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vpnooken Sonntag- den 23. Juli (Heuert) 1922 Nr. 15 Unb?r-eck>riytei- NacNKi-ucB Grschei'ni allen 14 ILaqe Lr-eiVagL? E 3. Jahrgang EEI! Blatter für L?elmatkunöe Scchristlettung unö Geschäftsstelle irt Reichenau, Sa. Fernsprecher Nr. 21S Gefcf)icl)te/ ^Ku nffMeratur' Druck" u. Verlag.Älwin Marx (Inh. Otto Marz-) Sü-lausüzer Nachriciften, Reichenau^Sa. 20 k4srk beträgt der Bezugspreis der (Dber- lauslher Hsimat-Aeitung für das 3. Vierteljahr 1922. Wir bitten, uns diesen Betrag aus beiliegen der AalMarte umgehend zu überweisen. Bei Mahnung wird Porto berechnet. Geschäftsstelle der „Gberlausitzer Heimat-Aeitung", (Reichenau- Sa. Heimatwert der Geläute Bon Ernst Petzold, Oberlehrer an der staatlichen Bau- und Tiefbauschule zu Zittau der Enteignung der Glocken bringt die All- gemeinheit dem Glockenwesen erhöhtes Interesse entgegen. So wiederholt sich die alte Erfahrung, daß der Wert einer Sache erst dann richtig ein- geschätzt wird, wenn die Sache selbst verloren oder vernichtet ist. Eine Abendlandschaft ohne den Reiz eines klangvollen Geläutes, ein Sonntagsmorgen ohne den jubelnden Glocken chor sind Armseligkeiten. Heimat und Landschaft sind mit dem Glockenklang aufs innigste verbunden. Kein Wunder, daß die Gemeinden bestrebt sind, das durch die Glocken- beschlagnahme klanglich verarmte Landschaftsbild möglichst bald wieder zu ergänzen. Wer es ermöglichen kann, kauft das abgelieferte Geläut zurück, andere suchen sich die er forderlichen Bconzemengen zu sichern. Wo es die Mittel nicht anders gestatten, schafft man Gußstahlglocken an, um der Landschaft den Reiz eines wohlklingenden Geläutes wieder zu verleihen. Es ist hier nicht der Ort, eingehende Erörterungen darüber anzustellen, ob Stahl als Glockengut ein vollwertiger Ersatz für Bronze ist. Trotzdem wollen wir nicht unterlassen, zu betonen, daß die den Stahlglocken nachgesagten Mängel zu einem guten Teil garnicht bestehen. Wenn die Beurteilungen auf nicht genügender Sachkenntnis oder auf Vorurteilen fußen oder wenn sie von einseitigem Standpunkte aus er folgen, dann ist es nicht zu verwundern, daß Vorzüge über setzen, kleine Mängel verschlimmert werden. Treten die Gemeinden der Frage der Glockenbeschaffung näher, dann muß alles, was zu bedenken ist, schon Möglichst restlos durchdacht sein. Was für die Allgemeinheit geschaffen wird — wer wollte sich dem Glockenklang entziehen? — darf, ja muß von ihr mit beraten werden, zumal wenn es solch große Heimatwerte in sich birgt, wie dies bei jedem Geläute der Fall ist. Leider ist man sich hierüber nie so recht klar geworden. Wurde doch bisher noch garnicht festgestellt, worin diese Heimatwerte überhaupt bestehen. Hat man sie aber erst einmal erkannt, dann sind für Neubeschaffungen schon wichtige Fingerzeige gegeben. Alle dem Gebrauche dienenden Dinge und Einrichtungen sollen einen bestimmten Zweck erfüllen. Infolge der Be strebungen des Heimatschußes wurde erst erkannt, daß der höchste Grad der Schönheit nie erreicht werden kann, wenn die zu ihrer Erzielung getroffenen Maßnahmen die Zweckmäßigkeit beeinträchtigen Diese Erkenntnis ist von grundsätzlicher Bedeutung auch für die Beurteilung des künstlerischen Wertes der Geläute. Van hier müssen auch unsere Betrachtungen ausgehen. Jedes Geläute besteht aus mehreren Glocken, die sowohl in ihrer Gesamtheit, als auch jede einzelne für sich die Aus- gäbe haben, gehört zu werden. Die Eiuzelglocke läßt deut lich einen unveränderlichen Hauptton erklingen, der eine Anzahl Nebentöne durch seine besondere Stärke in den Hintergrund drängt. Mehrere verschiedene Töne in mannig facher zeitlicher Folge machen das Wesen der Musik aus; mithin hat das Geläute, das ja diese Merkmale besitzt, einen musikalischen Zweck. Die einzelne Glocke steht zu dem ganzen Geläute in demselben Verhältnis wie ein Ton zu einem Tonsystem oder wie eine einzelne Taste zur ge samten Klaviatur. Sie dient der (Glocken-)Musik, kann für sich allein aber ebenso wenig solche heroorbringen, wie dies mit irgend einem anderen einzigen Tone möglich ist. Die ersten Glocken, die in der Kirche Verwendung fanden, hatten nur diese eine, soeben beschriebene Aufgabe zu erfüllen. Mit der Zeit weitete sich der Wirkungsbereich: Schlimme Welter vertreiben, Seuchen sernhalten, vor Mißernte und Teuerung bewahren sollte der Glockenklang. Eine große