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der Feldherr Belisar, der im Osten und Westen, gegen Perser und Germanen den Sieg an seines Kaisers Fahnen fesselte. — Große Charaktere hat dies Römcrreich nun einmal nicht aufzu weisen, und so finden wir selbst an Belisar neben glänzenden Eigenschaften des Geistes wie des Charakters dunkle Schatten, von denen allerdings kaum einer seiner römischen Zeitgenossen frei ist. Sein Hauptfehler war eine unwürdige Schwäche für seine treu lose Gattin Antonina, die ergebene Freundin Theodoras. Ferner wird man ihm den Borwurf willkürlicher Bereicherung kaum er sparen können, ebenso wenig wie den der Treulosigkeit und Wort brüchigkeit, wenngleich diese beiden Fehler als spezifisch byzantinische ihm in den Augen seiner Zeitgenossen kaum geschadet haben. Immer hin kann man ihn als den Helden der Prokopischen Historien be zeichnen, dem selbst die Anekdota verhältnismäßig wenig Böses nachsagen. — Die Skizzierung der genannten Personen ist ledig lich deshalb unternommen worden, weil sie in dem Leben unseres Prokop eine Hauptrolle spielen. Wir werden sehen, daß auch er, wie Justinian und Belisar, sich nicht über seine Zeit erhob, son dern dem Charakter und der Anschauung nach ein echtes Kind derselben war. Prokop ist vor allen Dingen nicht nur ein Lobredner ver gangner Zeiten, auf die er mit Wehmuth zurückschaut, er steht vielmehr mit all seinen Anschauungen und Gefühlen aus dem Boden der alten Zeit, ja in dieser selbst. Dem Einfluß der neuen Ideen des Christenthums ist er fast unzugänglich geblieben; wo eine Einwirkung staltfindet, bleibt sie rein äußerlich. Der Staat, die Herrlichkeit des römischen Kaiserreichs ist für ihn der Punkt, um den sich alles dreht. Und wenn er auch Bonifatius und Aetius die „letzten Römer"') nennt, so sind doch seine Volks- und Kampfgenossen immer noch Römer im Gegensatz zu den Barbaren, denen sie nicht nur an Bildung und Gesittung, sondern auch an I) V»nS. l, s. v. »22.