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Aonntsgsbeilage ttes I^cipritzer ^stzcdlsttes irr. 160 SooatKg, Äea s. JuU Sette s wenn nicht Iwei einst... Von von ek Wenn nicht Zwei einst beieinander schliefen, Wärst du nicht, und bist du noch so groß. Deshalb schmäh' nicht Quellen, die dich riefen, Und ein Tempel sei dir jedes Weibes Schoß. i Wenn aus Zweien nicht das Eine würde, Lstärst du nicht und würdest niemals sein: Einer rief dich. Eine trug die Bürde — Und so tratst du in dies Leben ein! Lena Von Ssorzl l-rö»ettsl Lena ging durch die dunklen Straßen nach Hause. Es war kalt, und ein feiner Regen drang durch die Kleider. Lena aber empfand den kühlen Luftstrom, der ihre freie Stirn umwehte, wie etwas Angenehmes. Sie schritt hochaufgerichtet, mit leicht geöffneten Lippen dahin, und ihr Gang war jung und knabenhaft. Sie wußte, daß sie jung und daß sie schön war und hatte die sichere Empfindung, daß sich ihr eine große Hoffnung erfüllen werde. Was sie hoffte, was sie wünschte, wußte sie selbst nicht, aber cs schien ihr an diesem Abend ganz sicher, daß ihr Weg zu einer glanzvollen Höhe aufwärts führte und daß das Leben gut und schön sei. Ihr Tag war vergangen, wie die Tage der Mäd chen vergehen, die arm sind und die sich ihr Brot selbst erarbeiten müssen. Wie alle Tage war sie auch heute nach einem dünnen Frühstück und einem Blick voll hastiger Koketterie in den Spiegel zeitig am Morgen in ihr Bureau geeilt, hatte sich dann vor die Maschine mit den blitzenden Tasten gesetzt und immer wieder dieselben eintönigen Briefe und endlosen Zahlenkolonnen abgeschrieben. Mit dem Glockenschlag hatte sie endlich das kleine Hütchen zurechtsetzen und die Handschuhe anziehen dürfen, war die Treppe hinabgelaufen, war nach rechts um die Ecke gebogen, und an der zweiten Laterne hatte wie alle Tage der große, elegante junge Mann in schönem Pelz und mit blitzenden Lackschuhen auf sie gewartet. An seinem Arm war sie dann ein biß chen durch die Straßen gegangen. Sie hatte nicht bemerkt, daß der Freund diesmal nicht ganz so auf merksam und nicht ganz so sicher gewesen war wie sonst, sie hatte es übersehen, daß er ihrem Blick, der ihn oft zärtlich suchte, mit einer gewissen Unruhe ausgewichen war. Sie war bloß sehr froh gewesen, als er ihr den Vorschlag machte, mit ihm ein Licht spieltheater zu besuchen. Dort hatte sie in der kleinen Loge ganz dicht an seine Seite gedrängt gesessen und hatte, während sie ihre Pulse klopfen fühlte, nur wenig auf die schnellen Geschehnisse, die sich auf der Leinwand abspielten, geachtet, sie hatte sich bloß durch den Rhythmus der nie endenden Musik zu einem weichen Träumen ein- schläfern lassen. Ihre wahre Existenz war ihr ent- glitten, und ihr kleines, armes Leben war wie von einem großen, warmen Licht durchstrahlt. Sie merkte nicht, wie der Mann an ihrer Seite vor sichtig ihr Handtäschchen öffnete und einen Brief hineingleiten ließ. Er enthielt, was unangenehm zu sagen war, die in ein paar Redensarten gehüllte Absage an die Geliebte. Der Brief nannte .Schick sal", was nur eine blonde Tänzerin war, und sprach von .gebrochenem Herzen", wo von diesem Organ nicht die Rede hatte sein dürfen. Der Brief war das obligate Klischee, das immer wieder benutzte Schema, nach welchem der Herr solche Angelegen' heiten gewöhnlich ordnete, er selbst war ein Klischee, wie seine ganzen Beziehungen zu Lena Klischee ge wesen waren. Lena aber war glücklich, während die Musik sie umnebelte; sie war es noch, als sie von dem Herr» im Pelz an einer Straßenecke ziemlich unvermittelt verabschiedet wurde. Sie war froh, als sie durch die Straßen eilte, um den letzten Straßenbahnwagen zu erreichen. Eine heitere Leichtigkeit erfüllt« sie, alle ihre Angelegenheiten waren, wie sie meinte, in wujndcrtxrrem Gleichgewicht. Es gcsb» keine un bezahlten Rechnungen, das vorhandene Kapital reichte gewiß für die Tagesbedürfniffe bis zur näch sten Gehaltsauszahlung, ein kleiner Reservefonds für ein Frühjahrskleid war aufgestapelt, und den Bedürfnissen des Herzens entsprach der Herr im Pelz in vollkommen ausreichender Weise. Sie eilte durch die dunklen, feuchten Straßen, und irgendwo in ihr schwang noch der Rhythmus der schnellen Musik, der das letzte Lustspiel, das im Lichtspielhaus an ihr vorübergeglitten war, begleitet hatte. Im Takt dieses dummen Foxtrotts klapperten ihre kleinen Schuhe auf dem Pflaster und schwang das Hand täschchen an ihrem Arm. Sie ahnte nichts von dem Brief, den es enthielt. Da war auch schon der Straßenbahnwagen. Viele Menschen standen an der Haltestelle und drängten zum Eingang. Lena warf sich mit einer schnellen Bewegung in die Menge, freute sich im voraus auf den Kampf um den Platz und war fest entschlossen, energisch mitzutun. Doch einen Augen blick später hatte sie das Gefühl, al» werfe sich die ganze Menge auf sie. Don allen Seiten umdrängten sie Männerschultern und Männerkörper. Die Hände wurden ihr an den Leib gepreßt, ihr Atem stockte und ein Ring von Menschen schloß sich erstickend um sie zusammen. Sie konnte kein Glied rühren. Und plötzlich fühlte sie, wie das Täschchen, das sie mit dem Arm an die Brust drückte, sich irgendwie be wegte und ihr entglitt. .Mein Täschchen I" rief sie mit verzweifeltem Schreck. Doch do löste sich auch schon der Ring, der sie umschloß, einen Augenblick sah sie noch die Gesichter einiger halbwüchsiger Burschen im gelben Laternenlicht ganz nahe vor sich. Der Straßenbahnwagen setzte sich nach einem schrillen Pfiff in Bewegung, glitt davon, und sie stand allein in der nassen, nächtlichen Straße. Sie stand allein, und das Täschchen, do» an ihrem Arm gehangen hatte, fehlte. Ein wilder Sturm von Empörung durchtobte sie zuerst. Sie wußte mit rasender Sicherheit, daß man ihr des nicht aniun dürfe, daß ihr unrecht geschah, und daß Gott da« nicht -ulassen konnte. Doch in der nächsten Sekunde wußte sie, daß ihr da» Schick- sal gerade do» beschieden hatte. Sie stand allein auf der kotigen Straße und lieh die Hände herabhängen wie ein ganz kleine» Mädchen. Hilflos war sie und fühlte diese Hilflosigkeit wie einen tiefen Schmerz. Line seltsame Verwandlung ging mit ihr vor, wie sie so stand, und sie sah sich selbst vor sich, durch schaute mit einem Blick ihr Leben vom Anfang bis zum Ende. Eie wußte alles, sie erkannte ihre Armut. Man hatte ihr das Täschchen genommen, und das Täschchen enthielt mit dem wenigen Geld die Lebensmöglichkeit für lange Zeit. Und es würde Schwierigkeiten geben wegen der Schlüssel, und nie mals mehr würde sie eine so gute Nagelfeile haben. Aber die Nagelfeile und die Schlüssel und da» Geld tauchten in ihr gleich wieder unter. Sie wußte mehr. Es war ihr, als hätte man »hr die Augen geöffnet. Sie sah die ganze Arm- seligkeit ihres Daseins und wußte, daß das jetzt die Wahrheit war, und daß alles andere Lüge ge wesen, Lüge ihr Lachen, Lüge ihr Glück, Lüge ihr« Liebe. Seltsam anders und alt wurden ihre Augen und ihr Gesicht, in das der Regen schlug. Sie strich sich mit der Hand über die Stirn, und die Hand mit den polierten Nägeln war ihr fremd. Und ganz ! fern und eigentümlich verzerrt glitt der elegante ! Herr im Pelz an ihr vorüber, und sein Larvengestcht floß über vor Betrug. Auch von ihm und von dem, was sie ihm in Wirklichkeit war, wußte sie jetzt alles. Alles wußte sie, und da sie es wußte, war es zu Ende. Als sie am nächsten Tag ihr Bureau verließ und die Treppe hinabgestiegen war, ging sie nicht mehr rechts um die Ecke. Sie kümmerte sich nickt darum, ob der Herr im Pelz auf sie wartete. Sie vu.ndte sich nach links und ging ihren Weg allein. Das wiedergefundene Lächeln Novelle von I-l»» klonroil» Als Franz Rodewald nach mehrmonatigen Aus landsreisen zu kurzem Besuche in die Heimatstadt zurückkehrte, erfuhr er, daß Gabriele Gysius dem Bildhauer Mario ihr Jawort gegeben: und daß die beiden heiraten würden, sowie mit der beendeten Theatersaison für Gabriele Gysius eine Zeit der Ruhe und Freiheit beginnen würde. Franz Rodewald wußte, daß der Bildhauer Mario, sein Jugendfreund, seit Jahren vergeblich um Gabriele geworben; daß sie ihn mehrfach ab- gewiesen und vor kurzem noch eine leidenschaftliche Beziehung zu einem jungen Adeligen gehabt hatte, der den Winter über von seinen Gütern her in die Stadt gekommen war. Dieser junge Adelige war allerdings wieder aus der Stadt verschwunden, und Gabriele schien unter der Leidenschaft zu dem schönen, leichtlebigen Menschen sehr gelitten zu haben. Denn, so erzählte man Franz Rodewald, sie habe sich von allen Freunden völlig zurückgezogen; man habe sie nirgend» mehr al« auf der Bühne ge sehen; und auch da hätte sie in ihrer Kunst einen Zug von Leid und scheuen: Verbergen gehabt, der ihrer überschäumeitt>cn Natur bi» dahin fremd ge wesen. Eines Tages war der Bildhauer Mario aus Paris, wo er mehrere Jahre ein strenges Arbeits- leben gelebt, heimgekommen. Jedermann wußte, daß es Gabriele» Nein gewesen, das ihn damals fortgetrieben. Um so weniger begriff man, daß wenige Tage nach seiner Heimkehr, kaum daß Gabriele ihn hatte Wiedersehen können, sie seine Braut wurde. — Franz Rodewalds erster Dang war zu Mario, seinem alten Freunde. Er fand den sonst so Stillen, ja etwas Melancholischen, in einem Zu stand so voll von Glück, daß es gleichsam aus ihm herausbrannte, und in einer Verwirrtheit der Freude, wie ein Kind, das man mit Geschenken überschüttet. »Ich weiß es nicht, ich weiß e« ja selbst nicht", antwortete er auf die Frage de» Freunde», „ich weiß nicht, warum sie mich nun nimmt, nach all den Jahren. Und ich fühle, sie liebt mich. Warum sollte sie auch sonst — sie, deren Leben so glänzend, so begehrt ist." „Habt ihr denn in den Jahren, in denen ihr getrennt wäret, brieflich eine Verbindung aufrecht erhalten?" fragte Franz Rodewald. „Nein; wir waren ohne jede Beziehung. Drei Jahre lang. Ich hatte ja nach Gabriele» Nein weder Mut noch Hoffnung. Ich komm« hierher, um meine Ausstellung vorzubereiten, erhalte einen Brief von Gabriel«. Ich sehe sie wieder — und ich gewinne sie. Was in ihr diese Wandlung hervorgerufen — ich weiß es nicht. Wer kennt die Wege de» Herzens. Ich weiß nur, daß ich Gabriele besitze. Und daß mein Leben erst jetzt vollendet sein wird. Aber gehe du zu ihr — ihr seid Jugendfreunde; vielleicht er» kennst du, was mir — und vielleicht auch ihr dunkel ist." Franz Rodewald saß Gabriele Gysius gegenüber in der grünen Tee-Ecke ihre» Zimmers. Da» Tages licht wurde von silberner warmer Dämmerung hin- weggenommen. Gabrieles Gesicht war -art und ver halten und schimmerte sanft wie der Strauß weißer Nelken, die in breiter Schale auf der silbrigen Seidendecke standen. „Wie es gekommen ist? Dir will ich es gern er- zählen, Franz. Aber es ist noch nicht für Mario. Er soll noch glauben, daß Feurigere« mich zu ihm trieb. Er soll erst sicher in mir werden nach den Jahren des Schmerze« um mich. Du hast von meiner Beziehung zu dem jungen Grafen Solthausen gekört? Nein, es tut mir nicht weh, darüber zu sprechen. Ls war ein Fieber, das keine Erinnerung zurückließ als eine tiefe Er mattung. Ich hatte eine Leidenschaft für Solthausen, bedenkenlos, kritiklos, ohne Willen zum Widerstand. Er hat mich besessen wie nie ein Mann. Aber glaubst du, er Hot mich geliebt? Lr hat sich selbst in mir geliebt, seine Eitelkeit, seinen Mannestriumph, daß die berühmte Gysius seine Geliebte war, was werg ich. — Und er hat mich mit jedem einzigen Dort, ja mit jeder Zärtlichkeit beleidigt, gekränkt, verwendet. Ls gab, so glaube ich, für ihn keinen Unterschied zwischen mir und irgendeiner kleinen Choristin. L» war nicht Böswilligkeit bei ihm; er konnte nicht ander«. Selbst wenn er mich in seinen Armen hielt, war ich, ich mit meinem Ich, ihm ferner, al* wenn wir auf verschiedenen Sternen wären. — Lr trennte sich von mir wie von der Deföhrtin einiger leichtsinniger Tage; keinerlei Empfinden war in ihm dafür, was er mit meiner Hingabe empfangen hatte. Ich blieb zurück mit einem leeren -erzen, in dem nicht» lebte al» Stummheit und Verachtung gegen die Männer, die nichts von uns wissen, selbst wenn wir ihnen gegeben sind. Line» Morgen« bekam ich einen Brief von meinem jungen Bruder aus Paris. Und in diesem Briefe erzählte er mir ein wunderliche« Erlebnis. Im LafS sitzend, habe er sich von einem ihm völlig Fremden am Nebentische beobachtet gefühlt. Dieser Fremde habe nach längerem Zögern sich seinem Tische genähert und folgende Worte etwa gesagt: „Ver- zeihen Sie mir, daß ich Sie beobachte — Sie müssen ein Bruder von Gabriele Gysius sein. Zwar sind Ihre Gesichter ganz verschieden — aber eben, al« Sie lächelten — ich kann mich nicht täuschen — es war das Lächeln Gabrieles." Im weiteren Gespräch ergab es sich dann, daß dsr, der meinen Bruder er kannt hatte, Mario war. Als ich diese Erzählung la», gab es wie einen süßen, drängenden Schlag gegen mein verstummtes Herz. Du weißt, Franz, wie verschieden mein Bruder und ich sind — niemand würde die Geschwisterschast erraten. Nur er — Mario — wie tief mußte er mich kennen, wie tief mußte er mich lieben, er, der mein Lächeln auf den Lippen meines Bruder» fand. Hier war mein« Heimat, ich fühlte es unabweisbar. Und ich schrieb ihm, er möge kommen." Ungarisch l Groteske von Zum Gespräch wählte Sukatschew den un- günstigsten Platz: wir wurden herumgestoßen, man trat uns auf die Füße, denn wir begegneten un« an einer Straßenkreuzung von zwei Hauptstraßen. Dennoch erzählte mir Sukatschew die Geschichte zu Ende. Uebrigens bin ich der Meinung, daß unsere Begegnung auf der Gasse sehr günstig war, denn in einem geschlossenen Raume würde Sukatschew wie ein Kind weinen. Sukatschew hielt den Knopf meines Sakko krampfhaft fest, wie ein Matrose, der beim Ertrinken sich an ein Rettungsboot klammert, und begann: Sehen Sie, ich hatte geschäftlich in Budapest zu tun und mußte früher oder später eine Reise dort- hin unternehmen. Aber es störte mich, daß ich die ungarische Sprache nicht beherrschte. Und da kam mir im Kopf der Gedanke — hol ihn der Teufel! — in der Zeitung ein Inserat folgenden Inhalts zu ver- öffentlichen: Suche einen Lehrer der ungarischen Sprache. Honorar Nebensache! Am nächsten Tag erschien bei mir ein netter, junger Mann. Ich kann Sie in der ungarischen Sprache unter- richten. Sind Sie denn ein Ungar? Nein, aber mein Großvater lebte lange Jahr« in Ungarn. Dann flüchtete er im Jahre 1848 infolge der Verfolgungen Hortys. Was erzählen Sie denn da? Im Jahre 1848 war Horty noch gar nicht auf der Welt. Zugegeben, aber was folgt daraus? Wenn ich einen Großvater hab«, weshalb kann Horty keinen Großvater haben? Ein Großvater flüchtete vor dem anderen Großvater und sonst nichts. Also wollen Sie Ungarisch lernen? Gern. Was kostet der Kur»? Das hangt ganz von Ihnen ab. Ich kann mein Honorar täglich oder wöchentlich erhalten. Wöchent lich kostet es billiger und geht rascher. Ich bitte den Unterricht zweimal wöchentlich zu erteilen! Das wird 200 Goldrubel pro Woche kosten. Und dann muß ich bei Ihnen wohnen, muß stets mit Ihnen beisapnnen sein. Nach einem Monat werden Sie ungarisch, wie Beethoven, svrechen. Aber gestatten Sie, Deetyoven hat ja nie ungarisch gesprochen. Desto schlechter für ihn. Denn ich ihn seinerzeit getroffen hätte, so hätte er Ungarisch, wie Dante Alvzbieri, gesprochen. Aber Dante war ja ein Italiener! Einerlei, ich spreche Italienisch, wie ein Gott. Darf ich morgen zu Ihnen übersiedeln? Don mir aus heute! * Die erste Stunde machte auf mich den an- genehmsten Eindruck! Wir werden doch mit der Graizrmtik beginnen? frug ich. Sie werden gleich angenehm überrascht sein, lächelte mein junger Lehrer, die ungarische Sprache hat überhaupt keine Gramniatik. Dort kennt man kein Deklinieren, kein Konjugieren. Zum Beispiel in Ihrer Muttersprache sagt man: Ich sah ihn auf der Gasse gehen. Und auf Ungarisch sagt man so: Ich sehen er gehen auf die Gaffe. Also Ungarisch ist eine sehr leicht« Sprache? Das kann man nicht behaupten! Die ungarischen Worte sind sehr schwer zu merken. Aber in einem Monat werden Sie perfekt ungarisch reden. Ich kenne ein einzige» ungarische« Wort und des halb wollte ich damit vor meinem Lehrer Parade machen. Keffenem! sagte ich. Er war erstaunt. Was? Ich sage „Keffenem!", da» heißt auf ungarisch „Danket". Ist denn Ihnen diese« einfache Wort nicht bekannt? Ach, ja. Aber Sie haben dieses Wort unrichtig ausgesprochen, und deshalb habe ich es nicht ver standen. Nicht küffenimm, sondern keffenem. Aber, wollen wir nicht vom Thema abschweifen. Bitte notieren Sie sich und lernen Sie auswendig die weitverbreiteten Phrasen: Guten Tag — awalakitaschwara! Wie geht es Ihnen? Dasogenera tor. Auf Wiedersehen — Di« sel motor! Ich schrieb akkurat diese Worte auf. Und da mir die fescl/n Ungarinnen stets gefielen, so fragte ich den Lehrer: Sagen Sie mir, wie sagt man aus ungarisch einer Frau: Ich liebe dich! Er lächelte und sagte dann nach einigem Nach- denken: Dou« ete» stupid«! Danke, wir werden es notieren. Die Arbeit war bei un« in vollem Gang«. Jeden Morgen, wenn wir aufstanden, begrüßten wir uns auf ungarisch: Sie wrrden sonst die Aursprache verderben! Und meine Aussprache war tatsächlich nicht Übel. Jeden Morgen, wenn wir ausstanden, begrüßten wir un« aus ungarisch: Awalokitoschwara! sagt« mein Lehrer. Ischias! antwortete ich. (Habe die Lkre!) Filegmona? (Wie haben Sie geruht?) fragte er weiter. Lhi rogra! (gut) antwortete ich. Fistu la Fu runkel? (Wollen Sie Tee oder Kaffee?) fragte der Lehrer weiter. Dia bet! (Kognak!) rief ich lustig. Ueberhaupt amüsierte mich die ungarische Sprache sehr. Ich fragte einmal meinen Lehrer: Herr Lehrer, wie heißt aus ungarisch: „Der Baum?" Tarn! sagte er ohne nachzudenken. Und zwei Bäume? Tam, tam! Und drei Bäume? Tam — tam — tam! Und ein ganzer Wald? Tram tam tam! Tram tam tam! Großartig! Da« werde ich nie vergessen! Ja, daran werden Sie Ihr Leben lang denken. * Und an einem schönen Tag war der Unterricht beendet. Der Lehrer packte seinen Koffer und sagte: Dous etes grande stupide! (Ich habe Sie lieb gewonnen!) Pi na kote ka! (Sie find mir sympathisch!) ant- wartete ich. Die sel motor! (Auf Wiedersehen!) Keffenem! Er ging und steckte sein Geld ein. Ging auf immer... * Als er seine Erzählung beendet hatte, ließ Sukatschew den Knopf frei, senkte den Kopf und schwieg. Und wie ging die Sache weiter? fragte ich ihn dann. Er schrie wütend auf: Wie? ? I Ich fuhr nach Budapest, passierte die Grenze, und da wollte ich mit meinen ungarischen Grenzen mich zeigen und fragte meinen Loupänachbar in ungarischer Sprache: Bum, tram tam tam? (Lin schöner Wald?) Er schaute mich erschrocken an und rückte weiter vor mir. Gase aene rator? fragte ich weiter. Er nahm sein Gepäck und verließ rasch das Coups. Ich ging in den Korridor hinaus und fragte ein Fraulein (eine fesche Ungarin) auf ungarisch: Pren go Stationa? (Kommt bald eine Station?) Sie begann zu schreien. Jemand zog die Notleine, der Zug blieb stehen. Man schleppte mich aus den Zug heraus, führte mich zum Stationschef. Als ich dem Slctionschef das Dorgefallene in ungarischer Sprache erzählte, ließ er mich in ein großes ungemüt liches Haus abführen, wo man mich zwei Monate hielt. Das ganze Personal lief dort in weißen Kitteln herum. Und auch ich war in einem grauen Kittel. Nun, sagen Sie selbst, war mein ungarischer Lehrer kein Lump? Ich lachte. Jetzt muß ich nach Hause. Seien Sie in Zukunft vorsichtiger. Di sel motor! Was? Sie sagen ja selbst, daß das auf ungarisch: Auf Wiedersehen! heißt. Gehen Sie zum Teufel. . . . Und er schlenderte die Gasse herunter, dieser Mann, der auf ungavisch nur das eine Wort „Keffenem" verstand und der dafür viel, viel Geld bezahlt hatte... (ArrtvrGcrte Uebersetzung au« dem Russischen von Maurice Hirbvmann.) ... Vie Geburt des LockiMs Nach dem Amerikanischen Von v»»lp ^«lenksr Der Cocktail wurde geboren im Jahre 1836 zu Washington in einem Dorstadtkasfee. Und zwar auf die folgende, nicht ganz gewöhnliche Weise. E» herrschte zu jener Zeit in den Bereinigten Staaten eine Duellwut wie vor und nach dem noch nicht und nie wieder in keinem Lande der Erde, der- gestalt, daß man bei der geringsten Streitigkeit all- sogleich sich forderte, di« Pistolen zur Hand nahm und auf ein ebenes Feld ging, um die Angelegenheit durch ein Duell zu regeln. Eine, Tages nun kam ein Mann namens John Hopkins in Geschäften nach Washington. Alsbald trug man ihn mit zerschossener Schulter in besagtes kleines Kaffee. Den Derwun- deten wieder zu beleben, bereitete der Inhaber des Kaffee», dem nur schwache medizinische Kenntnisse eigneten, ein Drink, das er aus allen Produkten zu sammenmixte die ihm gerade in die Hände fielen: Gin, Whisky, Branntwein, gestoßenes Eis, Zucker, Zitrone und andere, noch tat er in ein <Äa« und flößt« da» seltsame Getränk dem auf den Tod ver wundeten Manne ein. Der hatte kaum das Zeug im Leibe, als er, von neuen Lebensgeistern beseelt, freudig aufsprang und dem Wirt begeistert die Hand schüttelte. John Hopkins aber hat später mit dem wunder baren Drink alle Schmerzen und sogar die Behand lung de» Arztes überwunden und trank es bis an sein selig Ende. Und al» sich diese Geschichte in Washington herumgesprochen hatte, liefen alle Kranken au» den Praktiken der Aerzte fort zu dem Kaffeehausbesitzer, um sich nach dessen improvisiertem Rezepte kurieren zu lassen. Da« ist noch nicht hundert Jahre her, und heute gibt e» in Amerika weder Duelle mehr nochCocktails. Diese schaffte die Regierung ob, jene die Menschlich, leit. Woraus man wieder einmal ersehen kann, wie die Menschheit Fortschritte macht von Tag zu Tag, bis sie dereinst in den gottgefälligen Zustand voll kommener Reinheit gelangt und wir dann sozusagen wieder paradiesische Zustände auf Erden haben.