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SorrrtLd^sä, ckeu 2S. LprN . wenn Nalkulatersch in de Boomblut zieh'«... Es sei mir fern, mich über dieses schone Lied lustig zu machen; oder über Kalkulatersch oder über die Boombliede. Zch habe einen tiefen Respekt vor. dem süßen Kitsch, der zumal aus dem von lenzlichen Empfindungen ausgelockerten Volksgemüt ins Kraut schießt, wie ein Spargelbeet. Leipzig hat zwar wenig Gegend, aber viel Baum blüte und noch mehr Kalkulatersch. So erklärt sich die Entstehung von Rötha und des dazu gehörigen Gaffeezug», der täglich vom Haupt- und Bayrischen Bahnhof dahin abdampft. Die Baumblüte ist die Sehnsucht nach der Ferne, von der da» kleine Leben Awchkig ergriffen wird. Mutter packt die Bemmen, Vater läßt die Akten, Frieda nimmt die Gitarre, Atox schwingt sich auf» Rad und Willi hängt die Bo tanisiertrommel run. Hingegen lassen Kommerzienrats die Rohr- plattcnloffer vom Boden holen (auf dem einen klebt noch immer aus Pietät und Protz der Zettel — llatol Durope"), bestellen Schlafwagenplätze und re'sen nach dem Bodensee. Warum singt man nicht: Wenn Kommerzienrats nach dem Bodensee ziehen? Kalkulatersch müssen berhalten, weil die Sehnsucht nur bis nach Rötha reicht. Nicht nur Sehnsucht nach der Ferne, also Roman- tik, ist die Baumblüte, sondern auch Poesie und bil dende Kunst. Dann denn sonst wird Kalkulatersch' Leben von so viel lyrischem Duft angesäuselt? Wo denn sonst sieht er, zwischen Aktenstaub und klein häuslicher Muffigkeit, so viel leuchtendes Weiß? Da- zuüschen den zarten Rosa-Hauch von Apfel und Apri kose und darüber das faltenlose, himmelblaue Früh lingszeit. Wie gemalt, stellt Dater fest. Also einfach großartig, genau, wie's in der Geschichte im „Hau»- frauenblaA" beschrieben steht, bemerkt die Mutter. Und da sage einer, die einfachen Leute wissen nicht» von Poesie und Kunst. Kommerzienrats am Bodensee sind von der Baum blüte nicht halb so ergriffen, wie Kalkulatersch in Rötha, wiewohl der Ausblick vom Seehotel in Friedrichshafen auf die blühenden Bäume beträchtlich imposanter ist. Hingegen gibt es am Bodensee kein« Gose, keine Ginderwagen, keinen Gaffeezug, keine Galgelatersch und kein Gäsebemmenpapier. So hat Rötha seine Vorzüge, aber auch der Bodensee. Was mich betrifft, ich löse das Dilemma so: ich halte zwar zu Kalkulatersch, ziehe aber den Bodensee vor. ... Vlsir. Selbstmord eine- Pfarrers. JnHohenauen bei Rathenow erschoß sich aus bisher unbekannten Gründen der evangelische Pfarrer Pastor Müller. Preisrsduktlvn in den Preßburger Hotels. Die die Union der Gesä)äftsreisenden meldet, hat die Prcisbestimmungskommission in Preßburg ver fügt, daß die Hotelpreise um 30 Prozent reduziert werden und den Gefchäftsreisend-n eine separate Be günstigung von 10 Prozent in allen Hotels gewährt werde. Erfahrungen mit Dienstboten. Der englische Ab geordnete der Arbeiterpartei Stanley Burgeß hielt kürzlich eine Rede über die Dienstbotenfrage, und danach redete ihn ein aristokratisches Mitglied an und sagte: „Lieber Burgeß, Sie wissen nicht so viel über die Dienstbotenfrage wie ich, denn ich habe vier Dienstboten." „Ich allerdings nicht", erwiderte Brrrgeß, „aber ich habe vier Dienstmädchen den Hof gemacht." „So", fragte der andere, „und mit wel chem Erfolg?" „Die letzte habe ich geheiratet", war die Antwort, „und bin sehr glücklich geworden". Feuersbrunst in der Festung Maubeuge. Ein anscheinend durch Kurzschluß hervorgerusener Brand zerstörte in der Feste Maubeuge sämt liche Gebäude des alten Arsenals. Wenn auch die Munition gerettet wurde, so ist der Materialschaden doch sehr groß. Er beläuft sick auf mindestens vier Millionen Franken. Bei Maubeuze wurde, wie bekannt, l914 in den letzten A lgusttagen gekämvft. Die Fest» a war eingeschwssen worden und kapitulierte am 8. Sep- cmber. Das entfesselte Theater Don S»ors Pfllkournstl Jede Bühne will eine Wirklichkeit vortauschen. Es mag unsere eigene Welt sein oder eine versunkene oder eine noch nie dagewesene, nur als Traum- und Wunschbild von der Phantasie geschaffen — immer sollen Bilder geschaut werden. Im Mittelpunkt dieser Bilder stehen lebende, handelnde, leidende Dlenschen, dargestellt von Menschen, die uns da» Leben, Handeln, Leiden vortäuschen, mit Hilfe der Rede, de» Gesichtsausdrucks und aller übrigen kör perlichen AuLdrucksmöglichkeiten. Nüchterne Denker meinten, treue Nachahmung -es Erlebten sei Ziel. Aber was so entsteht, wird niemals Kunst, höchsten» Beweis mühseliger Nach ahmung. Wahrheit de» Leben» und Wahrheit der Kunst sind zweierlei, nirgends durch weite« Ab stände getrennt al» auf der Schaubühne. Man denke an die fehlende vierte Wand der Innenräume, an den Dretterboden, an den Vers de» Sprechdramas, an tun Gesang der Oper. Im letzten Viertel des 19. Jahrhundert» hat das naturalistisch« Theater Wirklichkeit und Kunst gleich gesetzt, der Phantasie keinen Raum mehr lassen wol len und dem Schauspieler nichts erlaubt als die Be scheidenheit des Lebens. Sich selbst als Schöpfe rischen, Eigenständigen mußte er ausschalten, um ^ur Kopie irgendeiner Alltagsgestalt zu werden. Da» Theater wurde der Dichtung, nicht ihrem Sinn, son dern ihrem Wortlaut botmäßig, e» wurde literarisch in einer Zeit, da die Literatur auf Höhenflug ver zichtete. Bald erkannten einzelne, wie unnatürlich dieser Naturalismus war, weil er der Natur, dem Weseu aller Kunst und insbesondere der Bühnenkunst wider- forsch. Rach der Jahrhundertwende kam der Symbo lismus, al» sein Prophet der Engländer Gordou Craig. Er predigte dir Stilbühne, auf der alle» ander» war, al» im Leben, der Maler nie dagewesene Gebilde seiner Phantasie zeigte und der Spielleiter in sie hinein leidenschaftliche, in unwirkliche Gewän der gekleidete Gestalten setzte als Teile des Bildes, das nickt mehr widersinnig von unten her, von der Rampe beleuchtet wurde, sondern mit einem flutenden, wechselnden, von oben und von den Seiten strömen- den Licht unirdischer Art übergossen. Strenger noch «t» provr war der Darsteller gebunden, ihn» blieo L 4 i« Fraukrelch beruichtet. Da« Luftschiff 2 4 ist betLoulon beim Landen zerstört worden. 2 4 gehörte zu den ersten Lustkreuzern, die nach dem Berfa iller Friedenevertrag an Frankreich ausgeliefert werden mußten. Glue Milliardärsgattiu beraubt und au« de« Zuge geworseu. Die Frau des griechischen Milliardärs Kautas aus Florina, die auf der Heimreise von Wien nach Athen war, wurde kurz hinter Semlin in der Nähe der Donau brücke von Eisenbahnbeamien auf dem Bahn damm schwer verletzt und vhn Besinnung auf gefunden. Die Polizei stellte fest, daß sie auf der Fahrt überfallen, beraubt und au« dem fakr «den Zuge hinauSaeworftn worden ist. Bon ocm Täter fehlt bi« jetzt jede Spur. Ver Coup -es Dollar-Kavaliers Als Zechpreller verhaftet — Die bestohlene Band gewinnt 17S Millionen Der 17 Jahre alte Banklehrling Herbert May, der wegen Unterschlagung von 10000 Dollar jetzt von der Kriminalpolizei in GrSlar verhaftet worden ist, hat ein dolle« Geständnis abgelegt Er hatte am Morgen vor seiner Tat und Flucht gelesen, daß einer seiner Freunde, der bei dieser Bank kurz zuvor gleichfalls eine Millionen unterschlagung begangen hatte, vom Gericht Be währungsfrist erhalten hatte. An seinem Schreib pult hatte er hierüber mit anderen Angestellten gesprochen und erklärt: „Jetzt mache ich auch meinen Coup! Die Hauptsache ist, daß man möglichst kleine Dollarnoten in die Hände bekommt, weil sie einem gesuchten Defraudanten ja große Werte nicht etnwechseln." Man hatte seine Ankündigung für einen Scherz gehalten und noch darüber gelacht, als er wenige Minuten nach dieser Ankündigung den Auftrag erhielt, lOOoO Dollar etnzukassieren. Die Direktion der Bank hatte schon eine halbe Stunde nach seiner Flucht das Verbrechen durch Nachfrage entdeckt und sofort alle Kriminalbehör den davon unterrichtet. Trotzdem glückte e» dem Siebzehnjährigen, sich al« steinreicher Winterkur gast nebst weiblicher Begleitung em Vierteljahr lang in der Provinz umherzutreiben. Da er schließlich die geraubten hohen Dollarwerte nicht einzuwechseln wagte, wurde er plötzlich mit einem Vermögen in der Geheimtasche ein armer Mann. La» Lofel, in dem er nicht mehr be zahlen konnte, hielt ihn für einen Zechpreller. So siel er der Polizei in die Hände. Die Bank hat übrigen» nicht nur keine Ver luste durch seine Defraudation, sondern noch einen schönen Gewinn erzielt. Al» Mah Mitte Ja nuar die 10000 Dollar unterschlug, waren es bei einem Dollarstande von 850o Mark insgesamt 85 Mtllienen Mark. Heute werden der Bank nach Abzug der Millionen, die Mah inzwischen ver jubelt hat, Dollar im Werte von etwa 200 Mil lionen Mark zurückgebracht Da nun nicht an zunehmen ist, daß die Firma, wäre die Unter schlagung nicht geschehen, noch im Besitze der Dollare sein würde, so tritt der Fall ein, daß die Äankfirma durch die Unterschlagung de» May einen Dollargewinn von rund 175 Millionen Mark erzielt hat. «landprtise der Proper Herbstmesse. Die Messedirek- tion har beschlossen, dt« Ttaadpreise sür die Vii. Prager Herbstmcsse (2. bi« S. September 192S) abermals herab- »usetzen. Di« Portugiesischer Dampfer gestrandet. Es wird gemeldet, daß der portugiesische Postdampser „MossamedeS" gestrandet ist und von dem Passagierdamvfer „Port Victor" verlassen auf gefunden wurde. Bon den Passagieren und der Besatzung, insgesamt 287 Personen, war keine Spur zu entdecken, ebenso wenig von treibenden Booten. Der vlutregen. Römische Blätter berichten von einem großen Sturm, der dieser Tage in Genua gewütet und die Phänomene des so- genanten „Blntregens" gezeigt hat. Ter Regen führte nämlich eine große Menge roten Sande- mit, der wahrscheinlich au» Zentral afrika stammt. Amerikanische Erlebnisse Don Präsident a. D. vr. Aolnft«e«1 Strsekse villia» Ala, 5. April. Zn Cincinnati und Columbus hatten wir Mitte März noch Schneetreiben. Al- wir nach sünfzehnstündiger Fahrt in Washington morgens aus der Bahn stiegen, wehten uns die ersten Früh- ltngSlüfte an. Die Knospen an den Bäumen schienen im Begriff aufzuspringen. Noch eine Nachtreise Welter und wir stiegen in Baleigh, der Hauptstadt von Nord Laroltna, aus Da lag schon ein grüner Schimmer über den Bäumen und die Obstbäume standen in Blüte. Jetzt haben wir in Billion an der Perdido Bah nach weiterer 24 stündiger Fahrt den Pollen Frühling. Im süd lichen Florida soll schon die Sommerhitze die dies jährige Vadesaison geschlossen haben. Auch im Klima Amerika» dieser Reichtum und diese Gegensätze. Zn Nord-VaroNna konnte ich mich zehn Lage lang oushalten. Was einem zunächst auffiel, war der endlose Wald, meist Kiefern. Harz- und Terpentingewinnung war deshalb auch der An fang des wirtschaftlichen Lebens hier. Dann kamen die Baumwollplantagen. Noch stehen die Stauden vom vorigen Jahr ans den Aeckern. Aber schon wird überall der Pflug angesetzt, um die neue Pflanzung für dieses Jahr vorzubereiten. Die große Industrie des Norden- und damit auch die Riesenstädte fehlen hier. Im wesentlichen be ruht der Staat aus seiner Landwirtschaft. Die Farmer haben viel zu klagen, weil ihre Produkte infolge des Ausfall- des euro päischen Marktes schlechtere Preise erzielen. Aber auf die amerikanische Regierungspolitik können Sie leider nicht entscheidend einwirken Ihre hübschen Villen stehen in den sauberen Landstädtchen, die allerdings meist auch ein we niger sauberes Negerviertel haben. Der Rest der Neger wohnt in armseligen Holzhütten zerstreut aus dem Lande. Wenigstens haben sie satt zu essen, wenn auch der Tagelohn niedrig ist. Manche ganz Alte haben noch die Zeit der Skla verei milerlebt. In Schulen, Gasthäusern und Eisenbahnen müssen sich die Schwarzen von den Weißen getrennt halten. Das ist ein Rest einer alten Zeit. Ebenso die Anschauung mancher Weißen, daß für die Bildung der Neger nicht zu viel getan werden solle. Welcher Kontrast übrigens zu dem ge lähmten, hungernden Deutschland. Eine um fangreiche Bautätigkeit an allen Ecken und Ei'^en. Zementierte Straßen sür den riesigen Autoverkehr schließen immer neues Land an die städtische Kultur an. Neue Kirchen und neue Schulen schießen wie die Pilze aus dem Boden. Uebcrall sieht man neue behagliche Einfamilien häuser in der Entstehung begriffen. Hier ist der Krieg so gut wie vergessen, wenigstens wirtschaft lich. Ter Aufschwung des Landes ist mit Händen zu greifen, die friedliche Arbeit durch nichts ge hindert Keine Soldaten, keine Kommissionen, keine fremden Diplomaten, nichts von all diesen modernen Folterwerkzeugen, mit denen die nationalistisch verhetzten Völker Europas sich gegen'eitig den Lebensodem rauben. Wenn wir nicht dauernd die Sorge um unser eigenes Volk daheim mit uns herumtrügen, könnte man hier Tage des ungetrübten Glücks genießen. Auch die Aufnahme, die wir Deutsche finden, ist durch aus freundlich Nord-Carolina ist schon seit dreizehn Jahren „trocken". Von allen prophezeiten üblen Folgen des Alloholverbots ist nicht eine einzige eingetrclen. Tas nüchterne Land ist trotz der KriegSsolgen heute wohlhabender und leistungsfähiger denn je Für die Zufriedenheit mit der Prohibition nur. ein Beispiel: Ter Hotelwirt in Warsaw erlies uns die Hotelrrchnung aus Anerkennung für unser Wirken gegen den Alkohol Er freut sich, daß sein Gewerbe durch die Nüchternheit so viel an An sehen und Solidität gewonnen hat. In der Tat fällt ein Vergleich zwischen dem Leben in diesen amerikanischen Hotels mit dem Leben in euro^.» pätschen durchaus zugunsten des ersteren aus. Zn Jacsonville (Florida) machen wir einen Lag Halt. In den Dünen am Ozean begrüßen wir die ersten Palmenbäume Anfang März habe ich mir im Norden da- Ohr erfroren, jetzt Ende Mär- Habe ich mir beim ersten Seebad die Haut ver brannt. Inzwischen aber haben wir uns an die Sonne des Südens gewöhnt. Ab und zu er frischende kräftige Regenschauer. Sonst immer dieser schöne blaue Himmel über den blauen Buchten und grünen Pine-Wäldern. Jetzt sitzen wir aus der Veranda der Terdido« Bah Hotel- in Billian. Der Name des Orte» ist da und der Ort selbst noch nicht. Ein echt ameri kanisches Erlebnis. Der Hotelwirt, der Schuh macher, der Bootmann, der Elektriker — übrigen alle Deutsche aus dem Norden — haben hier ihr Heim aufgeschlagen in Erwartung kommender Entwicklungen. Und diese werden iommen. Die entzückende Lage des Platzes an Wald und Bah, das wundervolle übers ganze Jahr hin tempe rierte Klima bieten alle Vorbedingungen für einen herrlichen Kurorr. Die wenigen Südländer, die noch in armseligen Baracken hier wohnen, ihr Vieh im Wald Herumlaufen lassen, und in der Bah Fische fangen, werden mit der Zeit ver schwinden Ebenso die Terpentingesellschaft^mit ihren Neger-Arbeitern, die nach JahreSsrisr die Bäume nicht mehr anzapfen darf. Verstreut in der Einsamkeit des Walde- liegen prächtige Farmen, immer noch erst ein Anfang der Besiedlung des Lande-, das in Händen der Bodenspekulation zum Ausbeutungsobjekt gemacht wird. Man könnte sich die Sache im Sinne von Henry G e o r g e besser organisiert denken. Aber es geht schließlich auch so, wenn der Staat der privaten Initiative das meiste überläßt und nur mit Straßen, Brücken und Schulbauten nachhilft. Auch von den Farmern sind viele Deutsche. Prächtig zu hören, wie sie au- der Wildnis Her ons aufgebaut haben! Freilich mancher muß auch zwischendurch den Kampf mit Geld- und Natur schwierigkeiten aufgeben und wieder im Norden nach rascherem Verdienst suchen. Auf wetten waldumrahmten Feldern wachsen Orangen und Pfirsiche, irische- und Süßkartoffeln (die übrigens mit Kartoffeln eigentlich nichts zu tun haben). Wir essen jetzt schon reife Erdbeeren und freuen uns am Dufte der blühenden Rosen. Eine Farm trägt den bezeichnenden Namen,Lmmev» grün". Ein Gärtner aus dem Hannoverschen hat sie vor zwei Jahrzehnten angelegt. TS ist daheim fort, weil da für einen armen Mann kein Stückchen Land mehr zugänglich war. Jetzt hat er hier eine Mustersarm mit deutschem Schön heitssinn ausgebaut, mit aller modernen Maschinerie ausgerüstet, in zähem Kampf dem Urwald abgerungen, die von der Land kompagnie kauflustigen Interessenten mit Vorliebe gezeigt wird, um ihnen Mut zu machen, auch ihrerseits ein Stückchen Urwald in Angriff zu nehmen. Trotzdem hat dieser Mann sich während des Krieges im benachbarten Pensaeola stellen und wie ein Verbrecher seine Fingerabdrücbr in dem flachen Relief kein Raum zu freiem Bewegen, er sollte nicht als Persönlichkeit wirken, und als letztes Ideal stand vor den Augen jener Erneuerer der Bühnenkunst eine feierlich schöne, durch Farben und plastische Formen bedingte Wirkung. Wallende Vorhänge ersetzten die Dekoration, und selbst die Hilfen der Schminke und der Barte zur äußeren Kennzeichnung des Charakters waren verpönt. Seit dem Münchner Künstlertheater von 1908 setzte sich diese Formsprache in Deutschland durch. Sie Hal ihre Vorgängerinnnen verdangt und herrscht beute im ganzen Bereich de» Sprechdramas, viel fach auch auf die Oper übergreifend, fast un umschränkt. Hochbegabte Künstler-Regisseure deuten au» diesem Formgefühl heraus alte Dramen um, schaffen sie gleichsam neu, werfen wesentliche Bestand teile der Dichtung beiseite, wo ihrem malerisch-musi- kalischen Empfinden kein Echo entgeyentönt, und er ziehen da» Publikum zum visionären, auf jeden Sinnrseindruck mit eigener Gestaltungskraft reagie renden Schauen. Hier ist die Phantasie entfesselt, der Schauspieler jedoch noch strenger als zuvor gebunden. Ihn zu be freien, ist vir Aufgabe, die der Leiter des Moskauer Kammercheater», Alexander Tairoff, sich seit etwa zehn Jahren gestellt hat. Sein schön gedrucktes, mit rnelen Bildern geschmückte» Buch „Da» ent fesselte Theater"", soeben in deutscher Heber- setzung bei Gustav Kiepenheuer in Potsdam erschienen, berichtet von dem Denken, dem sein Schaffen entsprang, so logisch, so überzeugend, daß schwerlich mit Derstande»gründen dagegen anzu- kämpfen wäre. Ihm ist auf der Bühne der Schauspieler das ein und alle». Von der Pantomime, nicht von dem ae- sprochenrn Wort, gebt er au», von der Handlung, oie ohne Handelnde, also ohne Schausoleler, undenkbar ist. Ausdruck der Handlung aber ist die Emotion», geste und da» Material, der Körper des Darsteller». Dieser muß aus» vollkommenste ausgebildet werden. Messterschauspieler können allein vom Dilettantis mus. der stümperhaften Lebenswahrheit de» natura listischen Theater» und der erstarrten Absichtlichkeit de- Stilbühne erlösen. In der Kunst de» Schauspieler» sind schöpferische Persönlichkeit, Material, Werkzeug und da» Kunst- wert selbst in demselben Objekt vereinigt, im Genen- fatz zu allen anderen Künsten. Deshalb bedarf es hin einer «och längere« «ad strenger« Lehrzeit, eines auserlesenen, aufs höchste durchgebildeten Kör per», und in diesem Sinne sind bisher die einzigen Schauspieler, die um die Bedeutung des Materials sür ihre Kunst wissen, die des Balletts. (Man denke an russisches, nicht an deutsches Ballett.) Der innere Schaffensvorgang, sich mit dec äußeren Verkörperung verschlingend, muß vom Willen beherrscht sein, von der Fähigkeit, Emotionen um sich hervorzurufen und zum Erklingen zu bringen in jedem Moment der Ausführung. Diese innere Technik hat schon da» naturalistische Theater ge pflegt, um die Lebenswahrheit des Erlebens zu er» reiwen. und es Kat damit stark physiologisch auf die Instinkte der Zuschauer gewirkt. Die „Illusion" war vollkommen, doch es war keine künstlerische, sondern di« des Lebens. Statt der physiologischen Empfindung soll der schöpferische, zum Meister gereifte Darsteller ganz anders geartete Empfindungen erwecken. Das see lische Gebilde ist eine aus der schöpferischen Phan tasie des Schauspielers geborene Synthese von Emotion und Form. Der Spielleiter ist dabei der Hrlfer des Schauspielers, unentbehrlich, weil die see lische Handlung gesetzmäßig in harmonisch auf einander abgestimmten Formen und als einheitliches Thcaterkunstwerk tn Erscheinung treten muß. Die individuelle Freiheit der einzelnen Schauspieler muß sich selbst beschranken, aber der Spielleiter soll und braucht sie nicht zu veraewaltiaen, wie es in den früheren Gestaltungsweifen geschah. Er findet, vom Schauspieler ausgehend, Vie neue Form, die den Dich ter nur al» Helfer des Theaters gelten läßt und sogar unter Umständen ihn entbehren kann. (In der Pantomime, im improvisierten Drama der italie nischen vowSäin äsll' arte.) Der Schauspieler schafft die szenische Atmosphäre, die dem Schauspieler behilflich ist, seine schöpferischen Absichten zum Ausdruck zu bringen. Da» verkleinert« Dio dell der Dekoration war Abbild eine» Raume», den, ohne jede Beziehung zum Spiel der Darsteller, irgendein Dekorationsmaler konstruierte. Dann ging man zu den gemalten Skizzen über und gewann für sie sogar anerkannte Meister de» Pinsel», für die der Schauspieler nur etwa so viel war, wie eine in da» Bild yineinkopierte Gestalt, da» Drama kaum vorhanden. Tairoff ging nicht vom Bild, sondern vom dreidimensionalen Raum au», der dem drei dimensionalen Körper de» Schauspieler» dienen sollte, iiwbesoubere vom Bühnenbode». Aus ihm de» wcgt sich der Schauspieler. Der Boden muß dem Rhythmus der Bewegungen und Gebärden angepaßt srin. Sehr gut bemerkt Tairoff, daß bis^etzt der bildende Künstler sich mit dem ganzen Reichtum seiner Phantasie dem Hintergründe und den Kulissen zuwandte, die er sorgsam und prunkvoll ausgestaltete. Saß man annehmen konnte, die Bühne sei nicht für Schauspieler, sondern für Wundervögel bestimmt, die in den Lüften ihr Wesen treiben. Wie er nun im einzelnen diese neue Bühnen« konstruklion fand und für jede Aufgabe gestaltete, läßt sich hier nicht darlegen, ebensowenig seine sehr einfachen und einleuchtenden Grundsätze für Kostüme, die zum Hilfsmittel der körperlichen Beredsamkeit des Schauspielers werden. Wir werden ja noch heute- das Ergebnis dieser theoretischen Erwägungen auf der Bühne des Leipziger Neuen Theaters prüfen und erkennen, ob uns stärkere, ungestörtere, dem Wesen des Theaters gemäßere Eindrücke zuteil werden als sonst, oder ob auch hier das ost bewahrte Wort Schillers zutrisst: Leicht beieinander wohnen die Gedanken, Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen. Ehrungen für Arno Holz. Der Reichspräsident Ebert hat dem Lichter mit einer Ehrengabe von einer halben Million ein sehr herzliches Glückwunsch telegramm gesandt: „. . . Das deutsche Volk verehrt in Ihnen einen seiner stärksten künstlerischen Ge stalter. Unsere schöne deutsche Muttersprache war Ihnen das unerschöpfliche Mittel für ihre unvergleich liche Gestaltungskraft, da» Werkzeug für di» Schaf fung der neuen und kühnen Formen, um dir Sir die deutsche Dichtkunst bereichert haben." --- Der preußi sche Ministerpräsident Braun sandte die Spende vsn einer Million: „Dem einzigartigen Dichter ans- rüttelnder sozialer Form und Kampflieder, de« Bahnbrecher neuer dichterischer Au»druck»»ege, de« kernigen ostpreußischen Landsmann." Der Ma gistrat der Reich»hauptstadt (mit 2K Flaschen alte» Ratswein): „Au» Ostpreußen schon früh zu »n» Ge kommen, haben Sie noch al» Jüngling die Bilder und Stimmungen der werdenden Tektsttidt in Ihr« Gedichten sestgekalten und di« Stadt Berlin, »or allem auch Berliner Arbeit an- Birll«« «ot, tn Ihren Ve«s« gespiegelt."