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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192310141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231014
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231014
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-14
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
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SomßOG, ck» 14. Das Programm -er ih-ri«gische« Regierung Weimar. 13. Oktober. (Eig. Tel.) Gleich -ochsen wird jetzt auch Thüringen ein« sozialistisch, ammunistffche Regierung erhalten. Die Verhond- iungen zwischen der VSPD. und APD. über Bil dung der Regierung sind ebenfalls soweit gediehen, daß nur noch die Verteilung der Mini- ster i e n vorzunehmen ist. Dies« Frage wird jedoch in Kürze entschieden sein, so daß bereit» ans kom menden Dienstag der Landtag einbern» fen wurde. Auf der Tagesordnung stehen zwei Punkte: 1. Dir Regierungsbildung in Thii- ringen. 2. Antrag der bürgerlichen Parteien auf Auf lösung de» Landtages. Der zweW Punkt wird nach Lage der Ding« jetzt nicht mehr zur Durchführung kommen. Das Programm, auf da» sich die Perhandlungskommissionen der VSPD. und der APD. für die Tätigkeit der neuen sozialdemokratisch-kommunistischen Regierung geeinigt haben, ist folgende». 1. Das Land Thüringen, al» ein Gliedstaat der Deutschen Republik, an deren Einheit unter.allen Umständen festzuhalten ist, hat durch seine Regierung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten eine Politik zu treiben und im Reiche quf eine Po- litik hivzusircbcn, die den Interessen der arbeiten, den Bevölkerung dient. Grundlage dieser prole tarischen Politik muß die Sicherstellung der Existenz der werktätigen Bevölkerung und der ent- schieden« stampf gegen den Faschismus, Revanche, politische Reaktion und die verfassungswidrige Militärdiktatur sein. 2. Aufgabe der sozialdemokratisch-kommunistischen Regierung in Thüringen ist es, in engster Ver bindung mit der sächsischen Regierung dir Maßnahmen der beiden Parteien zur Abwehr der Reaktion und der Militärdiktatur zu unterstützen. 3. Es ist notwendig, das Ruhrgebiet, das Herz der deutschen Wirtschaft, in die Gefamtwirtschaft wieder einzugliedern. Die» ist zu erreichen durch erträgliche Reparationen auf Kosten der besitzenden Klaffe, Erfassung der Sachwert« durch da» Reich, Schaffung einer Außen Han- delskontrolle nach russischem Muster, öffent liche Kontrolle der gesamten Produk tion im Reich, Verschärfung der Besitz steuer und Aufhebung aller den Massenverbrauch und die kleinen Einkommen belastepden Steuern, solang« die Sachwcrterfaffung durch das Reich nicht durchqeführt ist. 4. Gegen alle Pläne, gestützt auf Bayern und die Militärdiktatur, den Ruhrronfliktauf Kosten des werktätigen Volke« zu liquidieren, ist schärfster stampf zu führen. 5. Beide Parteien verpflichten sich, di« sozial- demokratisch-kommunistisch« Regierung in Thüringen mit allen Kräften zu festigen und zu erhalten. Außer dem sind alle Kräfte zu unterstützen, di« wie in Thü- ringen die Bildung einer Arbeiterregierung für da» Reich zu verwirklichen suchen. 6. Beide Parteien verpflichten sich, zum Schutz der Verfassung republikanische Notwehren zu schaffen oder auszubauen. 7. Die gesamte Polizeiorganisation innerhalb de» Landes.wird verstaatlicht und unter die Leitung zuverlässiger republikanischer Be amter gestellt. 5. Erlaß von Verordnungen zum Schutze der Republik und Bekämpfung der natio nalistischen G c w a l t o r g a n i s a t i o n e n unter Zuwilfenähme der staatlichen Exekutivorgan». S. Behördliche Anerkennung der nach sächsischem Muster zu bildenden Kontrollausschüsse. 1V. Zur Sicherung der Ernährung und zur Beseitigung des Rentner- und Er- werbslosenelends sind sofort Schritte ein zuleiten. 11. Die Schulreform ist im Sinne der Ein heitsschule fortzuführen und die Berufsschule aus- zubauen. 12. Niederschlagung von Verfahren aus politischen Anlassen zum Schutze der Republik und weitgehendste Auvsubung des Bewährungs rechtes bei Notdelikten usw. 13. Engstes Zusammenarbeiten der Regierungen, der Arbeiterorganisationen und der Kampforganisationen der Arbeiterschaft aller Länder mit den Arbeitermehrheiten in gemeinsamen An gelegenheiten und zum Schutze der Republik, ins- besondere im Kampfe gegen Reaktion und Militär diktatur. 14. Zweck« wirksamer Durchführung vorstehender Maßnahmen wird «in außerparlamenta rischer Ausschuß gebildet aus je drei Per- tretern der beiden Parteien, je zwei von den beiden Parteien zu bestimmenden Vertretern aus Industrie betrieben und ein Vertreter de» ADGB. und der Afa und des ADV. 15. Die Landtagsfraktionen der DSPD. und der KPD. bilden einen parlamentarischen Ar- beitsausschuß, dem in Verbindung mit dem Landesausschuß alle Gesetzentwürfe vor ihrer Ein bringung ins Parlament vorgelegt werden. 16. Der parlamentarische Arbeitsausschuß setzt für jeden Tagungsabschnitt einen gemeinsamen Ar beitsplan für die Fraktionen auf und periodisch fin- den gemeinsame Fraktionssitznngen statt. * Dresden, IS. Oktober. lGig. Tel.) Di« Er- nennung eines sächsischen Zivilkommiffar» hat sich wohl deshalb verzögert, weil angesichts der die Greben des Lande, Sachsen weit überschreitende Bezirk des Wehrkreiskommando» 4 diese Ernennung besonders schwierig war. Nunmehr dürft«, wie be reit» gemeldet worden ist, binnen weniger Tage der mehrheitssozialistische Abgeordnete Richard Meier- Zwickau da« Amt de« Zivilkommiffar» für Sachsen übernehmen. Obwohl der Dresdner Regierung über diese Ernennung offiziell nicht» bekannt ist, dürfte sie nur noch Stunden auf sich warten lassen. Auflösung -er proletarische« Huu-erischasten Dreode», 13. Oktober. (Eig. Tel.), General leutnant Müller, der Befehlshaber de» Wehr kreiskommando« IV, gibt folgend« gekannt« machung heraus: «Ich habe heute an die sächsische Regierung nachstehende» Schreiben gerichtet: .An die Regierung des Freistaates Sachsen und dem Wckhrtzreiskom- mando sind au« allen Teilen Sachsens, vor allen Dingen aber au» dem westlichen Sachsen, ins besondere au» der Gegend von Chemnitz, Werdau, Aue und Annaberg, von einwandfreien und ruhigen Persönlichkeiten sowie auch von Staatsbehörden Schilderungen ^md Meldungen über die Lage in den Hauptlndustriegebieten zugegangen, au» denen hervorgeht, daß ein großer Teil der Bevölke rung au» der Arbeiterschaft stark unter dem Drucke einer gewalttätigen Minderheit zu lei den hat. Di« Arbeitermaffen fühlen sich durch diese Minderheit, die vorwiegend durch die radikal« Jugend verkörpert wird, bedrückt. Sie fühlen sich dauernd bi» in ihr Familienleben hinein ver- solgt, überwacht, bedrückt. Sie wagen es nicht, ihre Ansichten offen au»zusprechen »der Widerstand zu leisten; aus Furcht vor Racheakten unterlassen st« sogar Anzeigen strafbarer Handlungen. Da» Wehr kreiskommando hat au» diesen Schilderungen und au» Gerichtsakten di« Beweise erhalten, daß die sogenann ten .proletarischen Hundertschaften' zum großen Teil den Rahmen für dies« radikalen Iugendgruppen abgeben. Die Ver hängung des Ausnahmezustandes hat nur äußerlich einige Ordnung geschafft. Da» öffentliche Betragen der Hundertschaften, die Ilebergriffc einzelner ihrer Angehörigen ist besonder» dort, wo Truppen liegen, auffällig. In anderen Gebieten haben sich die Hundertschaften um dra Ausnahmezustand wenig gekümmert. In einem Auf- ruf des proletarischen Zentralauslchusse« der sächsischen Hundertschaften vom 12. Oktober wird die Bildung einer gemeinsamen Kampf- leituug der Hundertschaften bekonntgegeben. Gs unterliegen hiernach keine Zweifel, daß mit dem Aufhören de» Ausnahmezustand«» überall «i«d«r di« Hundertschaften stärker al» f« h«rvortreten wer- den. Gin« endgültige Gesundung der Regierung kann daher nur herbeigeführt «erden, wenn di« Sin- richtungm» der Hundertschafte» ebenso wie all« an- deren Selbstschutzorganisationen überhaupt auf hören. Ich ordne daher durch beifolgend« Ver fügung ihre Auflösung an. Der Befehlshaber des Wehrkreiskommandos IV. sgez.) Müller, Generalleutnant.' 1. Ich verbiete hiermit die Bildung oder den Zusammenschluß der gesamten proletarischen Hundert, schalten, der .republikanischen Notwehr' und «derer ähnlicher Organisationen. Etwa bestehende derartige Organisationen «erden hierwit aufgelöst. Jede Belegschaft in solchen Organisationen wird unter sogt. 2. Jede Person oder Organisation, die im Besitz nachstehend aufgeführter Waffen Waffen ist, hat diese spätesten» innerhalb drei Tag« abzuliefern oder zur Abholung anzuzeigen; Maschinen- gewehre, Gewehre Modell 98, Maschinenpistolen und Munition, und zwar bei den Standortskommando« oder Polizeibehörden. Für aufgelöste Organisationen hastet die Waffenabgabe oder Anzeige der Führer oder dessen Stellvertreter. Richt rechtzeitige Abgabe der Anzeige wird hiermit strafbar wegen unbefugten Waffenbesitze». 3. Zuwiderhandlungen gegen die Bestim- mungen zu 1 und 2, die Aufforderung oder der An reiz zu Zuwiderhandlungen werden mit Gefäng nis oder Geldstrafe bis zu 15000 Gold mark bestraft. Gleiche Strafen treffen auch den jenigen, der Kenntnis von verborgenen Waffen hat und diese nicht anzeigt. 4. Die Polizeibehörden, bei denen Waffen ab geliefert werden, find für sichere Bewachung der Waffen verantwortlich und haben innerhalb fünf Tagen d«m Wehrkreiskommando IV Bericht zu er- statten. Der Befehlshaber des Wehrkreiskommando» IV (gez.) Müller, Generalleutnant. Verfügung: Ich verbiete hiermit die Bildung oder den Zusammenschluß von Aktionsausschüssen, Abwehraurschüffen oder ähnlichen Organisationen. Etwa bestehende Organisationen dieser Art werden hiermit aufgelöst. Jede Betätigung in solchen Organisationen wird untersagt. Zuwider handlungen gegen dieser Verbot, der Anreiz oder die Aufforderung zu Zuwiderhandlungen wer- de« mit Gefängnis oder Geldstrafe bis zu 15 000 Goldmark, soweit die gesetzlichen Bestimmungen kein« höher» Strafe vorschreiben, bestraft. Der Befehlshaber de» Wehrkreiskommandos IV, (gs^) Müller, Generalleutnant. Oie Auffüllung -er Leipziger Reichswehr Dresden, 12. Oktober. (Eig. Tc l.) Gegen die von de» kommunistischen Abgeordneten Siewert in der heutigen Landtogssttzung erhobenen An- schuldigungen gegen die Reichswehr und ins- besonder« gegen da» Reichswehr-Infan- terieregiment 11 in Leipzig, gibt der Rilitärbefehlshaber de» Wehrkreiskommando» IV. in Dresden heute abend folgende» bekannt: Lr hab« einem Vertreter der sächsischen Regie rung bereit» am 11. Oktober mitg«teilt, daß es sich in dieser Angelgenheit lediglich um Auffüllung der ine Dehrkreisgebiet IV stechenden Reichswehr, abteilungen zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Stuhl und Sicherheit handel«. Mitglieder de. Ver band«» .Stahlhelm' und de» .Werwolfe»' seien für diese Auffüllung nicht in Frage gekommen. Daß Teile des Infanterieregiment» II m Leipzig nach Aue und Dresden abkommandiert werden sollten, sei unwahr. Führer und Mitglieder von proletarischen Hundertschaften seien bisher nur deshalb in Schutz haft genommen worden, weil sie durch die Abhaltung von Versammlungen unter freiem Himmel die öffent- lichc Ruhe und Sicherheit bedroht hätten. Haftentlassung Rotzbachr Wie wir beim Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik und beim Landgericht erfahren, ist heute in einer geheimen Sitzung beschlossen wordne, den Haftbefehl gegen Roßbach vom März aufzuheben. Die Gründ: sollen folgende sein: Roßbach hat ständig Haftbeschwerden eingereicht, und diesen ist nunmehr durch die Haft entlassung Rechnung getragen worden. Der Gerichts hof scheint sich däbei auf den Standpunkt gestellt zu haben, daß die Angelegenheit nunmehr so weit ge klärt ist,daß Verdunkelungsgefahr nicht mehr besteht. Auch nimmt man, da Roßbach in Deutschland begütert ist und seine Familie hier hat, nicht an, daß er ins Ausland fliehen wird, zumal da die Untersuchung die Verdachtsmomente gegen Roßbach wesentlich abgeschwächt zu haben scheint. Es ist indes keine Rede davon, daß da» Verfahren gegen Roßbach niedergeschlagen wird. Die Vernehmungen werden vielmehr fort gesetzt mrd sollen in der nächsten Zeit die Ein vernahme verschiedener höherer Offiziere bringen. Wie wir hören, soll auch General v. Seeckt ge fragt werden. Unabhngig von der Angelegenheit Roßbach er fahren wir, daß das sächsifche Ministerium auf Grund zahlreicher Beschwerden hin sich ent schlossen hat, von nächster Woche an die nach Ehr- Hardts Flucht verschärftest Haftbestimmungen wieder in Wegfall kommen zu lassen. * Aus zuständigen Kreisen erfahren wir dazu das folgende: Roßbach hat ständig Haft- beschwerden einaereicht, und diesen ist nunmehr durch die Haftentlassung Rechnung getragen worden. Der Gerichtshof scheint sich dabei auf den Standpunkt ge- stellt zu haben, daß die Angelegenheit nunmehr soweit geklärt sei, daß Verdunklungsgefahr nicht mehr be- steht. Auch nimmt man, da Roßbach in Deutschland begütert ist und seine Familie hier hat, nicht an, daß er ins Ausland fliehen wird, zumal da die Unter suchung die Verdachtsmomente gegen Roßbach wesent- lich abgeschwächt zu haben scheint. Es ist indessen keine Rede davon, daß da» Verfahren gegen Roß bach niedergeschlagen werde. Die Vernehmungen werden vielmehr forgesetzt und sollen in der nächsten Zeit die Einvernahme verschiedener höherer Offiziere bringen: wie man hört, soll auch General v. Seeckt befragt werden. Teuerungskrawalle Frankfurt a. M., 13. Oktober. (Eig. Tel.) Gestern abend gegen 7 Uhr kam es im Stadtteil Bornheim infolge der neuerlichen Lebensmittelpreis- steigerungcn zu Ansammlungen und Ausschrei tungen. In verschiedenen Lebensmittelgeschäften wurden Fenster zertrümmert; auch ein solches einer Depositenkaffe der Deutschen Bank wurde ein geschlagen. Sofort eingreifende Schutzpolizei -er- streute die Ansammlungen und stellte die Ordnung wieder her. , Vie wertbeständige« Steuern Di« Verordnung über die wertbeständigen Steuern ist vom Reichspräsidenten auf Grund de» Artikels 48 der Reichsverfassung erlassen worden. Danach werden alle seit dem 1. September dieses Jahres fällig«» und noch nicht bezahlten Steuern voll an die Geldentwertung angepaßt. Diese Auf wertung wird gleichfalls für solche Steuerfchulden vorgenommen, die vor dem 1. September ent standen sind. Diese Aufwertung beträgt, wenn die Steuerschuld in der Zeit vom Januar bis Mai 1V23 entstand, das Hundertfache, für vom Juni entstandene Steuerschulden das 30foche, und für solche vom Juli das lOfache. Schulden vom August werden für Zahlung am I. September 1923 mit ein fachem Betrag eingesetzt. Der I. September lS23 ist in allen diesen Fällen Stichtag für di« Errech nung des Goldmarkbetrage». Bei Stundungen und Zahlungsaufschub werden 5 Prozent Zinsen vom Goldmarkbetrage erhoben. Der Reichsfinanzminister kann bestimmen, daß für Zahlungen in Papiermark der Goldumrsch- nungssatz angewandt wird, außerdem kann bei Mangel an Banknoten (Papiermark) die Zahlung in deutschen Gold- und Silbermünzeu und ausstindi- schen Zahlungsmitteln verfügt werden. Diese Be-, ftimmung wurde anscheinend getroffen, um Emmen- düngen gegen die Steuerzahlung, die mit Mangel an Zahlungsmitteln begründet werden sollte, von vornherein die Spitze zu nehmen. Ausführungsbestimmungen als Er gänzung der Verordnung stehen unmittelbar bevor. Die Notwendigkeit der Wertbeständigmachung der Steuern ist von uns immer wieder hervor gehoben worden. Wertbeständige Steuern sind ein unbedingt notwendige» Glied in dem Komplex von Maßnahmen, der zur Sanierung führt. Allerdings ist mit Steuerreformen allein noch nicht viel ge tan. Die „brutale Steuerpolitik' Hilferdings, die bereits den Anlauf zu der jetzt erfolgten Valorisie rung darstellte, verlief trotz der Härten, die sie in einzelnen Fallen wobl mit sich gedacht haben mag, dies an erster Linie darauf zurückzufilhren, daß man durchaus nutzlos für die Staatsfinanzen. E» war versäumt hatte, vor allem gleichzeitig mit der Aus schreibung der neuen Steuern die Währung in Ord- nung zu bringen. Auch jetzt besteht wieder die Ge fahr, daß beim Fortschreiten oer Geldentwertung die in Papiermark eingehenden Steuerbeträg« im Handumdrehen bi« zur Wiederverwendung im Ltaatshaiwhalt zu nicht» oder fast nickt» zusammen schmelzen. Dieser Umstand, der emtreten kann, wenn nicht sogleich die Währungsfrage gelöst wird, wäre um so bedenklicher, als Industrie und Handel schwer an den wertbeständigen Steuern zu. tragen haben werden. Zwar fordern Industrie und Handel fast ausschließlich Goldpreise, man sollt« daher «rwarten, daß auch Gold steuern tragbar seien; dem steht aber gegenüber, daß di« Umsätze bei wei- tem nicht mehr auf Frirdenshöhe stchen und daher die Erträge der Betrieb« stark -urückgegangen sind. Diese Tatsache wiederum findet ihren Grund in der mangelnden, teilweise vollständig erschöpften Kauf kraft der Konsumenten. Erst nach Einführung eine» wertbeständigen Geide» wird die jetzt unaus. körlich schwindende Kauflrast mit erhalte» und dann der Koiüum mit heben können. Es ergibt sich daraus, daß erst nach Durchführmlg der Währung», sanierung wieder Frieüensumsätz« möglich sind. Die Währungsreform erscheint somit als unerläßliche Voraussetzung für die Wirksamkeit wertbeständiger Steuern. Drtngenste wirtschaftlich« Tagesförderung ist es deshalb, nun endlich zur Währungsreform zu schreiten. n. Vie Linie der britischen Politik London, 13. Oktober. Der Bericht über dir gestrigen Erörterungen der Reichs konferenz über den Völkerbund wurde sogleich veröffentlicht. Lord Robert Leeil legt« der Konferenz seine Auffassung darüber dar, welche Stellung der Völker bund gegenwärtig einnehme und welche Stellung er in der künftigen Politik des Briti- schen Reiches einnehmen sollte. In Erwiderung auf die Kritik, der die letzten Verhandlungen des Völkerbundes unterworfen wurden, betonte Cecil, der Völkerbund sei kein Ileb<rjj.aat, sondern eine internationale Organisation, deren Aufgabe es nicht sei, eine Regelung zu erzwingen, wenn ein Streitfall vor ihn gebracht werde, sondern vielmehr die, die Verständigung zu fördern. Er arbeite nicht mit Zwangsmitteln, wre sie etwa eine Regierung anwendc. Seine Methode sei die Verständigung, sein Erekutivmittel nicht die Gewalt, sondern die öffentliche Meinung. Gemäß seiner Satzung sei der Völkerbund dazu da, die inter nationale Zusammenarbeit zu fördern und den inter- nationalen Frieden zustande zu bringen. Nach einer ausführlichen Erörterung des italienisch- griechischen Konflikts erklärte Cecil: .Ich wage zu behaupten, daß der Völkerbund genau das ge tan hat, was er gemäß der Völkerbundssatzung zu tun hatte. Seine Aufgabe war, die Regelung zu fördern, und er hat seine Pflicht erfüllt. Seine An- regungen sind meines Erachtens sehr wertvoll und in sich selbst gesund gewesen.' Lord Cecil gab seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß die Heraus forderung, die der Völkerbund von einer Großmacht erfahren habe, dadurch ausgewogen worden sei, daß alle kleineren Staaten sich in bemerkenswerter Weise für ihn eingesetzt hätten. Zum Schluß seiner Rede sagte Cecil: „Der Friede ist das große Ziel, auf das die gegenwärtige Politik Groß britanniens hinstrebt, nicht mit Gewalt, sondern mit dem Bemühen, die freundschaftliche Gesinnung unter den Nationen zu fördern. Wir haben jetzt zu diesem Zwecke im Völkerbund ein Instrument, das ver- hältnismäßig wirkungsvoller ist, als irgend etwas vorher Vorhandenes. Wir sollten den Völkerbund stärken und ihn immer mehr -um Eckstein unserer Politik machen.' Der Premierminister von Australien, Bruce, führte aus: „Zn Australien breitet sich immer mehr die Ileberzeugung aus, daß der Völker bund einen Keim für die Hoffnung auf Erhaltung des Weltfriedens darstellt. Bei den Erörterungen, die in Australien bezüglich der Reichskonferenz statt gefunden haben, wurde die Ansicht zum Ausdruck ge bracht, daß eine der größten uns obliegenden Auf- gaben die sei, zuzusehen, ob diese Konferenz von Vertretern des ganzen Reiches nicht vielleicht doch etwas tun könnte, um den Weltfrieden zu sichern und damit eines der ernstesten Probleme, denen wir gegenwärtig gegenüberstehen, zu lösen. Die Be völkerung Australiens nimmt die Dinge sehrernst. Ich glaube, sie wird nahezu einstimmig erklären, daß sie an den Völkerbund glaube. Alle unser« Hand lungen sollten auf die Förderung seiner Macht und Autorität in der Welt gerichtet sein.' Bruce schloß, indem er der Hoffnung Ausdruck gab, daß der Völker- bund während der Zeit seiner Kindheit Zurück haltung üben und nicht gleich danach trachten werde, schnell und weit vorzugehen. Nach Bruce erklärte der kanadische Premier minister Mackenzie King, das Interesse, das die öffentliche Meinung dem italienisch-griechischen Streitfall gewidmet habe, sei vertausendfacht worden durch die beklagenswerte Art und Weise, in der dir Autorität des Völkerbundes offenbar bis zu einem gewissen Grade mißachtet worden sei. Dies habe in allen Ländern rind zweifellos in Kanada ein Gefühl der Unruhe hervorgerufen, das in einem anderen Falle wohl nicht entstanden wäre. Nach seiner Auffassung habe die Ansicht geherrscht, daß der Völkerbund doch eine Instanz zu bilden bestimmt sei, die an die Stelle der Gewalt treten sollte, und daß diese Instanz nicht mißachtet werden dürfe. Der Premierminister sagte: „Ich glaube, die Tatsache, daß der Völkerbund zu dieser Zeit zusammenaetrcten ist, hat viel dazu bcigetragen, um die öffentliche Meinung der Welt mobil zu machen, und sie würde zu einer noch viel kräftigeren Aktion geführt haben, wenn die Notwendigkeit einer solchen eingetreten wäre.' Zum Schluß äußerte Mackenzie King seine Zu stimmung zu den Worten Lord Cecils und sagte, in ihnen sei die Auffassung, die in Kanada bezüglich der dem Völkerbund zu gewährenden Unter, stützung vorherrsche, in ausgezeichneter Weise zum Ausdruck gekommen. London, 13. Oktober. (Eig. Tel.) Die Estrigen Reden Baldwin» und der Ministerpräsidenten der Kolonien werden in unterrichteten Kreisen und in der Presse allgemein dahin «isgrlegt, daß die Regierung entschlossen sei, ohne ihre Reparationsansprüche au^ugeben, ihre aktive Politik darauf zu richten, für die hoffnungslose Wirtschafts lage inLuropaErsatzzu finden in einer Politik wirtschaftlicher Isolierung und kraft voller Entwicklung der eigenenBoden- schätze für den Handel zwischenMutter- land und Kolonien. Die Auffassung der liberalen Partei über diese Schwenkung dr» Kabinett» Baldwin, die den unterrichteten Beobachtern der englischen Politik keineswegs unerwarlet gekommen ist, findet ihren treffendsten Ausdruck in einem Wort vonAsquith, der kürzlich ausführtr, Schutzzölle und Isolierung bildeten einen gedankenarmen Ersatz für Zielbewußt, sein und Entschlossenheit in der auswärtigen Politik. Die Vorstände der Arbeiterpartei und der Gewerkschaften haben gestern in einer Sitzung beschlossen, in ganz England Proteste und Demo»- strationen zu veranstalten, um die verhängnisvolle und gefährliche Untätigkeit der Regierung m der Behandlung de« Arbeitslosenproblem» der brei- ten Oeffentlichkeit zuui Bewußtsein zu bringen. Der Expreßzua Warschau —Maskat» wurde etwa 100 Meilen innerhalb der russischen Grenze von Räubern überfallen und aus- geplündert. Ein britischer, «in italienischer und ein polnischer Kurier wurden beraubt. Da» diploma tische Gepäck blieb unversehrt.
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