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Seite 2. Nr. 205. Morsen-Llusyabe. Leipziger Tageblatt. Mettas, 24. LlprU I9l4. AH Jahre -eutsther KolonialpolMk. lZ»m 24. April d. I.) Am 24. April werden 20 Jahre verflossen sein, c>a Fürst Bismarck den ersten entscheidenden Schritt zu einer deutsckien Kolonialpolitik tat. Der deutsch« Kaufmann Lüdcritz lmtte seinerzeit an da» Reich die Mitteilung gelanszen lassen, dass di« britischen Kolonialbehörden seine Bcsitztitcl auf die Erwerbun gen nördlich vom Oranfesluss starl anzweifelten und ihm allerlei Schwierigkeiten in den Weg legten. Daraufhin sandte Bismarck am 21. April 1881 an den deutschen Konsul Lippert in Kapstadt ein kate gorisches Telegramm ad, in dem er die Lüder iysche Niederlassung in aller Form unter den Schuh des Reiches stellte. Zugleich erhielt der deutiche Bot- jctmiter in London Anweisung, die britisssn'Regierung davon zu verständigen, dass das Dcutscl-e Reich die S ch u tz h c r r s ch a s t über Erwerbungen Lü de riss' nördlich des Oranje in Anspruch nehme. Dieser Tag bezeichnet daher den Ansang einer tat kräftigen deutschen Kolonialpolitik. 20 Fahre kolonialer Erfabrungen geben schon einen guten Anbalt, über das bisher Erreichte und über die Zuluuft unserer Kolonien nachzudenken. Gerade in diesen Tagen, der Dr. Earl Peters, dem unsere Kolonialpolitik Grosses und Entsctzeidendes verdankt, mit energischen Worten erneut für eine starke Meh rung unseres kolonialen Besitzstandes ringetreten ist und damit den Peisall des Thronerben gesunden lmt, ist es Pflicht jedes Deutschen, dem die Weltmacht stellung des Ncictres und ihre Aufrechterhaltung am Kerzen liegt, sich dankbar dieses schwer verkannten Mannes zu erinnern, der an der Schaffung eines be deutenden deutschen Kolonialreich hervorragenden Anteil genommen hat. Erfreulicherweise ist heute in alle Bevölkerungsschicbien, selbst bis in die Reihen der Sozialdemokratie hinein, die Ilcberzeugung von der gewaltigen Bedeutung unseres überseeischen Ko lonialreichs zur feststehenden geworden, und nur noch die ganz prinzipienfesten Dogmatiker unter den „Genossen" bringen es noch fertig, die Kolonien als wertlosen Grund und Boden zu verdammen, für die cs der ausgervendekcn finanziellen Mittel wahrhaftig nicht der Mühe verlohne. Die koloniale Entwicklung hat in diesen drei Jahrzehnten solcher pessimistischen Anschauung je länger je mehr unrecht gegeben. Unsere Kolonialwirtschast muss uns heute als erfreu lichste Ergänzung unserer Volkswirtschaft gelten, wenngleich auch heute noch nicht die Kolonien in so starkem Masse an dem Ucbcrscehandcl des Mutter landes beteiligt sind, wie cs ihrer räumlichen Aus dehnung entsprechen würde. Wenn das Deutsche Reich in die Reihe der Weltmächte cintrcten und sich dort einen sehr beachtlichen Platz schaffen konnte, so verdankt es das neben seiner grossartigen Flotte nicht weniger dem systematischen Ausbau überseeischen Besitzes, dessen überraschende Entwicklung zu den grössten Hoffnungen berechtigt. Gewiss war erlisch- land von allen europäischen Grossmächten die letzte, die sich ein ausgedehntes Kolonialreich zu gründen unternahm, aber dennoch hlxm die deutschen Leistungen auf dem Gebiete des Kolonialwesens aller Welt lund getan, dass Deutschland als Kolonialmacht den Vergleich mit älteren Kolonialmächten in keiner Weise zu scheuen braucht. Das ist auch von englischen Kolonialpolitikcrn in neuerer Zeit wiederholt zum Ausdruck gebrackst worden. Ein Urteil aus dem Munde des in der kolonialen Politik erfahrungs- rcickssten und geschicktesten Volkes, das den deutschen Kolonien rückhaltsloses Lob spendet, wiegt gewiss doppelt scknver. Wir haben also alle Ursache, ans derb ' bisher beschrittenen Wege wcilerzugchcn, denn nur verdoppelte Energie kann den Ausgleich dafür schassen, dass wir bei der kolonialen Betätigung als Letzte gekommen sind. Bringen die näck/stcn 20 Fahre deutscher kolonialer Betätigung uns die gleichen fcksönen Früchte, dann wird cs wohl in deutschen Landen kaum noch jemand geben, der seine Stimme gegen unseren kolonialen Besitz zu erheben wagte. preußische Zeste. Mit diefrr Ucl»erschrift brachten wir in Nr. 102 des Lcivziyer Tageblattes eine Betrachtung zu der Meldung, wonach in Halle und Merseburg Jahr hundertfeiern zur Erinnerung an die Einverleibung sächsischen Gebiets beabsichtigt seien. Wir sprachen uns dahin aus, dass solche Feiern, die in der säck^ fischen Rachbarsck-afl unliebsame Erinnerungen wach rufen müssren, vom nationalen Standpunkt nicht ge rade gutgcheissen werden könnten. Eine Anzahl Blätter schloss sich unseren Ausführungen an. Der „Merseburger Korrespondent" bemerkt dazu, dass sic „nicht so unberechtigt" wären, wenn — die angeblich geplante Feier der Zugehörigkeit der Provinz Sachsen zu Preussen tatsächlich in Aus sicht geicommen lväre. Das sei jedoch nicht der Fall. In Merseburg sei für die Funitage 1015 eine Feier de» WOjährigen Bestechens des Domes vor gesehen, zu der voraussichtlich das Kaiferpaar erschei nen werde. Damit verbunden werde die Einweihung eines Denkmals Friedrich Will-elms III., und zwar aus Anlass der geschichtlichen Tatsackie, dass der König am 22. Fun» 1815 in Merseburg die Nachricht vom Sieg« bei Waterloo erhielt. Das Merseburger Blatt schreibt dann ,veiler: „Der Gedanke, hiermit eine Hundertjahrfeier der Zugehörigkeit der Provinz Sachsen zu Preussen zu verknüpfen, ist wohl in den ersten Vorberatungen zum Ausdruck gebracht worden, hat aber sofort von einfluss reicher Stelle eine entschiedene Ablehnung erfahren, und zwar unter Darlegung der Gründe, die im Leip ziger Tageblatt jctzr angeführt worden sind." Selbstverständlich konnten sich unsere Bemerkun gen nicht gegen die gedachten Feiern, wie sie jetzt geplant sind, richten; aber wir l?abon gut« Gründe zu der Meinung, dass unsere Ausführungen nicht ganz überflüssig gewesen sind. Häufungen von fiufsichlsraisstellen in einer Hanö. Die „Jurist.schen Tagesfragcn" schreiben: Wenn bisher in der Regel nur Natwnalökonoinen oder Politiker gegen die Vereinigung einer Ueber- zahl voic Aufsichtsratsstellen in einer Hand Front machten, wird bas Problem neuerdings auch von Aktionären in Generalversammlungen veih.ndett. Hier allerdings wcn.gcr aus voltsw rrschastluhen und kcchnijchen, als vielmehr aus rein finanziellen Erwägungen, die auf eine ^Bemängelung ül>crmässi- gen Gewinnanteils der Auifichlsraie auf Kosten der Aktionäre hinauslaufen. An solchen inneren Ber- waltungsfragen einzelner Unternehmungen hat die Orsfentlichkcit nur ein sehr bcschränues Fnleresse, wohl aber ist es von Bedeutung, wenn, wie dies nicht etwa nur vereinzelt der Full ist. in einer einzigen Persönlichkeit eine grosse Zahl solcher Posten ver einigt und damit dem Fnhat>er ein ganz unverhält nismässig hohes Sondereinkommen gewahrte.stet wird. Dass auf dic>e Weise zahlreichen Aufsich.s raten, al>gcjehen von den hohen Einnahmen aus ihrer regulären Tätigkeit, noch ein Ncbencinkom- incn von mehreren H u n d e r t t a u j e n d e n Mflicsst, muss unbedingt als c.n Missstand be.eabnei werden, sei es selbst nur darum, wul ein solches ^ou- derprivilcg verbitternd auf die Massen rv.rkt und der Sozialdemokratie willkommenen Agitat.onsstoff liefert. Abgesohen davon, ist es ausgeschlossen, dass jemand, der etwa 12 bis 1b Aujsichlsralsposien be kleidet, allen Unternehmungen seine Tängleit Mit einem gleichen Masse von Arbeit und Sorgfalt wid men kann. Und dabei gibt es sogar Fälle, in denen ein einzelner ülvr dreiszig und mehr solcher Mandate verfügt und hierfür das bescheidene Nebencinlommen von ca. liOOOOO <4t im Fahre l>ezieht! Aus diesem groben Mißverhältnis zwischen LMung und Gegenleistung kann auch der Hinweis, auf die historische Entwicklung der deutschen Akticn- aejelljäzasieir, auf die notwendige und ovlksw.rt schastktch segensreiche Zentralisation < in gewissen Industrien und die damit verknüpfte weitläufige Or- ganisationsverzwetgung in Untcrgcscllscbaften nichts ändern. Ueberall, wo Mitglieder des Aufsichtsrats, gleichviel aus welchen Gründen zu einer aktiven Mit wirkung in der Gcschästslcitung gezwungen sind, wäre cs kurzsichtig, die TKrgütung für die oft an strengende und höchst verantwortungsvolle Tätigkeit nicht der Bedeutung des Unternehmens und der in Betracht kommenden Perchnlichlciten entivrccisend grosszügig zu bemessen, und zwar in erster Linie auf Kosten der übrigen, mehr aus dekorativen Gründen und aus Rücksichten der Fnteressenvcrtrctungen ge wählten Mitglieder. Es liegt in der Natur der Sache, dass tätige A u f f i ch t s r ä t e ihre Kraft * Die Rückreise des Reichskanzlers von Korfu. Der Reichskanzler ist am Donnerstag vormittag aus dem Kreuzer „Breslau" nach Bridtst abgcreist, von wo ec über Bologna und München nach Berlin ,zu- rückkehrt. Botschafter Freiherr v. Wangcnhcim und Deutsches Reich. * Aus dem „dunklen Sachsen". Eine Protest versammlung gegen angebliche Angriffe auf die Gleichberechtigung der Katholiken Sachsens in der Zweiten sächsisckxm Ständekammer hatte die Dres dener Zentrumsvereinigung am Mittwoch nach dem Tivoli cinberusen. Referent war der lang jährige Reichstagsabgeordnete Lederer, der sich in äusserst scharfen Angriffen namentlich auf die Zweite Ständekammer erging. Er bekannte sich als be geisterter Apostel von Freiheit und Gleichheit. Sachsen sei das Land, das noch sehr viele dunkle Winkel aufwcise, der dunkelste sei im säch sischen Stündetag! Eine Protestresolution wurde an genommen, wenngleich eine beträchtliche Mehrheit der Versammlung dagegen stimmte. Die Zentrums- organtsationcn in Bautzen, Chemnitz. Leipzig und Pirna schlossen sich der Resolution und den Aus führungen des Referenten an, obgleich sie diese nicht gehört hatten. Einige Anwesend«, gegen die sich der Protest mit richtete, erklärten, dass von anderer Seite ein: Gegenversammlung einberufen würde, in der sie ihren Standpunkt klarlegen wollten, und in der auch dem Abg. Lederer und seinen Freunden ungeschmälerte Redefreiheit gewährt werden solle. * Der Landesverband Sachsen des Hansabunde« veranstaltet am 20. und 21. Funi d. I. auf der Fnternationalcn Ausstellung iür Buchgewerbe und Graphik einen sächsischen Hansatag. Am Sonnabend, den 20. Funi. findet eine Sitzung des Landesverbandes statt, während am Abend des gleichen Tages ein Vegrüssungsabend abgehalten wird, zu dem alle Mitglieder und Freunde des Hansabundes Zutritt haben. Äusser musikalischen und gesnnglicl)cn Darbietungen werden an diesem Abend wichtige Ansprachen gehalten werden. Die Haupt versammlung findet am Sonntag, den 21. Funi, mittags 12 Uhr, im Kongresssaal der Ausstellung statt. Es spricht in derselben der Präsident des Hansabundes, Geheimrat Professor Dr. Ri ess er. Im Anschluss an die Versammlung vereinigen sich die Teilnehmer zu einem gemeinschaftlichen Mittagessen. Die seltene Gelegenheit, einen Kongress des Hansa bundes in Verbindung mit der Weltausstellung in Leipzig besuchen zu können, und ausserdem einen der markantesten Redner zu hören, wird wohl alle Freunde des Hansabundes veranlassen, sich rechtzeitig bei der Gcsck)äftsstcllc des Hansabundes in Leipzig, Schiebergässchen 3, I, zur Teilnahme am Hanjatag anzumeldcn. * Die MrUUler Konferenz findet am 11. und 12. Mai statt. Auf der Tagesordnung stehen folgende tL- neuerwachcnde religiöse Leben in kirchliche Bahnen lenken'?" — Dienstag, 12. Mai: Vorträge von Prof. 1). Althaus-Leipzig, über „Religion und Moral" und P Dittrich-Chemnitz, über „Die Stellung der Kirche zur Austritlsbewegung". 2n freier Ver bindung mit der Konferenz finoet am 11. Mai, nach mittags 4 Uhr im Burgkeller in Meissen die Haupt versammlung des ückchs. Ierusakemvsrcins statt. nur wenigen Unternehmungen widme« können, wodurch allein schon ein gewisser Ausgleich geschaffen würde. Allen anderen Kategorien jedoch mühte schon au» Dilligkeitsrücksichlen nur eine ganz erheb lich geringere, womöglich über ein« bestimmt« Maximalgrenze nicht hinausachend« Vergütung zu erkannt werden, wenn man schon einmal grundsätzlich in der Zahl der in einer Hand vereinigten Stellen keine gesetzliche Einschränkung eintveten lassen will. Ob danach auch in dem Mass der Verant wortlichkeit Unterschied« Platz gr«ifcn müssten, bleibt zum mindesten fraglich. Schliesslich kann niemand gezwungen werden, eine Wahl -um Aufsichtsrat an zunehmen, und wenn die dem einzelnen übertrage nen Posten sich häufen, muss es ihm überlassen blei ben, ob er sich der Bürde vervielfachter Verantwort lichkeit gewachsen fühlt. die Gesandten o. Ireutler und Graf Quadt geleiteten den Reichskanzler an Bord des Schiffes. An dem selben Tage trafen Generalintendant o. Hülsen und Joseph Laufs al» Gäste des Kaiser» in Korfu ein. * EUellen, »»» Lindequist, der frühere Staats sekrctär des Reichskolonialamt», ist jüngst von seiner Studienreise nach Südamerika, die ein halbes Fahr währt«, zurückaekehrt und hat sich in kolonialen Krei sen sehr anerkennend über die bedeutende deutsche Kulturarbeit ausgesprochen, die dort und vor allem in den grossen deutschen Ansiedlungen in den Süd staaten Brasiliens geleistet wird. Wie wir hören, hat Herr von Lindequtst die Insel Rügen zu seinem dauernden Sommeraufenthalt ausersehen und zu die sem Zweck einen Landsitz zwischen Göhren und Sellin erworben, den er bereits im Mai d. Z. zu beziehen gedenkt. * Das preussische Abgeordnetenhaus aedenkt nach den bisherigen Dispositionen am 2i>. Mai in die Ferien zu gehen. Die Beratung des Kultusetats soll am kommenden Montag beginnen. Für die Fortschrittspartei wird bei ber Gelegenheit u. a. auch Pfarrer n. D Traub sprechen. * Der neue Regimentskommandeur der SSer in Zabern Oberit Gründel bemüht sich derweil mit den leitenden Kreisen der Zivilbevölkerung gute Beziehungen anzuinupfen. Er har aus dem Rathaus dem Oberbürgermeister Knüpsler sehr herzlich für den Willkommengruss der Bevölkerung gedankt und in gleicher Weise hat er auch dem jetzigen Kreis direklor Dr. Beyerle'n, dem Lanbgerichtspräsidenten Fürst und dem ersten Staatsanwalt seine Aufwartung gemacht. * Der Ausschuss des Deutschen Arbeiterkongressrs hat eine Reihe sozialpolitbcher Forderungen be sch ossen, über die Abg. Giesberts in der „Sozialen Praxis" berichte». Zur preussfichen Wohnungsresorm spricht sich der Ausschuss ge. en die Abschwächunoen der Regierungsvorlage durch die Kommission aus; zum Kommunalabgabenge^etz fordert er die Bei behaltung der Steuer nach dem gemeinen Wert. Zur Foroerung des Kleinwohnungsbaues in städti schen und industriellen Siedlungsgebieten beantragt er die Gewährung eines staatlichen Kredits von 100 Millionen Mark. Mit der Aufbesserung der Altpensionäre will der Ausschuss »olgendes verbunden sehen: die Herabsetzung der Altersgrenze für den Bezug der Altersrente von 70 auf 65 Jahre, die Erhöhung der Witwen- und Waisenrente und die Erweiccruug der Kinderbeihilfen für invalide Ar beiter, endlich eine Erhöhung der vor dem Inkraft treten der Neichsversicherungsordnung festgestellten Uniallrente * Der Evangelisch« Pressoerband für Deutschland (Vorstand Admiral Büchsel und Direktor W. Stark) ist in das Haus Beymestrasse 8 in Berlin-Steglitz übergesiedelt. Der Bericht über die Tätigkeit des Verbandes im dritten Arbeitsjahre ist soeben er schienen und kann kostenlos von der Geschäftsstelle bc zogen werden. Die Einnahmen des Vereins betrugen annähernd 50 000 «K, die Ausgaben über 41000 ^tt. Konkurrenzklausel. In dem im gestrigen Morgen blatte veröffentlichten Aufsatze von Iustizrat Dr. Funck: „Soll das Konkurrenzklauselgesctz zustande kommen oder nicht'?" muss es am Schlüsse des dritt letzten Abschnittes heissen: „Von Rückschritt und Ver schlechterung könnt« also, streng genommen, nicht die Rede sein, vielmehr stünde der Satz: Das Wett- bcwerbsoerbot (nicht Wettbewerbsgesetz) soll zwar selten und sparsam, und nur im Falle wirklicher Not wendigkeit, dann aber auch wirksam angewandt werden, mit dem Gedanken unserer Rechtsordnung und der erforderlichen Achtung vor dem Geletzt durchaus im Einklang." , , ...» Ausland. Oesterreich. * Das Befinden des Kaiser». Aus Wien, 23. April, wird von zuverlässiger privater Seite mitgeteilt: Der Kaiser schlief zrefteru von 8 bis 12 Uhr gut. Dann stellte sich Hustenreiz ein, der mit Pausen bis 3 Uhr anhielt. Hierin sei jedoch durchaus nichts Beunruhigendes zu erblicken, es sei vielmehr die natürliche und notwendige Lösung des in den Bron chien angefammeltcn Schleimes. Der Kaiser fühlte sich heule früh beim Aufstchcn lehr erholt. Die Temperatur war nicht gesliegcn. Der Kaiser nahm Megppten. Von Hugo Eberwein (Leipzig). XI. Assuan und Umgebung (Fortsetzung). Unvergesslich wirb mir der Besuch des Bisci)arin- lcigers bleiben. Ein Prachtesel mit schmuckem Sattelzeug war mein Reittier; in lebhaftem Trab gings guer durch die Menschenmenge des Basars, dann immer an den jck-attigcn Lchmmauern der Aluibdcwohnungen zwisck)«» sitzendem, liegen dem, spielendem, braunem Kindcrvolk hindurch, bis nach halbstündigem Ritt eine Gruppe unansehnlicher Hütten austauchte. Eine Anzahl meist ungekleideter brauner Bsick-arinbubcn kam mir entgegen und nahm mich mit allerlei grotesken Sprüngen und schrillen Zurufen in Empfang. Devise: Backschifch, Trink geld! Ein drolliges, amüsantes Chor, diese ichlanken ^cbokolabenbubcn mit ihren verschmitzt lachenden Gesichtern und den l-crrlich uxisscn Zähnen. Ihre Bitten liess ich uncrlüirt, setzte mich im Sattel fest und trieb meinen Donkey an, der mir dann auch glücklich aus der schwarzbrauncn lbcsahr lierausl)alf. Vor den Zelten gab» allerliebste Familien gruppen — die Kamera war in voller Tätigkeit! Run aber weiter ins Zentrum des Lagers! An Schaf-, Ziegen- und Kamellrerden vorbei, kam ich zu den Zelten d«r Krieger mit ihren langen, ein gefetteten, stränigen Haaren, ihren wilden Augen und chrer nur rech: spärlichen Kleidung. Ein Back"^D»ch, den ich hier für eine Photographie gab, wurde mir fast verhänguisvoll: im Nu war ich von einer Menge kriegerischer Gestalten umgeben, die alle mit heftigem Gedränge Arm« und Hände nach mir ausstreckten. Selbst mein Grautier vermochte mich diesmal nicht zu retten — da mit einem Male ein immer näher kommendes Donnern auf dem Boden — dann pfifs's durch die Luft — di« Nilpserdpcitsche klatschte auf Körper und Rücken der Aufdringlinge nieder: ein nubisck-er Polizist auf feurigem Bcrbe- rincrschimmcl war mein Retter. Eine Kopie der Photographie, die ich von ihm nahm, will er unter der Adresse: Polizist Tooney, 4212, Assuan — zu- gejandt haben. Die Bekanntschaft mit einigen topUjck-en Kollegen erleichterte mir die Durchführung meines Planes, auch hier einige Schulen zu besuchen. An anderer Stell« werd« ich davon erzählen. Hier f«i nur her vorgehoben, welch hohe Freud« meinem Schul- meisterherzen beim Besuch der deutschen „Sudan- Pionicr Missionsschule" bereitet wurde durch all das geschickte uid segensreiche Wirten deutscher Kolleginnen unter Beratung ihres tüchtigen Bor stehers, des Missionars Enderlin. Die praktische Art de» Sprachb«tri«de» mit der verschiedenarng zusammengesetzten ägyptisch-sudanischen Fugend, die Verdeutlichung geographischer Grundbegriffe am grossen Sandkasten und die allerliebsten arabischen Singspiele im Kindergarten l-abcu grossen Eindruck auf mich gemacht. Dass ich einige nach besonderen Gesichtspunkten angestellte Untersuchungen über zeich nerischen Ausdruck und Uber die Fähigkeit visueller Grösscnschätzung, wie ich sic schon im Sudan vor genommen hatte, ausführcn durste, war mir wegen der sich dabei herausstellenden Erschcinungstatsachen überaus erfreulich. Von allergrösstem Fntercssc war mir das Be- kanntwcrdeii mit dem nubilchcn Privatgelehrtcn Samuel aus Scrr, der äusser Arabisch, Englisch und Französisch auch gut Deutsch spricht, und gegenwärtig damit beschäftigt ist, die nubisclse Sprache durch schriftliche Fixierung der Nachwelt zu erhalten. Mit Schule und Kirche ist in der Mission auch eine deutsche Klinik für Eingeborene verbunden, die unter der umsichtigen, tatkräftigen Leitung des Schweizer Arztes Dr. Fröhlich steht, während die Apotheke durch die Prinzessin von Hohenlohe verwaltet wird. Was hier alles Gutes getan wird an armen, hilflosen Mensckx'n habe ich mit eigenen Augen gesehen, und habe den Edelmut aller bewundert, die hier im Sinne des Weltbcilandcs wirten. Möchte dieser Missionsanstalt. die, durch freiwillige Gaben Edel denkender erhalten, so reichlicl?cn Legen stiftet, nie die pekuniäre Unterstützung fehlen! Was Assuans Fugend an Gymnastik und Sport zu leisten vermag, sah ich gelegentlich einer Vorfüh rung auf dem Rennplätze: Keulenschwingen kop tischer Schüler, Hcchtspringen der Bischarin, Esel reiten der Araber. Büffel- und Kametwettrenncn! Es war erstaunlich! Ueberaus abwcchsclungsreich und lohnend sind die Ausflüge in die Umgebung von Assuan. Ganz entzückend liegt der Stadt gegenüber die Insel Elcphantine. Von den Arabern wirb sie Ghezireh cl Zhar, d. h. die Blumeninsel, genannt. Sie gleicht in der Tat einem Garten inmitten von Wasser und 'Wüste. Die Felder der Insel sind er- staunlicb fruchtbar; cs gedeihen Baumwolle, Durra und Linien. Unter hohen Palmen und buschigen Snkomorcn sieben niedrige Nilschiamml-änscbcn; in ihnen mobncn fleissige, schön gestaltete Nubier, die in primitivster Weise ihre Accker bestellen. Von der Höhe der Insel, wo einst die Fnsclstadt lag. geniesst inan einen prachtvollen Blick auf die wild ver streuten Kataraktfelscn. Eine gutscgeinvc Feluka brachte mich eines Mor gens über den Nil bin zu einer Landungsstelle, von der aus ich die Felsengräber, die in die Gesteins avhängc der Libyschen Wüste cingehcruen sind, be suchte. Dce vom Niluser steil auiwürte führende Freitreppe, auf vcren mittlerem glatten Teile ehe dem die Särge hinaufgezogen wurden, ist arg ver sandet und fordert bmrn Aufstieg grossen Kraftauf wand. — Beim Durchwühlen des lockeren Sandes vor den Gräbern stützt inan häufig auf Mumien hüllen, auf Splitter von Holzsarkopt)agcn und aus vom Sande weitzg«!chcucrtc Menschenknochen. E.ne Anzahl Gräber kann man besichtigen; die Bilder des allegorisch symbolischen Wandschmuckes in einzelnen 2000 Fahre alten Gräbern sins in den Farben noch so klar und frisch, dass man deuten könnte, die Farben seien ganz neu aufgetragcn. Will man reinste, klarste Wiistenluft geniessen, jo reitet man von Assuan an einem Alabastetfelsen vor bei ins Bab-el Wadi, zur deutschen Pension Neufeld. Die Zelte und Mattenlxnfier, in denen die Pen sionäre leben, bieten einen allerliebsten Anblick; riirgsum llegen Felsstücke; reinste, trockenste Wüsten lust kann man hier in den mit Teppichen geschnrück ten Liegehallen atmen, wie kaum an einem anderen Platze. Lehrreich ist auch ein Ausflug in die für Assuans Geschichte so l>edeutungsvollen Steinbrück)«. Aus die sen Felsen brachen und schnitten die Sklaven der Pharaonen dre grossen Monolithen für die Statuen und Obelisken so manches Tempels; aller Granit, der in Aegypten verarbeitet wurde, kam von hier. Die Bruchmerhoden jener Tage vor 4000 Jahren waren die denkbar primitivsten. Meist wurde der Stein an Ort und Stell« bearbeitet. — Spuren der Arbeits methode sind noch heute im Felsen sichtbar; ein nur halb zugebauener Obelisk ist noch Zeuge harter Ar beit in alter Zeit. Dieser Sternbruch lieferte auch zum grössten Teil oas Material für den Staudamm, des mehr als 2 Kilometer langen, mächtigen Maner wertes, das einen Triumph der technischen Wissen schaft über Naturgewalt bedeutet. Dc^ Damm staut das Nilwusser über 160 Kilometer nach Süden hin auf; die Wtasserabgabe wird völlig durch den Willen der Menschen reguliert. Die Höhe des Dammes beträgt 45 Meter, das Höck-stmak des aufgestauten Wassers ca. 2^4 Millionen Kubikmeter. Eigenartig: nach Süden hin ein weiter See, nach Norden zu ein Felsen meer mit schmal eingerisscncn Svasserläufen, und am Damm selbst die aus den geöffneten Srautoren her vorbrausende, schäumende, wcisslichgrüne illZasser- nrassc! Fm Gebiet des Stausees liegt auch die Insel Phitä mit ihren Tempeln, die bei hohem Wafserstand nur wenig über die Oberfläche emporragcn. Auf einer Feluka setzte ich von Scl/cllal aus über, bestieg die Plattform des 2. Pylonen und hielt Umschau. Umschlossen von düsteren Felswänden, breitet sich der Nilsee aus, spiegelglatt, ernst und majestätisch. Die Kronen der fast unter äüasscr gesetzten Palmen senken trauernd ihre gefiederten Zweige ins schimmernde Wasser. Die beiden Tcmpclpnloncn, der zweite, aus dem ich stehe, und der ca. 10 Meter vor mir gelegene erste, halten sich mit ihren schlanken, durch feinsinnige Reliefs geschmückten Körpern ungefähr k Meter über Wasser. Bon dem zierlichsten Bauwerk auf Phllä, dem Kiosk, der „Krone auf dem geweihten Haupte der Fnjcl", lachen uns allein die über dem Wasser spiegel crl)abcnen reizenden Kapitale dieser hypä thralcn Halle zu — doch es ist ein Lächeln schmerz voller Wehmut! Zwei Tempel besuchte ich von Assuan aus: Kom Ombo und Edfu. Der erstere liegt an einer wcitansholenden Nil bucht auf einer hohen Terrasse, unerwartet plötzlich vor uns auftauchend. Er ist ein Doppcltempel, die interessante Kombination eines Tempels bes krokodU köpsiqen Sobck und des saUenlöpfigen Haroeris Vom Pylon ist nur ein Teil erhalten. Das Dach der Hypostylhalle wird eben ergänzt. Mit grossem In teressc sah ich zu, wie die mit Inschriften und Reliefs versehenen Riesenstcinplatten durch Flaschenzüge vom Boden aufgehoben uno ca. :>0 Meter hoch an den Platz ihrer Bestimmung gebrach; wurden. — Und die alten Aegypter — hatten sie Flaschenzüge? -- Die Säulen des Tempels und ausserordentlich schön; die Schönheit der Kapitäle ist während der P:olc mücrzeit kaum übertroffen worden. Hinter der Hypo stylhalle liegen lange Gänge, die zu sieben Sank tuarien (kleine Heiligtümer) führen. Die Reliefs sind durchweg trefflich erhalten; besonders ausfällig ist der lebensvolle Ausdruck, der auf den Gesichtern rühr, und die aussergewöhnliche Anmut der Linien führung in der figürlichen Darstellung. Die Ein drücke, die ich hier gervann, werden sich so leicht nicht verwischen. Mein letztes Ziel von Assuan aus war Edfu. Von der Bahnstation auf dem östlichen Ufer setzte ich in den Frühstunden eines goldigen Sonntags im still dahingleltenden Boot über die kaum sich bewegende, schimmernde Wasserfläche des Nils über zu der in der ptolcmäischen Zeit so bedeutenden Stadt Edfu. Von der grossen Stadt ist nur ein Rest übriggeblre- bcn, der, auf einer Anhöhe gelegen, weit über Ebene und Fluss hinwegschaut. Der Tempel dieses Platze» ist das vollkommenste Beispiel eines alten ägyptiichen Tempel». Man braucht nur die Banner vor die Pylonen zu setzen, um iyn ganz jo wieder herzustellen, wie er in den Tagen des Ncos Dionysos vor ca. 3000 Jahren war. Im grossen weiten Säulcnbof herrscht eine wahrhaft heilige Stimmung. — Alles ist geblieben wie es war; selbst der Umgang um den Tempel, die grosse Umfassungsmauer, die Brunnen, der Nilometer, der durch einen Kancn mit dem Nil in Verbindung steht. Die Reliefs sind staunenswert vollkommen, nicht nur in den Sanktuarien, sondern auch im äusseren Um gang und selbst im Treppenhaus des Ausganges zum Dache. Der Blick von der Plattform des Pylonen (242 Stufen!) rsi herrlich. Die weil« grüne Eben: erstreckt sich bis zum Fusse der westlichen Hügelkette, in der Ferne schlängelt sich der Fluss dahin, untz jen seits tauchen die blassroten Felsen der östlichen Wüste <mf.