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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.04.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192304226
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230422
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230422
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-04
- Tag 1923-04-22
-
Monat
1923-04
-
Jahr
1923
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Nr. 95 Sonntag, rr. April DLR UUMkVtMW Vie Luisenburg bei Wunsiedel Von Kone«» «aumsnn Alljährlich pilgern viele Tausende zu der Luisen- durg in Wunsiedel» Nähe. Der Wanderer Ziel ist, die Wunder urzeitlicher Felsen zu schauen, die al» eine Masse pittoresk aufgetürmter Granitquadern von gewaltigem Umfange, den seltsamsten Formen und kühnen Etellunaen, das Interesse auch de» naivsten Besuchers in höchstem Maße fesseln. Es gilt jenem Felslabyrinth, dem die Verehrung für Vie Königin Luise den Namen „Luisenburg" gab, Die Luisenburg ist der 788 Meter hohe Vorberg von der mit Haber- und Burgstein und der von einer hervor ragenden Aussicht gekrönten Köfleine zu der Köfseine-Berggruppe anwachsenden Dergsorm, die in ihrer Majestät zu den schönsten des Fichtelgebirges zählt. Noch Anfang de» 18. Jahrhunderts verschrien „als eine Wüstenei von unausforschlichen, abschcu- lichen Raubnestern, von denen Man mit großem Ent setzoy in die Tiefe schaut", wurden diese unentwirr- bar scheinenden Felsmassen Ende des 18. Jahr hunderts erschlossen, gartenarchitektonisch hergerichtet und zu einer Seyenswürdigkeit gemacht. Die wie ein Spielzeug übernatürlicher Kräfte durcheinandergeworfenen Felsen muten zum Teil wie zefüllte „Wollsäcke", allerding» von mächtigen Dimeu- ionen, an. Aneinander gelehnt, übereinander ge- chichtet, kreuz und quer liegend, Schluchten, Höhlen und Grotten bildend, die anderen als steile Fels wände von beträchtlicher Höhe, dritte als aufgetürmre Felsburgen, vierte in merkwürdig geformten Fels bildungen alleinstehend oder liegend, alle jedoch un übersichtlich zu einem Gipfel aufsteigend. In die Urfelsen eingemeißelte Inschriften gefühl voller, naturschwärmerischer, patriotischer, witziger Poesie und Prosa geben Kunde von den Defu^en unserer Altvorderen aus der „empfindsamen" Feit. Ein runder, abenteuerlicher Felsen erhielt den Namen Napolconehut, eine Teufelsbrücke eine Insel Helgoland, eine Eremitenhöhle, eine Tränen grotte, eine Lauschergrotte, einen Zuckerhut und vieles andere mehr gibt es. Jede Felsgruppe hat ihre eigene Geschichte. Mag man auch seine besondere Meinung darüber haben, ob diese Felslandschaften im UrzuUande nicht von packenderer Schönheit und Wucht sich dem Be schauer darbieten würden, als sie sich jetzt „kultiviert" und zugänglich gemacht zeigen, so muß man sich mit ihrer jetzigen Gestalt als einem Vermächtnis aus der guten, alten Feit voller Sentimentalität und schwär merischer Empfindsamkeit, als einer Stätte des An denkens an die „Wertherperiode der Menschheit" abfinden. Empfehlenswerte Väder Großer Preisabbau in Marienbadl Die am 1. Mai beginnende Saison stehl im Zeichen des Preis abbaues. Gute Zimmer sind schon ab 10 Tschecho- kronen täglich erhältlich, Zimmer mit erstklassiger Pension schon zu 40 Kronen. Unter anderem ist die Kurtaxe sowohl als auch die Einreisegebühr bei den Gesandtschaften um 50 Prozent ermäßigt. Damit haben die Kosten für einen Marienbader Kuraufent halt vielfach ein Preisniveau erreicht, welches sich bereits unter der Weltparität hält. Informationen jeder Art erteilt sofort die Kurpachtgesellschaft in Marlenbad. Bad Karlsbad. Das dem Ausfall der nahen Sommersaison gestellte Proguostikon klingt ziemlich zuversichtlich. Alle in Betracht kommenden Faktoren sind energisch an den Preisabbau in allen Belangen herangetreten und haben auch schon ganz Hute Resul tate erzielt. Ebenso dürften die Bäderprerse im Ver gleich zum Vorjahre wesentlich herabgesetzt werden. Ferner wurde in einer Versammlung von Inter essenten sichergestellt, daß jetzt schon der Tagespreis für Unterkunft und Verpflegung mit 45 Kronen gedeckt werden kann, und daß man auch in der Folge alles tun wird, den Kurgästen in größtmöglichster Weise entgegenzukommen. Schließlich sei noch be merkt, daß die Gebühren für das Visum für Kurgäste aus dem valutaschwachen Auslande um die Hälfte vermindert wurden, und daß eine Verringerung der Reisekosten, bei Schaffung guter Zugsverbindungen und Inbetriebsetzung direkter Wagen und Bädcrzüge, die 1., 2. und 3. Klasse führen, in Aussicht steht. Alles dies in Betracht gezogen läßt gewiß eine Frequenzsteigerung erhoffen. Die vielen Freunde Karlsbads werden die Gelegenheit gerne wahr nehmen, die alte traute Sprudelstadt zu besuchen und den vielen Tausenden Kranken des ganzen Erdenrunds ist endlich wieder die Möglichkeit ge boten, sich an den Thermen der weltberühmten Däderstadt Linderung und Heilung ihrer Leiden zu schaffen. Zum Empfang der Gaste und für die Saisoneröffnuna wird emsig gearbeitet. Den Steigen der gesell chaftlichen Ereignisse eröffnet das Ende April beginnende große internationale Schachturnier, zu dem sich bereits alle Berühmtheiten des edlen Echachspie s angemeldet haben. Der gruppenweise Besuch holländischer, dänischer, schwedischer und nor wegischer Aerzte zu Studienzwecken wird dem der Schachmeister folgen. Somit ist für die Saison 1023 ein guter Anfang geschaffen, der sich hoffentlich in ihrem weiteren Verlaufe zu aller Zufriedenheit aus bauen wird. Milderung der Einreisebestimmungen nach Deutjchtant). Vor einigen Monaten hatte das Aus wärtige Amt, um den Zuzug von Valutaspekulanten fernzuhalten, seine Vertretungen im Auslande an gewiesen, Einreisebewilligungen nach Deutschland nur auf Grund einer genauen Prüfung des Reisezwecks und für Erholungsreisen auf Grund eines amts ärztlichen Zeugnisses zu erteilen. Diese strenge Wei sung bewirkte ein fast völliges Versiegen des Frem denverkehrs nach Deutschland, und in den deutschen Bädern und Kurorten häuften sich die Beschwerden über eine unnachsichtige und zuweilen sogar schika nöse Handhabung oes Einreiseverbots. Auf drin gende Vorstellungen hin hat jetzt, wie die „Reichs zentrale für-Deutsche Verkehrswcrbung" erfährt, das Auswärtige Amt seine Vertretungen im Auslande zu einer Milderung in der Handhabung der Einreise- bestimmungen ermächtigt, soweit es sich um Reisen Erholungsbedürftiger in deutsche Bäder und Kurorte handelt. Die Verordnung als solche bleibt zwar be stehen; aber es sind bereits Beratungen unter Füh rung des Reichsministeriums des Innern im Gange, die zu einer grundsätzlich neuen und hoffentlich srem- denoerkehrsfreundlicyeren Regelung der Einreise- bestimmungen führen sollen. slerzte-wünsche für -ie Uurorte Auf einer Tagung des Deutschen Ausschusses für die gesundheitlichen Einrichtungen in den Kur- uno Badeorten, die jetzt in Bamberg stattfand, wurde »in Vorschlag des Landcsrates Dr. Schcllmann-Düssel- dorf besprochen: Die Arbeitsgemeinschaften der So zialversicherungen, örtlicher Behörden und der öffentlichen und privaten Wohlfahrtseinrichtunaen sollten zu einer Interessengemeinschaft zusammen- treten und Biittel für Unterstützung wirtschaftlich schwacher Knrbedürstiger aufbringen; dazu müßten Staaten und Reich einen Zuschuß geben. Dr. Hirsch- Ebarlottenburg führte dort aus, daß die Vor- und Nachkurzeit, in der die Häuser nicht genügend be setzt sind, für die Zwecke der Mittclstandsfürsorge in den Bädern mehr herangezogcn werden muß; ferner sei eine Vereinfachung der Lebensführung in den Kurorten nötig, vor allem müsse dem Unfug energisch gesteuert werden, daß die Kurorte mehr dem Luxus und nervenzerrüttenden Vergnügungen dienen als der Gesundheit. Viel besprochen wurden auf der Bamberger Tagung die Verfügungen des Auswärtigen Amtes an seine Auslandsvertreter be treffs der Einreise von Ausländern zu Kurzwecken. Nach Ansicht der Aerzte werden durch diese Er schwerungen der Einreise unsere Kurorte schwer ge schädigt werden. Don amtlicher Seite wird dazu jetzt die Auskunft gegeben, die demnächsiige Neu regelung der Anweisungen an die Paßstellen we..-e unnötige Härten in Zukunft vermeiden. * Spreewaldfahrten. Auch in diesem Jahre sollen die seit 21 Jahren beliebten Gesellschafts fahrten nach dem viel besprochenen Spreewalde statt finden. Die Fahrten berühren alle wichtigen Punkte. Sie beginnen unter kundiger Leitung am 8. Mai und finden dann regelmäßig an jedem Sonntag, sowie am Himmelfahrtstage und 2. Pfingstlaae starr. Der alleinige Führer ist Lehrer Ma tu ich ko.- Cottbus, er versendet Prospekte und Anfragen gegen Rückporto. Vereine werden um rechtzeitige Anmel dung ersucht. Für Leipzig sind Prospekte zu Haden rom 20. April ab im Zigarrenhaus Gebr. Felber, Neumarkt 1-1. Garte» mH schön. Beleucht., Kegelb., groß. GesellschastSsaal. FürDchuIauSNüge und Tommerkcste besonder-geeignet — Sonn- iaaSrticktahrkarieBavr.Dabnhs.»Zwenkau 2Ä Mark. Inh. Otto iULIv. Tel. 346. Lauenhainer Mühle bei Mittweida. (Die Perle de- ZschopautaleS.) Vnstrelibar schönster Ausflugsort der Umgegend. HStt sich werten Vereinen, Ausflügler» sowie Schulen bestens emp- sohlen. Aufmerksam«, reelle Bedlcnung. 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Daß Iastremsrt» Neffe dort studierte (beim Detter de» Grafe«, einem Probst), gab schließlich den Ausschlag. 2cb fürchtete mich sehr vor dem Gymnasium, wetl ich doch von all oen Dingen, die man dort vortragen wird, nicht» verstände. Auf die nahe- liegende Antwort, daß ich eben hinginge, um die hohe Wissenschaft zu lernen, verfielen meine ungewandten Eltern nicht, teilten meine Aengste — und Schwester Gisel, die aus dem Pensionat heimgekehrt war, vergrößerte noch die Panik durck ihre Darstellung, wie ungeheuer groß der umfang der menschlichen Erkenntnis kvSre, wie streng die städtischen Schulen. So vergingen mir peinvolle Monate mit Sanlosem Verschlingen ungeordneter Weisheit. Schwester Gisel suchte mir noch hastig einzu- blmren, was sie irgend innehatte: die Sunoa- Inseln und das Ausrechnen von Proportionen, die Geschichte Rudolfs von Habsburg, Be schreibung des Salamanders. Der Schneider von Molwe nähte sich die Finger wund: er »nußte aus meinem gesprenkelten Ueberzieher einen Rock zurechtmachen, aus Mutters Velvet- Mantel zwei Paar Hosen, aus Vaters steifem, haarigen Hut — da» war ein besonderes Kunst- stück — einen steifen Sonntagshut für mich. In Kremfier brachte Vater mich, der ich feierlich geputzt war, zu Direktor Kipfelsrack in die Wohnung. Vater begann mit Erkundigan- gen nach Fleiß und sittlichem Wandel des Neffen Iastremski — offenbar versprach er sich einen guten Eindruck auf den Direktor, wenn er sich in Beziehung nut dem Grafen brachte — und ging dann auf mich über und meine Aufnahme in den ersten Jahrgang. Der Direktor erklärte, die Vorschrift verbiete ihm, Knaben, die das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet .... Pater erwähnte wiederum mehrfach des Grafen, warf auch den Probst in die Debatte. Der Direktor sagte: er zweifle überdies, daß ich dem Unterricht würde folgen können . . . Worauf mein Vater seinen mähnigsten Löwen in die Arena schickte: den Bischof Stroßmayer. Es tat Pater sichtlich wohl, mit Verbindungen flunkern zu können, den Weltmann zu spielen. Gut also, meinte der Direktor, dann möge die Aufnahmsprüfung entscheiden. Am 13. September 1881 war der Stichtag. Doch welche Enttäuschung! Sic fragten mich weder um Rudolf noch um den Salamander, auf die ich mich so gut vorbereitet hatte. Die Prüfung war nnderleicht. Ich rechnete tadellos und machte im Diktat nur einen Fehler, indem ich ,die Taube< mit th schrieb. Der Direktor, das war ein hochangeseheuer gelehrter Altphilologe; man wisperte, er hätte sogar ein Buch geschrieben, und später habe ich das Buch auch mit eignen Augen gesehen: I>cr Inkinitivus deä Tscii-u«. Von vr. .lasst li ipkslkrrrok, Vü-etltat- K..K. 8t3Lls<K>srNiini»8Ütms. Uremsier. Iw 8a1ibs1vsrlLx <tss Vcn kpsssps. Das Gymnasium, eine ehrwürdige Anstalt, unter Kaiser Leopold I. von Piaristen gegründet, war erst vor etlichen Jahren in Laienhünde über- gegangen; in den untersten Klassen lehrten immer noch zwei grauhaarige Piaristen, die Patres Emmerich und Thaddäus. Das Gebäude lag neben der Piaristeukirche — alt, dunkel und kühl. Dicke Rundbogen spann- ten sich über hallende, breite Gänge. Bieltaw'end Kinderfüße in säkulärem Getrappel hatten diese eichenen Stufen, die Fliesen durchgenutzt. Die Schulbänke waren mit Oelfarbe gestrichen, und die Zimmer hatten Gasbeleuchtung, je zwei doppel armige Schwalbenschwanzbrenner; es machte den stärksten Eindruck auf mich und brachte mir zu Bewußtsein, daß ich nun Mitglied war einer höheren Gemeinschaft; gespannt harrte ich dem Augenblick entgegen, wo Herr Palla, der Pedell, die Gaslampen zum erstenmal anzünden wurde. — W.'.s mir aber die Brust am höchsten bob: man sagte ,Sie- auch zu mir, dem Allcrjiingsten und Kleinsten von dreihundertfünfzig Schülern. Fast wollte ich, innig geschmeichelt, ablehnen: „Oh bitte, bitte — so viel Auszeichnung be anspruche ich gar nicht." Das Städtchen? Es liegt an der March, im Herzen Mährens, inmitten der feisten Hannaebene, und hatte zu meiner Zeit zwölf tausend Einwohner; keine Eisenbahn. Rings strotzen Dörfer, da züchten tschechische Bauern die süßeste Zuckerrübe Europas, die weißests Gerste; aus Hannamalz braut man ja das Pilsener und Münchener Bier. Nun kann man sich ja das Städtchen schon ausmalen: eine riesige Zucker- und Malzfabrik, Getreidejuden, zahllose Sparkassen, Einkehr- Häuser, Lüden mit Bauernrat und Bauern genüssen. Man lebte spottwohlfeil in der Hanna; für zehn Kreuzer bekam man: ein Paar 'pann lange Würstchen, ein Glas Bier und eine derbe Schnitte Brot; zehn Kreuzer allzusammen. Als ich nach Kremsier kam, hatte eben eine Wahlschlacht getobt: noch war der Gemeinderat deutsch geblieben, mit dem Bürgermeister Beuesch an der Spitze. Noch florierte der deutsch-liberale Verein Concordia, gab seine Liebhabervorstellun- gen und Tanzkränzcheu, und die eichengestickte Fahne ward von Professor Ruschko, dem blonden Hünen, auf Ausflügen getragen; der Hüns hatte ein Straußfederbarett auf, Sammetflaus, Stulp handschuhe — und Pappenheimer Stiefel über berückend weißen Hosen. Man war deutsch. Lewinsky und der haarige Waldschratt Strakoich von der Wiener Burg konnten im KreAlsierer Vereinshaus den „Erlkönig" dröhnen und säuseln. Zwei Jahre später lag die Toncordia danieder, die Beseda war Trumpf — und Bürgermeister der Tscheiche Kämpf. Ist das nicht österreichisch: daß der Tscheche Kämpf hieß und der Deutsche Benesch? Nun rückte — ebenso stolz — der Turnverein Sokol aus: mit Truthahnfedern, staubgrauen Röcken, roten Westen. Das gleiche Philistertum: nur war dir Fahne jetzt bestickt mit Linden blättern. Ich wohnte — auf Empfehlung des Direktors — in der Wasiergasse bei der Kom- missärswitwe Euphrosiue Naib, die ihre Lebens haltung bei einer k. k. Pension von 28 Gulden 17K- Kronen österreichischer Währung auszv bessern suchte, indem sie in drei Zimmerchen füns Studenten auf der Streu hielt. (In Oestcrrei n, wo »lau so freigebig mit Titeln ist, nennt man auch die Gymnasiasten schon Studenten.) Zw i davon zahlten 10 Gulden monatlich und schliefen dafür ,im Salon-; ich für 18 Gulden im Hinter zimmer. In den 18 Gulden war das Entgelt für alles inbegriffen: Wohnung, Kost, Heizm g und Licht. Sogar pädagogische Nachhilfe io. r in Aussicht gestellt: Frau Witwe Naiv riih.nie sich, durch jahrelanges Beherbergen von Sciüilern die Fähigkeit erworben zu haben, schwierige Fragen der lateinischen Syntax autoraliv en> scheiden zu können. Sie war das Muster einer Kvstsrau und nahm sich mütterlich um n r.>r, Wohlergehen an: duldete nicht, daß wir znv' l Fleisch äßen, was der Gesundheit schadet, u. ' hielt cs nicht für angezeigt, das Büffeln n Vokabeln bis in den Abend fortzusetzen. (Fortsetzung folgt.) - Vcranlworllicl' ll>r den rcdakUsncllcn Teil lau. Handel: Cvcsrcd.ikleur Dr. Kurt Schmidt: ilir An,e,acn: Heinrich Balser: beide in Leivsia. — Berliner Dicc.i: ChcsredaNeiir Ar Erich(kverlh,Berit», DSnbosf.">6M—3 Dresdner Dienst Heinrich Zerkauten, Dresden, Gauel beraerstraflc 2t. a-ernstzr. 31703. — Druck und Merlau: Leip». Berlagsdruclkrei, G.m.b.H.. Ltipzia, Jodannisa. 8. Unverlangte Beiträge ohne Riickvorlo werden nicht znrüN- gesandi. Der gute Ruf der Mark« »Suckskovf Un Siern' bflra, siir crsiklasflae Be- schaffenheit. Drum nehmen Sie zuni Anksrischen und Aus- sürbcn von Lederwaren aller Art nur Heitmann» Sieno- vator. Mark« „tzinrh-kopf im Stern Die vorliegende Ausgabe umfatzt 18 Seilen
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