XII Einleitung. das nach dem formalen Beweis auch noch die psychologische Er klärung liefert, wie der Verfasser der Historien dazu kam, einen Panegyrikus wie die Bauwerke und eine Schmähschrift wie die Anekdota zu verfassen.*) — Es würde zu weit führen, dieser Untersuchung bis in die Einzelheiten zu folgen; die Hauptpunkte derselben scheinen mir folgende zu sein. Sehen wir uns zunächst die Welt an, in der Prokop lebte, mit Recht das Zeitalter Justinians genannt. Es ist eine Zeit der Verfalls, des Übergangs aus einer Epoche der Weltgeschichte in die folgende: das römische Weltreich hat seine Aufgabe erfüllt, es fällt dem Ansturm der germanischen Volkskrafr zum Opfer. Aber seine Macht ist noch nicht ganz gebrochen, und obgleich das Mark bereits bis ins innerste faul ist, sind die alten Ansprüche auf die Weltherrschaft dieselben geblieben, ja werden mit Hochmuth bei jeder Gelegenheit geflissentlich hervorgekehrt. Wir stoßen hier auf die erste, die Fundamentallüge dieser römischen Kaiserherrlich keit des sechsten Jahrhunderts: auf der einen Seite wird die stolze Fiktion des römischen Imperium offiziell in der großen Politik wie im kleinlichen Hoszeremoniell auf das sorgfältigste bewahrt, Afrika und Italien werden dem Reiche „wiedergewonnen", wäh rend auf der andern der stolze Kaiser bei dem Perserkönige um Frieden bettelt, ja die Sicherheit der östlichen Provinzen, noch mehr, der Hauptstadt selbst, um schweres Geld den plündernden Barbarenhordcn Jahr für Jahr, wieder und wieder abkaufen muß. 1) Zuletzt Hat L. v. Ranke in seinec Weltgeschichte (IV, S. 2SS—312) sich über Prokop und die Frage der Echtheit der Anekdota ausgesprochen und ist zu dem Resultat gekommen, sie seien eine Kompilation aus „Ergänzungen der Geschichte durch Prokop selbst, heftigen Ausfällen auf Justinian und einer einigermaßen rationellen Erörterung über die Mängel seiner Verwaltung". Alle drei sollen jener Zeit entstammen, der zweite u-L dritte Bestandtheil aber nicht auf Prokop selbst zuriickzuführen sein. So schwerwiegend seine Gründe scheinen mögen, heben sie doch den Beweis, welchen Dahn durch einen Vergleich der Sprache der Anekdota mit derjenigen der Historien geführt hat, nicht aus und können ihn auch gar nicht aufheben. So lange dieser Beweis als zu Recht bestehend angesehen werden muß, kann man eben andere Gründe nicht als Aus schlag gebend gelten lass«. R. citirt übrigens Dahns Buch, geht aber aus dessen Be° weisführnng nicht ein.