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16 über uns. Ob sie wahr sind entscheidet vcrmuthlich jetzt die Gefahr, darin wir stehen. Unsere Geburt soll ein Geheimuiß sein und unsere Auferziehung von frühester Kindheit an noch viel seltsamer. Wir wurden hingcworfen für die Vögel und wilden Thiere und — wurden von ihnen ernährt, — ernährt von der Brust einer Wölfin und von den Bissen eines Spechts, als wir in einer Wanne lagen an dem gro ßen Fluß. Die Wanne ist noch vorhanden und wird aufgehoben. In ihren Reifen ans Erz sind unleserliche Buchstaben eingegraben, die vielleicht später einmal Erkennungszeichen abgebcn für unsere Elter». Aber diese Zeichen werden unnütz sein; wir sind dann — todt!" Nnmitor, der aus diesen Reden und nach dem äußeren Anblick sich über die Zeit allerhand Vermuthnngen machte, wich keineswegs den Erwartungen ans, die ihn in Unruhe versetzten. Dagegen besann er sich, wie er mit seiner Tochter wegen dieser Sache heimlich zu sammen kommen könnte, um ihr Mittheilungen zu machen; denn sie befand sich noch immer in strengem Gewahrsam. Cap. 8. Sobald Faustulus die Gefangennahme und Auslieferung des Rcmus erfuhr, forderte er den Romulus zu dessen Befreiung auf. Erst jetzt enthüllte er ihm völlig die Geschichte seiner Geburt; früher sprach er nur in halbrüthselhaften Worten und offenbarte ihnen nur so viel, als genügte, um ihre Gedanken, wenn sie darauf achteten, vor dem Kleinen zu bewahren. Er selbst holte die Wanne und wollte da mit zu Numitor gehen , war aber voll Eilfertigkeit und Augst wegen der Wichtigkeit des Augenblicks. Dadurch erregte er Verdacht bei den königlichen Wachen am Thore. Er wurde von ihnen schief angesehen, war verdutzt in seinen Antworten, und so entdeckte man also, daß er die Wanne unter seinem Kleide zu verbergen suchte. Zufälligerweise befand sich unter ihnen auch Einer von den Leu ten , welche früher die Kinder zum Forttragcn erhalten hatten und bei der Aussetzung zugegen waren. Als dieser jetzt die Wanne erblickte und sie theils an der Art, wie sic gemacht war, theils an den Buch staben wieder erkannte, so errieth er den wahren Sachverhalt, den er