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970 einer Sache anzuwenden, welche von selber nächstens ihm zukommen werde? Es sei noch ein neuer Sturm über das Reich gekommen, der gallische Kriegslärm, dem kaum durch die Eintracht und die Ueberein- stimmung der Könige werde Widerstand geleistet werden können. Wenn aber zu einem äußern Krieg noch eine Empörung im Innern hinzukomme, da sei kein Halt mehr. Und er werde nichts anderes ausrichten, als daß sein Bruder nicht in seinem Reiche sterbe, sich selbst aber werde er die nahe Hoffnung auf die Herrschaft abschneiden. Wenn beides rühmlich wäre, seinem Bruder die Herrschaft sowohl er halten, als entrissen zu haben, so wäre doch das Lob, das Reich er halten zu haben, vorzüglicher. Aber in Wahrheit, da das eine ab scheulich sei und dem Brudermord nahe komme, was bleibe noch ein Zweifel zur Ueberlegung übrig? Ob er einen Theil der Herrschaft be gehren, oder sie ihm ganz entreißen wolle? Wenn einen Theil, so würden sie beide schwach mit getheilten Kräften und allen Unbilden und Beschimpfungen ausgesetzt sein; wenn das Ganze, würde er seinen altern Bruder als einfachen Bürger, oder in seinem Alter bei seiner Körperschwäche als Verbannten leben lassen, oder zuletzt auch noch seinen Tod befehlen? Denn trefflich erscheine das Ende des Perseus, um von dem durch die Sage überlieferten Ausgang gottloser Brüder zu schwei gen — der das vor der Ermordung seines Bruders an sich gerissene Diadem in dem Tempel von Samothrake, gleich als ob die gegenwär tigen Götter eine Sühne gefordert, dem siegreichen Feinde zu Füßen gelegt habe. Selbst die, welche nicht seine Freunde, aber dem Eume- nes Feind, ihn anstachelten, würden seine Bruderliebe und Standhaf tigkeit loben, wenn er seinem Bruder bis zuletzt Treue bewiesen. 20. Dies erhielt das Uebergewicht in dem Geiste des Attalus. Daher in den Senat eingesührt, wünschte er Glück zum Siege und setzte seine eigenen Verdienste und die seines Bruders, wenn sich solche fanden, und den Abfall der Gallier, der neulich mit einer ungeheuren Erschütterung eingetreten war, aus einander; und bat, sie möchten doch Gesandte an dieselben schicken, durch deren Ansehen sie zur Nieder- legung der Waffen bestimmt würden. Nachdem er diese Aufträge für den Nutzen des Reiches ausgerichtet hatte, bat er Aenus und Maronea für sich. So wurde die Hoffnung derer getäuscht, welche geglaubt hatten, er werde seinen Bruder anklagen, und eine Theilung des