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TsrmLs.Nmor'xfsrL. Ur. 244 Sonntag, 6en 14. Oktober Seite 7 Mtt den Schuhen Bon RiKtolt SorebanN Da» mau will, kann man nicht geben, Und m<m gibt nur, was man muß. Also gibt man einen Kuß Und man gäbe gern das Leben. Also gibt man einen Strauß Statt de» Garten um ein Hau?, Gibt da» Buch al» ein Entgelt Für die Weisheit aller Welt. Drängt den Ning an einen Finger, Schlingt die Kette um den Hals, — Alles nur wie eiMtzgeringer Abschlag auf di« Schuld des Alls! All« Gabe ist nur Sinn Und Bild in einer Hüll«. Seit ich fühl« all« Fülle, Weiß ich erst, wie arm ich bin! Mach mich du, geliebte» Kind Zum reichsten von den Leuten! Sieh nicht an, was Gaben sind Nur an, wa» st« bedeuten. Für das ganze Feld die Aehre, Für den Himmel nimm den Stern, Und mich selbst für was ich gern Um deinetwillen wäre! Diese Hände mit den Schuh'» Fühle, was sie nur vertreten, Sieh nicht, was sie eben tun. Nur was sie lieber töten! Nimm sie so, wie ich sie send« Denn sie meinen, Süße — Lieber legt ich beide Hände Unter deine Füße! Zwar sie steh'n für kein« Gabe — Dennoch sei da» Spiel verzieh'«! Wes ist ja nur gelieh'n Solang ich dich nicht hab«. (Aus dem m Kürz« im Verlag« Ernst Rowotztt erscheinenden Gedichtband Rudolf Borchardt«: ,Dt« Schöpfung au« Ltede.ch Oie Geschiedenen Skizze von fifi „Liebe Toni! Ich hörte, daß es Dir jämmerlich geht, »ad ich hoffe, daß Du dieses Mal den Betrag, den ich Dir gesetzlich schuld«, nicht zurückweisen wirst. Es wäre sehr töricht. Ich kann durchaus verstehen, daß Du durch nichts ay mich erinnert sein wolltest, wo wir nun einmal geschieden sind, aber sage mir, wa» geht nach unserem Willen? Die Verhältnisse sind immer stärker. Me bist Du nur darauf gekommen. Dir durch Handarbeiten Dein Brot verdienen zu wollen? Die lagen Dir doch nie. Ich glaubte, Du seiest als Haus- üam« in der Klinik noch Deinem Geschmack auf gehoben gewesen. Für Kranke hast Du immer viel übrig gehabt. Sieh, liebe Toni, im Gegensatz zu Dir wollte ich viel a» Dich erinnert sein. Ich gab mir Mühe, von Dir zu hören, wo sich mir nur irgend Gelegenheit bot. Auch nicht einmal unauffällig. Im Gegenteil, ich habe allen, die sich dafür, interessierten, frei heraus gesagt, daß der langwierige Kampf, den wir um di« Scheidung unserer Ehe führten, eine große Torheit war. Alle Fehde ist Torheit. Stets liegt die Schuld auf beiden Seiten, und wenn die Wurzel de» Uebels an Ort und Stelle gesucht würde, brauchte der ganz« Bode» nicht ausgerissen zu werden. Natürlich gibt e» Irrtümer- Es können zwei Menschen au» irgendwelchen Umständen in das gleiche Gespann geraten, di« nie und nimmer in dieselbe Gangart kommen. Und die sollen es sich sagen und in Frieden auseinandergehen. Aber wir zwei haben uns doch eistmal sehr lieb gehabt und sind uns klar gewesen über da« Menschliche und Allzumenschliche. Gerade Deiner Wesensart, Toni, entsprach Eifer- sucht doch eigentlich gar nicht. Ich weiß nicht, wie Du zu diesem Marterinstrument gekommen bist Roch viel weniger begreife ich freilich heute, wie ich dazu bam, tatsächlich zu weit zu gehen. Ich glaube, ein Stück von einem Hahn steckt in jedem Mann. Verzeih! Du kennst mich ja. Ich kann mir noch heute am besten mit Derbheit helfen, wenn ich über einen Berg muß. Denn über einen Berg muß ich. Wa» ich Dir damals nicht zugckb, Toni, heute gebe ich es zu. Unumwunden. Ich war sogar schul diger, al» Du glaubtest. Ja, liebe Toni, ich wollte ja eigentlich heute noch nicht gleich aufs Ganze gehen, dieser Brief sollte nur ei« Vorläufer sein. Aber nun läßt es sich wohl doch nicht mehr verbergen, daß ich Heimweh habe nach Dir. Grenzenlose», unstillbares Heimweh. Und ich glaube, daß die» viel mehr ist al» Sehnsucht. Sehn sucht steckt bloß im Blut, aber Heimweh sitzt uns tief in der Seele. Es ist verwoben mit den letzten Ge heimnissen unseres Sein» überhaupt. Ich muß fetzt so ost an di« Gewitternacht d«n- ken, die wir damals im Walde zubrachten-, dl« Eich«, die der Blitz vor unseren Augen in zwei Hälften schlug, bi» auf die Wurzel. Die war nicht mit zer rissen, trotzdem di« Erde vollständig ausgeklüstet war. Ich kann und will es einfach nicht glauben, daß r» Dir ander» geht als mir. Die Gewißheit könnte dann nicht so groß und so stark in mir sein. — Soda^ ich eine Antwort von Dir habe, leg« ich die vielen Meilen zurück, die uns räumlich trennen. Die harmlos« Bosheit unserer Getreuen wollen wir Mr»n gern gönnen. Zumal sie im Recht find. Aber leben «oll«« wir am dritten Ort, Toni. Schritte habe ich schon getan. G, fehlt nm noch Dein Ja. Laß nicht unnütz warten Deinen Georg.' .Lieber Georg! Ich hätte Dir in derselben Stunde geschrieben, wenn ich überhaupt fähig gewesen wär«. Wir Deiber müssen immer erst heulen. Da» hab« ich den ganzen Abend getan und die halbe Nacht. Mein« Nerven halten einfach nicht mehr durch. Darum bin ich auch au» der Klinik fort. Ich war zusammengebrochen. Und freudigen Herzens gäbe ich Dir zu, daß Deine Gewißheit Dich nicht be trogen hat. — Wenn wir ein Kind hätten, Georg, wäre wohl alles ander» gekommen. Du sprichst e» nicht au«, um mich zu schonen, aber nun soll alles vollständig klar werden. Man spricht viel von Mütterlichkeit bei uns Frauen, aber bei Euch Männern kaum je von Väter lichkeit. Du bist eine ausgesprochene Datcrnatur, Georg. Du hast um kein Geringstes weniger um unsere Kinderlosigkeit gelitten als ich, und so hat sich eine große Lücke zwischen uns aufgetan. Das mit dem Gewitter war wirklich ein guter Vergleich. Uns ist auch etwas wie ein Blitz in den Stamm gefahren. Und es hat uns an Mut gefehlt hinzusehcn. Ja, Georg, ich habe Dich gequält. Namenlos hab« ich Dich gequält. Dich und mich selbst. Ich hätte es wahrlich ander» anfangen muffen. Dich trotz der Lücke in unserem Hause ganz für mich zu behalten. E» hat auch nicht etwa die ganzen beiden Jahre gedauert, mir den Star zu stechen. Ich hätte Dich längst gebeten, mich wieder bei Dir aufzunehmcn, wenn ich mir so sicher wie Du gewesen wäre. Deinen eigenen Gedanken zu begegnen. Ich war zu tief beschämt. ' Erst nachträglich empfand ich die große Geduld, di« Du mit mir gehabt hast. Man ist überhaupt durchweg engherzig in der Ehe und nur darum fühlt man sich gehalftert. Mehr Großzügigkeit auf diesem einschneidenden Gebiet wird einem kommenden Ge schlecht sicher nur zur Vervollkommnung dienen. Wenn wir Menschen doch lernen möchten, den Be sitz zu würdigen statt das Verlorene. Du hast ganz recht, wir sind einmal sehr reich und «glücklich ge- wesen. Lediglich au» dem Gefühl des Zusammen klangs heraus. Und ich danke Gott, daß diese Grund harmonie alle Disharmonien überdauert hat. Wir wollen nun aber nicht sagen, daß wir nicht wußten, was wir taten, sondern wollen uns doppelt klar darüber sein, daß das Wesen der Ehe darin be steht, uns durch schmerzhafte Anpassung zu wahrem Menschentum durchzuringen. Was wir in diesem viel zu engen Rahmen überwinden, das werden wir auch nach außen überwinden lernen. Ich fühle, daß ich nun freier und froher werden kann, qvs ich es je war. Richt wahr, Georg, jetzt gehen wir bewußt an eine große Aufgabe und sind ihrer endlichen Lösung gewiß. Je eher Du hier sein kannst, desto lieber wird mir lei"- Dein« Frau." * Da« „Deine' war unterstrichen, und der Umschlag des Briefes trug den Vermerk „Durch Eilboten zu bestellen.' — Dankbarkeit Von l.. /tznttro Durch die Zufälle eine» einzigen Abend» sah sich Thomas Lavender über die armselige, künstlerisch und materiell gleich unbefriedigende Existenz eines kleinen Kapellmeister» an einem kleinen Theater hoch empor geschleudert: er wohnte auf einem kurzen Urlaube der Götterdämmerungs-Vorstellung einer ganz großen Opernbühne bei, als nach dem ersten Akt der diri gierende Kapellmeister von einer schweren Ohnmacht befallen wuttx. Der zweite Dirigent war beurlaubt, der dritte im Augenblick nicht zu erreichen. Ein Orchestermitglied, das Thomas vom Konservatorium her kannte, machte auf seine Anwesenheit im Zu schauervaum aufmerksam, und zögernd wurde an gefragt, ob er sich getraue, das Werk, in dem «in be rühmter Gast die Brünhilde sang, zu Ende zu führen. Er getraute sich, ja, mehr al» das: am Schlüsse des Abendes stand nicht der Gast im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sondern er selber, und Publikum und Kritik waren voll des Lobes über eine Dirigenten begabung ersten Ranges, die ein Zufall an die ihr gebührende Stelle geführt hatte. Man hielt ihn fest und es begann für ihn jene im Brennpunkt der Interessen und der Verwöhnung stehende Existenz, di« der Geschmack unserer Zeit einem begabten Pult virtuosen bereitet. Uebrigens war Thomas ehrgeizig und ließ sich nicht allzu sehr verweichlichen. Er wäre, energisch aufwärts strebend, vollkommen glücklich gewejen, wenn nicht eine ebenso tolle wie unbegründete Leiden schaft ihren tiefen Schatten auf sein Dasein geworfen hätte. Sie galt einem jungen Mädchen, das dritte und vierte Partien in der Oper sang, wenig Stimme und Darstellungstalent besaß und kaum hübsch zu nennen war, obgleich sie auf Männer eine gewisse Anziehung ausübte. Sie war weder sehr intelligent noch gebildet, hatte keine Manieren, einen sehr mäßigen Ruf, und Thomas fragte sich in ruhigen Augenblicken verzweifelt, was ihn denn mit einer so teuflischen Kraft zu diesem Persönchen hikziehe? Er konnte sich kein« Antwort darauf geben. Für ihn lag hinter diesem ziemlich banalen Geschöpf etwas Geheimnisvolles, hinter ihrer ironisch-phlegmatischen Art witterte er unerhörte Leidenschaften und er zer brach sich den Kopf, eine Formel für dies Wesrn zu finden, das ihn verschmähte. Denn das war das Merkwürdige dabei: das Mädchen, sonst keineswegs wählerisch in ihren Freundschaften, wollte von dem jungen, glänzenden, verwöhnten Kapellmeister nichts wissen, trotzdem er ihr künstlerisch und gesellschaftlich nützlich sein, ihre ganze Existenz auf ein höheres Niveau heben konnte Sie sträubte sich gegen ihn, nicht aus Raffinement, um ihn desto sicherer zu er obern, sondern au» einer wirklichen Abneigung, di» Thomas zur Verzweiflung brachte, aber nicht ab schreckte, sondern immer neu entzündet«. Luch als su sich ihm schließlich ergab, nur um endlich Ruhe zu haben, wie fie höhnisch sagte, fühlte er, daß sie ihm nicht zu eigen war. Er verlor sich seelisch völlig an sie und stürzte sich in materielle Schwierigkeiten aller Art, um ihre Wünsche zu erfüllen, die sie äußerte, nicht weil fie wirklich luxusbedürftig war, sondern n« um ihn zu ärgern und zu quälen. Seine Freund« sichen dieser sonderbaren, durch ihren Gegenstand völlig unbegreiflichen Leidenschaft, di« sein Leben ganz zu verwirren drohte, kopf schüttelnd zu, al« «in plötzlicher Entschluß der Sängerin eine Wendung herbeiführte: sie nahm ein auswärttge» Engagement an, weniger, weil e» ihr größere Nolle verhieß, al» um den unbequemen, an spruchsvollen und lästigen Liebhaber lo» zu werde», wie sie freimütig bekannt«. Thomas fiel in Ver zweiflung. Er war drauf und dran, alles hinzu werfen und ihr zu folgen, uird nur das energische Eingreifen einiger Freund«, die jetzt den entscheiden den Augenblick gekommen sahen, bewahrte ihn davor. Die Trennung übte endlich ihre mildernde Wirkung, aber noch lange durfte der Rame Alix, so hieß das Mädchen, nicht vor Thomas ausgesprochen werden, ohne daß er zusammenzuckte. Nun lag die Zukunft wieder wolkenlos vor chm, allein er sollte sich ihrer nur wenige Jahre erfreuen. Ein Ohrenleidcn, harmlos beginnend, kaum beachtet, nahm immer schwerere Folgen an und führte schließ lich zu fast völliger Ertaubung. Es kam der Tag, wo er trotz aller ärztliche« Künste, oller menschlichen Teil nahme genötiot war, seinen Beruf aofzugeben. Lavenders leidenschaftlich verbissene Natur hing an der Musik, er konnte sich nicht entschließen, sie mit einer Bureauarbeit zu vertauschen, die sich namentlich zu Beginn in musikalischen Verlagen und Redak tionen wohl gefunden hätte. Er wollte dem Klang nahe bleiben, durch Schüler wenigstens, die einsehen mußten, daß sein« musikalischen Fähigkeiten, Er fahrungen imü Ratschläge wichtiger waren, als da» genaue Rügen jedes einzelnen Fehlers- Indessen fanden sich großzügig denkende Schüler nur wenige. Ein Wandern begann, ein Niederlassen und wieder Fliehen, und so sah sich Thomas nach Jahren gealtert und kränklich, als schlecht bezahlter, wenig gesuchter Lehrer in eine kleine Mittelstadt verschlagen, als er Alix wiedersand. Sehr weit war auch sic nicht ge- kommen, aber immerhin ein beträchtliches Stück höher als er zu dieser Zeit. Denn sie war erste Opern- und Operettensänaerin des Stadttheaters, erfreute sich großer Beliebtheit und hatte in der Tat stimmlich, darstellerisch und körperlich so gewonnen, daß man ihr, die nun in der Mitte der Dreißig stand, Voraus sagen durfte, sie würde bald an eine entscheidendere Stelle berufen werden. Ihre Anziehungskraft auf die Männerwelt hatte sich nicht vermindert. Und nun geschah das Seltsame: was dem strahlenden, er folgreichen Thomas Lavender niemals geglückt war, das glückte dem kranken, verbitterten, herunter gekommenen: er errang ihre Liebe. Er errang sie ganz, ohne darin» zu werben vom ersten Augenblick an, da der Zufall einer Straßenbegegnung sie zu- sonrmengeführt. Die Formel ihres Wesens, di« er immer vergebens gesucht, löste sich ihm nun: sie war in erster Linie mütterlich, den Hilflosen und Leiden den zugetan, während man immer di« Geliebte, die Freudrnspenderin, di« Dirne in ihr gesucht und ge sehen hatte. Sie, die ihn einst nicht genug hatte quälen und höhnen können, war nun ganz Liebe, ganz Demut und Hingegebenheit. Um diese Zeit erinnerte sich ein alter Freund an Lavenders Eristenz, und da er in seiner Nähe zu tun hatte, suchte er ihn auf. Er hatte gefürchtet, ihn elend und heruntergekommen zu treffen, und fand ihn nun, bescheiden, aber nicht ohne Behagen lebend, von einer -Frau auf das zarteste umsorgt, oben jener Frau, um deren schnödes Wesen er einst so schwer gelitten hatte. Seltsam war nur, daß er dieser Frau für alle ihre Güte kein freundliches Wort gab, daß er alle seine Launen, seine Verbitterung, seine Zornanfälle an einem Wesen auslicß, um das ihn viele beneideten, daß bei ihrem Anblick ein Funkeln in seinen Augen aufglomm, das tiefer saß als bloße übl« Stimmung. „Was bist du für ein glücklicher Mensch!' sagte der Freund — wenn er laut und deutlich sprach, konnte Levander ihn verstohon —, al» Alix sie einen Augen blick allein gelassen hatte „Im Grunde hast du das Ziel deiner Wünsche erreicht. Die Frau, die dir ein mal das Höchste schien, di« hast du nun, du hast sie ganz-»- und in einem Augenblick, da ihr Lebensweg sie höher geführt hat, als dich der deine, da sie sich zu dir neigt und sich dir in vollkommener Uneigen nützigkeit rmd Liebe gibt. Wie vele Menschen haben das dem Loben abgerungen? Du bist zu beneiden!' „Ich Haffe diese Frau!' erwiderte Lavender heftig. „Du hassest sie? Bist du so nachträgerisch? Sie hat das Böse, das sie dir einmal antat, längst gut gemacht.' „Du mißverstehst mich,' sagte Lavender. „Ich Haffe sie nicht um d«s Bösen willen, das sie mir getan hat; ich Haffe sie für das Gute, vas sie jetzt an mir tut.' „Ich verstehe dich nicht.' „Dann ver stehst du die Liebe nicht Wäre sie, was sie war, ich liebte sie noch heute. Einen Liebenden darf man peinigen, quälen, knechten, zur Verzweiflung bringen- Aber man darf ihn nicht zwingen — dankbar zu sein." Der Freund schüttelte den Kopf. Hier waren Dinge, die er nicht begriff. Er wollte lieber gehen. Als er sich erhob, trat Alix in die Tür, einen Strauß Feldblumen in der Hand, den sie dem Geliebten hin streckte. Thomas Lavender nahm den Strauß mit einem bösen Lächeln und schleuderte ihn in eine Ecke, während die Frau mit einem demüttg-tranenvollen Blick zu ihm aufsah. Tos Hundewagen Bon 0M Meine Freundin To hat jeden Morgen eine neue Idee. Kaum, daß sie erwacht und ihre seidene Haube zurechtgerückt, fällt ihr «in neuer Gedanke ein, und dann klingelt sie. Mit einer großen Glocke aus getriebenem Kupfer, die genügen würde, eine Alpenkuh aus weiter Ferne herbeizurufen, denn die elektrische Klingel ist noch nich» gelegt, und die Bilder und di« Spiegel sieben noch, den Rücken dem Beschauer zugekehrt, an den Wänden, die de» Tapezierer« harren, der ni«mal« kommt. Der Dekorateur, der gestern da war, ist fortgegogange», weil er in Meinungsverschiedenheiten über Gardinen geriet, die To nicht gerafft haben wollte, und so hängen bi» auf weitere« statt der Gardinen Zeitungen an den Fenstern. . Auf einer solchen Zeitung aber hatte To die Ab bildung eine» Lilrput-Auto» gesehen. „Mark« Blitz', das sehr billig war. And e» war ihr eingefallen, daß sich di« Autopreise mit dem steigenden Dollar ebenso verteuern würden, wie Straßenbahn und ion- stige Beförderungsmittel, die Damen nötig haben, die nur in Hellen Dildlcderstiefeletten durch Regen pfützen wandern. Mithin sei es wahrscheinlich da» billigste, sich einen eigenen Vagen an,»schaffen. Sie klingelte, und di« Jungfer erschien mit der Morgenschokolade. Das war das einzige, was vor- läufig in Tos neuer Wohnung funktionierte: Die Jungfer und die Morgenschokolade. To hatte schon das Telephonlruch zur Hand. „Also hören Sie, Marie, oder heißen Sie Anna . . . nein, Eva . . . auch gut, also Eva, hör«n Sie, gehen Sie gleich in den zweiten Stock und rufen Sie von dort eine Frau Rabinska an und lassen sich mit einer Nebenstelle verbinden, sagen Sic nur Möller, der Mann heißt zwar Radetzki oder Naditzta, und be- ! stellen Sie der Frau, oder vielmehr dem Raditzka, ! er solle sich Punkt elf, nein um zwölf unten einfindcn mit feinem Blitzwagen, zur Probefahrt. Und dann, ! nein hören Sie, dann bestellen Sie den jungen . Mann — Sie wissen schon — er solle sich vor zwölf , cinfinden, ich wollte mir ein Auto kaufen." Der junge Mann erschien pünktlich. Mit einer Mappe und einem hellgrauen, weitabstehenden neuen l Ulster. Er lüftete seine grüne Melone und drehte ! sich vor To, die im Bett saß und frühstückte: „Ist > mein neuer Ulster nicht fabelhaft?" Er hatte sich ihn soeben angeschafft aus das Dc- schäft hin, das er machen würde, denn wenn Tante To etwas kaufte, fiel meist etwas für ihn ab. „Du bist etwas voreilig, Bodo," sagte To und strich ihm ein Anchovisbrötchen, „denn das Auto ist nur ein elektriicyes Arito, ein Kleinbetriebauto, etwas für den Mittelstand," und zeigt« ihm das Bild in 1 der Zeitung, auf dem ein Monn in einer karierten Reisemütze ein Auto lenkt«, das aussah wie ein Kinderschlitten. „Dir werden Probe fahren, gleich kommt er an.' „Gebe ich denn auch da hinein," fragte Bodo, sich die Zeichnung betrachtend, „es sieht aus wie ein Hundekarren." „Za, aber Herr Raditzka ist damit durch Spanien gereist, da lies nur, es fährt wie ein Gummiball über Berg und Tal und wird von mir gelenkt, es kostet keinen Benzin, nur Elektrizität, und man spart den Chauffeur." Das leuchtete Bodo ein. Und To läutet« die Kuhglocke. Die Jungfer brachte den Bademantel, meldete, daß das Bad gerichtet sei, und To verschwand im Badekabinett, während Bodo die Börsenberichte studierte. Plötzlich knarrt« etwa« unten vor dem Haus, und ein Tuten ward hörbar. „Dos ist er,' rief To aus dem Nebenzimmer aufgeregt, und sie begann in fie berhafter Hast ihre Handschuhe im Bücherschrank und ihr Geld unter den seidenen Strümpfen zu suchen. Da sie es aber jeden Tag in ein andere» Paar Strümpfe steckte, so dauerte diese Sucherei, an der sich Bodo eifrig beteiligte, denn er kannte schon Tante To» Geldschrank, sehr lang«, und der ungeduldige Raditzka tutet« unaufhörlich, als ob ein Schiff in Not sei, da unten auf der Straße. Vor dem Hau» erwartete sie der ungeduldig« Lenker des „Blitz'. .Bitte,' sagte er und lud Lo ein, sich htneh»- »ufetzen. Sie stieg ein, und setzte sich, wa« aussah, als setzte sie sich auf die Straße. Dor ihr nahm Herr Raditzka Platz und die Equipage sauste um di« Ecke. Bodo schaute ihnen verblüfft nach. Nach zehn Minuten kamen sie von der anderen Seit« di« Straß« her- unterg«saust und hielten vor dem Hau». To sah strahlend aus. „Wir sind um die ganze Stadt gefahren,' rief sie. Nun stieg Bodo ein, und kaum hatte er seine langen Peine in dem Wagen untevgebracht, als der davonsauste wir ein wildgeworden«r Hundekarren. Sie glitten wie der Wind um die Ecken, an Häusern und Straßenbahnen vorüber, und befanden sich draußen vor der Stadt und fuhren auf einer lan- gen Landstraße dahin, daß Bodo Hören und Sehen verging. Er hielt sich Hut und Monokel fest. Und das Merkwürdig« war, daß, wo dieser Wagen auf- tauchte, sich die Gesichter erhellten, di« Leute stehen blieben, und lachten, Kinder schrien vor Vergnügen, junge Männer warfen ihre Hute in die Lust und riefen ihnen etwas nach, was man nicht verstand. Wie ein Blitz umfuhren sie die Stadt und kehrten an denselben Laternenpfahl zurück, wo To sie erwartete. „Nun?' fragte fi«. „Einfach fabelhaft', sagte Bodo und stieg au«. „Und für drei Milliarden", sagte Herr Raditzka, „einfach geschenkt. Es ist mein Letzter. Di« nächsten kosten schon da» Doppelte.' Das Geschäft wurde gleich im Cast abg»sihloffen, und To bezahlte bar. Sie hatte es immer eilig mit ihren Käufe« und wollt« am Nachmittag Freunde in der Mark in ihrem „Blitz' uoerraschen. „Das einzige, worauf ich Sie aufmerksam machen muß', bemrkte Raditzka, „ist die Lenkstange, die muß mit Vorsicht gehandhabt werden. Wenn ihnen zum Beispiel ein Wagen endgegenkommt, wi« dort die Straßenbahn, sehen Sie, dann steigen Sie «in' — und er stieg ein — „und bewegen die Lenkstange, in dem sie langsamer fahren, erst nach links, und dann weichen Sie rechte aus. Ich werde es Ihnen vor machen.' Er kurbelte sein Auto an und fuhr davon und war um di« nächste Ecke verschwunden. „Fabelhaft', bemerkte Bodo und nahm fein tNn- glas ab. Auch To fand «. Hern Raditzka aber sichen fie ntemal» wieder. Und den Blitz-Wogen auch nicht m«hr. Gleichni» Als stünde ich an eine» Brunnen» Rand Und rief hinab Und lauschte nun, am Ohr gehShtt die Hand, Rach Echo tief hinab: So bin ich lächelnd über dich gebeugt Und lausche nun. Was deine süße Seel« Antwort zeugt 2m Rausche nun» 0»»tp