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8eiUr 2 «r. S» uo<i UsLtielsrettuLg SoavtLg, 6ea 22. LprU Englands Ruhrpolitik Lord Curzons Nede im Oberhaus Der englische Außenminister Lord Curzon er teilte am Freitag im Oberhaus die von der Oeffent- lichkeit mit so großer Spannung erwartete Antwort auf die Anfrage de« Lord Butchmaler über die Hal tung der englischen Regierung zum Ruhrproblem. In dieser Anfrage hatte Lord Butchmaler angedeutet, daß Großbritannien in ein« positive Ruhrpolitik ein treten müsse, um die drohenden Gefahrne für Europa zu bannen. Lord Curzon gab zunächst eine längere Ueberficht über die interalliierten Reparationsverhandlungen und faßte dann die Nuhrpolitik der englischen Re gierung folgendermaßen zusammen: „Unser Verhalten wird begründet von dem Wunsche, nicht nur an der Ruhr, sondern auch in Lausanne eine großzügige, auf die Erhaltung der Entente als eines Bollwerk« des Friedens gerichtete Politik aufzubauen. Wir halten nn wesentlichen an dem in Paris vorgelegten Repara- tionsplan fest, sind aber bereit, Aenderungen von Einzelheiten in Erwägung zu ziehen. Wir sind bereit, mit Frankreich Maßnahmen jjir seine Siche- runa in freundschaftlicher Weise zu erörtern, doch dürfen die von Deutschland zu gebenden Garantien nicht in der Zerreißung seines Landes bestehen, sondern müssen auf Gegenseitigkeit zwischen Frank reich und Deutschland aufgcbaut sein. Die englische Regierung halt sich bereit, um im rechten Augenblick Frankreich und Deutschland seine guten Dienste an- vieten zu können. Es war ein weiser Entschluß der deut schen Regierung, nicht auf der Forderung zu bestehen: Erst Räumung des Ruhrgebiete« und dann erst verhandeln. Di« Aussprach« über die Außen politik im Reichstage hat bewiesen, daß die deutschen Parteien einmütig bereit sind, den passiven Wider stand fortzusctzen, bei dem das deutsche Volk ein er staunliches Maß von Bereitschaft bewiesen hat, ge duldig die schwersten Leiden zu ertragen. (Lautes „Hort, hört!' auf allen Bänken.) Aus dem Bericht geht aber auch hervor, daß in Deutschland starke Kräfte am Werke sind, die eine friedliche Lösung des Konflikte« mit Frankreich suchen. Diese Kräfte müssen wir in jeder Hinsicht ermutigen. Ich kann nur den Rat wiederholen, den i chder deutschen Regierung immer wieder erteilt habe, den ersten Schritt zu tun und ein Angebot zu machen, um ans die öffent liche Meinung der Vntenteländer den Ein druck zu machen, dost Deutschland bereit ist, nach Kräften seinen Verpflichtungen nach- znkommen. Ich weih, Vast die französische und belgische Regierung bereit find, wenn ein solches Angebot vorliegt, sei es an diese beiden Länder, sei es an die Gesamtheit der Entente gerichtet, unverzüglich dar über mit den anderen Regierungen in Verhandlungen einzutreten. Deutschland als dem Lchuldnerland fällt die Aufgabe zu, den ersten Schritt zu tun, um die Bei legung des Ruhrkonflikts herbeizuführen." Die englische Regierung ist grundsätzlich bereit, die Ruhr- und Reparationsangelegenheit dem Völker bund zu übertragen. Ein praktisches Ergebnis ver spricht sic sich allerdings davon nicht. Eine Zurück ziehung der englischen Rheinbesatzung lehnt die eng lische Regierung ab.' Die von Curzon äußerst wirkungsvoll vor- getragen« Rede wurde vom ganzen Oberhaus mit lautem Beifall ausgenommen. Lord Grey, der im Namen der liberalen Oppo- sition den meisten Gedankengängen Lord Curzons zu stimmte, warnte nur davor, die Verhandlungen über die Reparationefrage und das Sicherungsproblcm in zwei aufeinanderfolgenden Etappen zu erledigen. Dadurch würde jedem deutschen Angebot, das sich auf Oer Fehltritt Bon Olnali kssiksn Die junge Frau in der Ecke des halbdunklen Coup6s saß sehr still. Sie hatte die Hände gefaltet und unter dem dichten Schleier glänzten ihre Augen feucht in immer wieder aufsteiaenden Tränen, in der Qual eiliger und trauriger Gedanken. „Nach Hause. . . ach,' sie erzitterte in Scham und Furcht. Zwei Tage war sie nun fortgewesen; aber was waren das für Tagei Eine Welt voll Irrtum, Schuld und Leichtsinn lag darin, eine Tat, die sie trennte von allem Lieben, Heiteren und Glücklichen ihres Lebens, von ihrem „zu Hause' — dem sie nun entgegenfuhr, schluchzend und ohne Hoffnung. Den noch ... sie wollte alles sagen! — Sie wollte vor ihren Mann hintreten, seine Hände fassen — wenn er sie ließ — und von ihrer Schuld sprechen — von dem Morgen, an dem sie ihn verließ, — um nie wieder zu kommen. Auf die Knie wollte sie fallen — und ihm sagen: „Ich habe ihn ja nicht geliebt! — glaub mir doch . . . Aber er kam so oft; — er war bei mir, wenn du in der Fabrik warst, — er küßte meine Hände und sprach in Worten, — die ich bei dir nicht kannte und die süß und neu . . . und ... so ... so berauschend waren. Er sagte es, — glaub mir! — er! — daß du mich nicht liebst, — daß meine Ehe leer wäre und unglücklich, . . . und ich habe seine Küsse genommen wie da» Schicksal und wie Befreiung, und habe geglaubt, da» sei Liebe. Und dann, — vor gestern — bin ich mit ihm gefahren bin — morgen», es war noch grau und kalt — au» unserem Haus gegangen.' Die Frau weinte. Sie hob die Hände, legte sie vor die Augen, das alles nicht noch einmal zu sehen — die Bahnhofshalle . . . du« kahle Hotelzimmer, — die beiden Betten . . . und sein Gesicht; als sie ihm alle« in die lächelnden, spöt tischen Äugen schrie: „Sie haben mich belogen . . . Eie haben mich unglücklich gemacht ... ich will fort!' — „Aber bitte!' hatte er gesagt. . . und sie war ge- gangen . . . Und nun war alles vorbei. Sie war schuldig . . . und ihr Mann würde es ihr nie ver zeihen! — „Aber einmal,' — sie richtete sich auf — „einmal will ich noch deine Lände nehmen. Ehrlich will ich jetzt sein. Ganz ehrlich! Will nicht« be schönigen — nicht lügen. Will, wenn du mich fort- schickst, still gehen au« meinem Lau, und von dir, den ich liebe. Aber ich will ehrlich sein! Alle Men- schen sind falsch!' — sie entsann sich einer Freundin, die ein Kind hatte und ihr Brautkleid mit unzähligen Myrten schmückt« — „<wer ich will wahr sein. — die Reparabionsfrage erstrecke, von vornherein bereit» das Todesurteil gesprochen. Der Curzon-Rede wohnten im Oberhaus der. deutsche und -er französische Botschafter bei. Reichstag ohne Abgeordnete Dr«ht»ertcht unserer verltner Gchrtftlettuag Berlin, Ll. April. Die heutige Sitzung de» Reichstages, die schon auf 10 Uhr vormittag» angesetzt war, sollte der Beratung eines Antrages der Mehrheitsparteien dienen, der die Sprengung von Versammlungen mit Gefängnis und Geldstrafen bi» zu einer Million Mark bedrohte. Damit verbunden war die Bera tung eines Antrages, den die sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Levien und Crispien schon im vorigen Sommer eingebracht hatte» und der sich gegen Beamt« wendet, die grobfochrlässig oder absicht lich gegen das Gesetz -um Schutze der Republik ver stoßen. Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragte der kommunistische Abg. Eichhorn unter Hinweis auf den schwachen Besuch des Hauses, die Beratung der Anträge auszusetzen. Ein Abgeordneter der Deutschen Dolkspartei widersprach, so daß man zur Abstimmung schritt. Nun bezweifelte Eichhyrn die Beschlußfähig- leit de» Hauses. Vizepräsident Dittmann ließ eine kleine Pause eintreten, damit die Abgeordneten ihre Plätze einnehmen könnten, mußte dann aber doch zugeben, daß .da» Haus nicht beschluß fähig sei; es waren nur 127 Mitglieder anweseird. Da keine Aussicht bestand, daß das Haus nach einer Paust einen stärkeren Besuch aufweisen würde, schloß der Präsident die Sitzung und beraumte die nächste Sitzung auf Montag nachmittag 2 Uhr an. Auf der Tagesordnung stehen außer den heute nicht beratenen Anträgen das Diersteuergesetz und der Haushalt des Reichswirtschafts Ministeriums. O Am Freitag setzte der Reichstag die Aussprache über den Haushalt des Reichswirtschaftsministeriums fort. Abg. Rreßer (Dt. Vpt.) warnte vor einer Politik der Konfiskation. Seine Partei billige die Maßnahme der Regierung zur Markstabilisierung. Bei einer Niederhaltung des Dollars dürfe man von dem Handel nur einen schrittweisen Abbau der Preise erwarten. Die Auffassung, daß mit dem Abbau der Preist auch ein Lohnabbau Hand in Hand gehen müsse, sei durchaus zu billigen. Abg. Keinath (Dem.) betonte die Bereitschaft seiner Partei, der Reichsregierung in ihren Unter stützungsmaßnahmen mit aller Energie beizustehen. Die Unterbindung der Preistreiberei müsse gefördert werden, namentlich durch Zusammenfassung der jetzt in jedem Lande bestehenden Sonderbcstimmungcn. Erstrebenswert sei die Schaffung eines neuen wert beständigen Zahlungsmittels. Abg. Robert Schmidt (Soz.) warnte die Regierung davor, dem Drängen gewisser Kreist nach einer Heraufsetzung des Dollarkurses nachzugcben; denn wenn sie das tue, dann komme man nicht um neue Lohnerhöhungen herum. Nach 6 Uhr wurde die Ei tzung auf Sonnabend vertagt. Meine politische Nachrichten Die Besprechungen über die neue Aktion der Negierung und der Rcichsbank zur Stützung der Mark und zur Verhütung der Devisenspekulation wurden auch am Sonnabend fortgesetzt. Ein ab schließendes Ergebnis konnte noch nicht erzielt werden. * Das französische Kriegsgericht in Bonn ver- urteilte den Schriftleiter Möndel von der Donner Zeitung wegen Veröffentlichung eines Artikels über das Attentat gegen Smeets zu 6 Millionen Mark Geldstrafe. Möndel befand sich seit drei Wochen in Untersuchungshaft. * Der König von Schweden hat das Rücktritts gesuch des Kabinetts Dranting bewilligt und die Er nennung des Kabinetts Trygger vollzogen. Minister Lchweyer sucht sich zu rechtfertigen Ltg euer Draht bericht de» Leipziger Ta»«»latt,i» Abstichen, 21. April. Zm Haushaltausschuß des bayrischen Landtags beantwortete heute Minister Schweyer verschiedene Anfragen über innerbayerische Angelegenheiten. Nach seinen Darlegungen sind die Lastauto», die bei oer letzten Felddienstübung der Hitlergarde ver wendet wurden, nicht Eigentum der Landes polizei gewesen. Der Leiter des Wehrkreis kommandos, General von Lossow, sei frei von jeder politischen Einstellung. Es könne von ihm erwartet werden, daß er in den ihm unterstellten Truppen Ordnung halten werde. Damit war freilich die Fest stellung der Münchener Post, daß auch drei aktive Reichswehroffiziere an jenen Hebungen als Führer teilgenommen hatten, nicht widerlegt. Auch sonst trugen die Ausführungen des Ministers den Stempel der Unsicherheit. Schweyer tadelte die Ueber- treibungen und Unstimmigkeiten, die in nationalisti schen Kreisen unter dem außenpolitischen Druck vor gekommen seien, meinte aber, daß die Oeffentlichkeit sehr von der Art und Weise beunruhigt worden sei, wie sie von gewisser Seite (er meinte die Linke) be handelt würden. Der Minister bekannte sich dann als Gegner der Republikschutzgesctze, die zu einer Gefahr für ü.e Front im Westen geworden seien. Er bezweifelte, daß es notwendig gewesen sei, im Auaenblick be deutungslose Dinge zum Austrag zu bringen, und bat dringend, daß der Staatsgerichtshof von dem Recht, in Eüddrutschland zu tagen, Gebrauch mache. Freilich müsse das Gesetz, solange es besteht, c» durchgefübrt werden. Man sieht, daß in einer kurzen Rede allerhand ge sagt worden ist, was weniger dazu angetan sein wird, Frieden zu stiften, als den Widerstandswillen und Umsturzgeist der äußersten Rechten zu stärken. In der Tat ist die Einigkeit, die der Minister verlangte, unterdessen durch den gestern gemeldeten Zusammen schluß der zwei großen „vaterländischen' Interessen kreise bereits wieder hergestellt worden. Man hat sich offenbar schon über die Person der Führer gcctnigt, wobei allerdings nicht bekannt ist, ob der frühere Iustizministcr Roth oder Sanitätsrat Pittinger der die gewesenen Einwohnerwehren hinter sich hat, ihren Ehrgeiz der gemeinsamen Sache untergeordnet haben. Die Rede des Ministers vermochte nur die Extremen zu befriedigen, und es ist kennzeichnend für die Gespanntheit der Lage, daß aus den Kreisen seiner eigenen Partei durch den Abgeordneten Roß - Häupter (Dayr. Volkspartei) die Antwort des Ministers als durchaus unbefriedigend bezeichnet wurde. Der Eingriff des Staatsgerichtshofes wäre nicht geschehen, wenn die bayrischen amtlichen Stellen ihre Pflicht gegenüber den rechtsstehenden Kreisen so erfüllt hätten wie gegen links. ver Münchner Nationalisten-Rummel dauert fort EtAseler Draht bericht dcS Leipziger Tageblattes München, 21. April. Gestern veranstalteten die Nationalsozialisten eine Versammlung, die von Zebntaulcnden besucht war. Das Versammlungslokal, der Zirkus Krone, war überfüllt, und viele Tausende konnten nicht mehr ein gelassen werden. In der Versammlung selbst und in Gesprächen der Teilnehmer wurde die Mitteilung kolportiert, preußische Kriminalbeamte seien nach München unterwegs, um die vom Staatsgerichtshof angeordneten Verhaftungen vorzunehmen, und Reichswehrabteilungen seien vom Norden her im Anmarsch, um die Staatsregierung in ihrem Kampf Deine Hände küssen und alles tragen, was du be stimmst.' Auf ihre gefalteten Hände fielen Tränen. Sic merkte cs nicht. Das Coups war halb leer. In einer Ecke schlief eine alte Dame. Eine Fliege schlug sich am Glas der Lampe, deren kränkliches, mattes Gelb den kleinen, düsteren Raum dumpf erhellte. Nattata... der Zug sauste. Hinter den klirren den Scheiben ahnte man dunkel und beängstigend still die Nacht. Hin und wieder ein Haus schien Frieden Heller Zimmer, warmer, naher Gemütlichkeit. Dann wieder Schwärze, Wald, vielleicht ein Hang, der Blumen trug im Sommer. Es war sehr warm. Sie seufzte. Traurig, im Wissen um dieses Schreckliche und Zerstörende ihres Lebens, schluchzte sie auf. Weinte, — bis sie, — und mit eins erzitterte ihr Herz in demütigem Glück, — ihre Lippen stammeln hörte: „Nach Hause! ach, nach Hause!' Aus dem Nebenraum klang Lachen. Mischte sich mit Schnarchen, Lärm des Zuges . . . rattata . . . wuchs in ein Raisschen, das cinschläfertc. Und im Schlaf glitten alle Aengste dieser letzten Tage über das blasse, so junge Gesicht, — erlebte sie noch einmal Schluchzen und Scham dieser letzten Stunden. „Bebra!' Allein auf dem kalten, zugigen Bahnsteig. Dic kleine Tasche in der Hand, wurde sie mutlos. Aber sie richtete sich auf, sprach vor sich hin: „Alles sagen, alles! — ruhig sein! — ehrlich fein!' — und ging rasch die Treppen hinab und — seitlich über das Feld — ihrem Haufe zu. Ihre kleinen Füße sanken in die feuchte Erde. Ihre Zähne klapperten. O Glück — da war ihr Haus. Einen Moment nur ausruhen! — Atmen! — Es wird alles gut! — Nur die Last von der Seele — und alles sagen! — Gab es das? — Soviel Angst? — Angst im Zittern ihrer Füße, im Schluchzen aus gewürgter Kehle, in stammelnden Worten: „Verzeih mir! — Ich tat »! — und ich bin hier. Ich bin schlecht . . . verzeih!' Eine Gestrandete war sie, diese kleine, blonde Frau. Eine, dic bebte und weinte. Die nachts ge schlichen kam über ein dunkles Feld und sich hinwarf mit Schrei und Tränen, gefalteten Händen und tau send Schwüren. Die an eine Pforte klopft ... an feine Pforte! . . . Die Hände ringt . . . Blick und Verzweiflung aus aufgerissenen Augen gegen ein dunkles Hau» wirst . . . und plötzlich wankt. „Er kommt! ... er kommt!' E» war da» Mädchen. „Die gnädig« Frau!' Sie lachte. Nahm ihr die Tasche ab, ging voran in das jäh erhellte Haus. „Mein Mann?' . . . wie ihre Stimme zitterte! Das Mädchen, eine hübsche, lustige Blondine, half ihr aus dem Mantel. „Der Herr? — Ach, gnädige Frau, mir mußten gar nicht, was wir tun sollten. Wie die gnädige Frau vorgestern gerade weg war, ließ der Herr anrufen. Wir sollten den kleinen Koffer in die Fabrik schicken. Er muß nach Frankfurt . . . und wir sollen schön grüßen!' .„Ach!" das war ein Schrei. Aber dic Frau lächelte. Aus ihren aufgerisscnen Augen glomm es langsam über das weiße Gesicht; — ihre Lippen zuckten . . . stammelten. „Mein Mann war gar nicht hier?' „Nein.' Da lief sie in ihr Zimmer. Tastete zum Schalter. Umfing mit Blick und ersticktem Jauchzen Wärme und vertraute Nähe des Hellen Raumes; schluchzte auf. Wagte noch nicht zu glauben. Und sah auf dem Schreibtisch, weiß und ungeöffnet, ihren Abschieds brief. Die Frau stand still, den Dries in der Hand. Ver suchte zu denken, lächelte nur, — ein dünnes, armes Lächeln, — mährend ihr Herz, jedes Glied ihres Körpers, jeder Schlag ihres gehetzten Blutes das Knistern des verschlossenen Briefes fühlte, wie das Streicheln einer lieben Hand. Da stand das Mädchen . . . eine Uhr tickte . . . und draußen — vor ihrem Haus, — rauschten die Bäume — wie immer, — wie immer! Sie reckte sich; zerriß lächelnd den Brief. Wandte sich um. Sagte zu dem Mädchen: „Packen Sie die Tasche aus,' — und langsam — ..ich war bei meiner Freundin in Halle. Sie war so krank . . . aber es ist vorbei!" Der neue Referent für da« sächsische Hochschulwesen. Au» Dresden wird uns gedrahtet: An Stelle des Mi nisterialrats Dr. Apclt wurde dem Regiersungsrat Dr. Robert Ulia unter Ernennung zum Oberregierungs rat das Referat für das Hochschulwesen im fächsischen Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts übertragen. Dr. Ulig, der bisher das Dezernat für Volkshochschulwesen inne hatte, ist 18SO zu Rieder mühl bei Cham (Bayrisch. Wald) geboren. Er ist Herausgeber der Blätter der Volkshochschulen Sachsens. Seine Veröffentlichungen liegen auf den Gebieten der Spezialpädagogtk und der Soziologie. Reinhard läßt sich scheiden. Max Reinhard hat bei dem Prager Gericht (Reinhard ist tlchechosloivaki- sch« Staatsangehöriger, da er in Stupau bei Preß- gegen die nationalistische Bewegung zu unterstützen. Der Zweck solcher Stimmungsmache ist durch- sichtig genug; übrigens wurden beide Nachrichten vom Iustizmiuister als leere Gerüchte bezeichnet. Die Sammlung für eine Spende für Hitlers 34. Geburtstag, dessen Ergebnis ihm gestern zu Partenwecken übergeben wurde, hat 11 Mil lionen überschritten. Nach der Versammlung begaben sich viele Natio nalsozialisten nach dem Bahnhof, um die preußischen „Kriminalbeamten" abzufangcn, wozu sie Schrift- leiter Esser aufgefordert hatte, doch warteten sie ver geblich. Inzwischen defilierten die Sturmtruppen mit Musik und Fahnen vor ihrem Führer. - Die Arbeitsgemeinschaft der Vaterländischen Kampsverbändc und dic Vereinigten vaterländischen Verbände haben sich zusammengcfchlosseu. Damit ist die Einheit zwischen denen um Ludendorff. H'tlcr, Tylander und der immerhin gemäßigteren Richtung, die der Name Kahrs kennzeichnet, wieder hcrgestellt. Man nimmt an, daß zu diesem Zusammenschluß die Sorge um das Vorgehen des Staatsgerichtshofes ge führt hat. Verschiedentlich wird befürchtet, daß d'c Verbände nun zu.Taten schreiten werden, wenn nicht die bäurische Negierung sich noch in letzter Stunde auf ihre Machtmittel besinnt. Oie „staatsgefcihrliche" Ooktorarbcit Ein Frankfurter Student arbeitet an seiner Dottorarbeit und muß zu diesem Zweck eine Umfrage bei den Landwirtschaftskammern veranstalten, die sich nach den Detriebsflächen der Kleinbauernwirt schaft erkundigt. Harmlose Menschen halten das für eine recht unschuldige Beschäftigung. Aber ein Frage bogen kam auch zu den schlauen Münchnern. Die witterten schnell Unrat und hatten nichts Eiligeres zu tun, als der Frankfurter Kriminalpolizei zu schreiben: Ein gewisser TPZ. veranstaltet bei den landwirtschaftlichen Organisationen Fragebogen- erhebungen nach der Größe der Kleinbauernwirt schaft: die Bolschewisten haben ein großes Interesse an der Frage, die Sache sei sehr ver dächtig, Ermittlungen über das Individuum seien anzustcllen. Und wahrhaftig, während der junge Mann in Darmstadt bei seinen Eltern in den Ferien an seiner Doktorarbeit saß, landeten in seiner Frank furter Bude zwei Vorladungen „zu eiyer Ver nehmung zwecks Ermittlung gegen ihn", als er nicht kam, machte der Kriminalbeamte eine vergebliche Morgcnvisite; die Sache erschien ihm doch gewaltig verdächtig und sehr brenzlig; schließlich bekam der Student Nachricht und klärte im Polizeipräsidium Frankfurt den Fall auf. Gerüchte verlauten, so schreibt hierzu die Mün chener Post, der Student wolle nun seine staatsgefähr- liche Doktorarbeit abbrechen, um eine Arbeit zu machen über die verwaltungsrechtliche Frage: In- wiefern hat das Polizeipräsidium seine Nase in den Topf zu stecken, wenn wirklich ein Kommunist Er hebungen anstellte über die Größe der Dauern betriebe? Während der Zeit des Sozialistengesetzes konnten die Mitglieder der SozialdcmokrafijK.eu Partei unbehelligt eine agrarische Enquete durch führen; wenn heute ein absolut unpolitischer Mcnjiy eine rein wissenschaftliche Erhebung macht, davn wird die Kriminalpolizei in 'Bewegung gesetzt. — Welches Gesetz könnte einem Kommunisten eine solche Erhebung verbieten? Der bayrische Ministerpräsident Dr. v. Knil- ling ist am Sonnabend in Angelegenheiten der Fürsorge für die aus der Pfalz Ausgewiesenen nach Heidelberg gereist. Auf der Durchreise durch Würt temberg und Baden wird er in Stuttgart und Karls ruhe den dortigen Staatsregierungen einen kurzen Besuch abstatten. »»--»--«W-»»—————«M—— S-» bürg geboren ist) die Ehescheidung gegen seine von ihm getrennt lebende Frau, die bekannte Schau- Else Heimst, eingereicht. Die Kunst des Kinde». Der Marburger Professor Dr. Iaensch hat zum Psychologischen Kongreß in Leipzig eine prachtvolle Sammlung von kindlichen Malversuchen mitgebracht, in denen sich das Formen- und Phantasieleben von Acht- bis Vierzehnjährigen spontan entfaltet. Hier liegen unzweifelhaft Doku mente der künstlerischen Schöpferkraft des Kindes vor. Frei von jeder gegenständlichen Vorlage, sucht der Unterricht, wie er in dem Pädagogium Ilsenburg im Harz von klugen Lehrern vorbildlich geleitet wird, die Freude nn Farben, Formen und Gestalten in der kindlichen Seele zu wecken. Es wird beispielsweise ein Holunderzweig als Anregung vorgelegt- doch nicht, um als Zeichenvorlage zu gelten, die sklavisch zu kopieren ist; ein jedes Kind darf den Eindruck zeichnerisch wiedergeben, den das Liniengerpirr des Zweiges auslöst. Und da ergab sich das Erstaunliche, daß die Schüler den Holunderzweig architektonisch sahen, ihn in souveräner Phantasietätigkeit umgestal teten zu dem bunten Durcheinander bewimpelter Zelt dächer auf einem Rummelplatz, ja selbst zu einer mi- nutiös gezeichneten gotischen Kathedrale! Ebenso überraschend sind die Versuche, bei denen die Vorlage eines einfarbigen oder bunten Vorhangs eine ge radezu symphonische Farbenkomposition auslöst. Die absolute Malerei der radikalen Expressionisten findet hier eine wesentliche Stützung (wie auch in der Ma lerei der Geisteskranken; — Kinder und Narren . . .). Den Höhepunkt der Sammlung bildet eine Reihe von Malereien, die Dreizehn- bis Vierzehnjährige nach Anhörung eines Weihnachtsmärchens geschaffen haben. Die Fülle der Gestalten, die Kraft der Be wegung bei Mensch und Tier, die lnstinktsichere Bc- Handlung der Farbe und de» Raumes hat hier kleine Kunstwerke zustande gebracht, die wert wären, repro duziert zu werden. Nicht nur al» Probe eine» arti stischen Können«, sondern als Zeugnis de» Phantasie- und gestaltenrcichen, von Visionen erfüllten Seelen lebens des Kindes ist diese Sammlung von höchstem Wert. X. Die diesjährige Hauptversammlung der DeuHcheu Goethegesellschaft findet am 2Ü. und 26. Mai in Wei mar statt. Den Hauptvortrag hält Geh. Rat Wolf gang v. Oettingen über „Goethe am Rhein und Main'. Dortrage halten ferner Geh. Rat Roethe» Berlin und Prof. Dahle-Weimar. Al» Festvorstellung wird im Weimarer Nafionaltheater Goethes „Stella gegeben.