten schon an anderer Stelle aus, daß der den Acker bestellende Landmann, Kirchgänger, Ansichten des Gottes hauses in bildlicher Darstellung auf der Glocke sich wohl zu solchem Schmuck eignen können. Auch in dieser Be ziehung muß jede Gemeinde reiflich erwägen, was sie als das Wertvollste des Mitteilungswerten erachtet. — Wo sich um alte Glocken Sagen ranken, da sind sie dem Volke besonders eng verbunden. Der Verlust solcher Glocken ist ganz besonders schmerzlich; denn mit ihnen geht zugleich ein Stück echten Volkstums verloren. Gegenwärtig liegen nun die Verhältnisse so, daß die meisten Gemeinden wenig stens im Besitze einer Bronzeglocke sind. Ist nicht genügend Geld vorhanden, um das Geläute durch weitere Bronze glocken zu vervollständigen, so verkauft leider manche Ge meinde die einzige Bronzeglocke, um sich ein Gußstahlgeläute anzuschaffen. Leider wird hierbei nicht bedacht, welche großen ethischen und volkstümlichen Werte hiermit geopfert werden. Deshalb muß ich, wie in letzter Zeit schon so ost, auch hier wieder betonen, daß eine Bronzeglocke im Guß stahlgeläute recht wohl zu verwenden ist; Voraus setzung ist nur, daß dieses Geläute nach den Angaben eines Sachverständigen zusammengestellt wird; denn allgemeine Regeln über die Zusammensetzung eines derartigen Geläutes können nicht gegeben werden. — Sind sich die Gemeinden des hohen Heimatwertes des Geläutes bewußt, dann ist die beste Grundlage dafür gegeben, daß unser zerrüttetes Glockenwesen einen Aufschwung erfährt, die Landschaft belebt und Sinn für das Heimatliche weckt. Smnspruch Bleibe Kind an Herzcnsreinhcit, Bleibe Jüngling im Genießen, Und sei Mann in kräst'gem Handeln, Aber weise wie der Greis. H-rm-nn ANmer,.