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Auch für Amerika ist der Bedarf durch den Krieg sehr gesteigert, indem große Massen von Säcken für Sand, Schrot rc. dahin aus geführt werden. Jahrelang hat man sich der irrigen Idee hingegeben, daß Jute keine Nässe vertragen könnte, doch ist dieses Vorurtheil seinem Ende nahe, und werden wir in einer der nächsten Nummern Proben von gebleichten Jute Garnen bringen, die zu den verschiedenartigsten Zwecken Verwendung finden. Endlich aber hat ein Herr Thomson in Dundee ein Patent auf Darstellung von Jute-Baumwolle genommen, ein Proceß wo durch das rohe Jute gebleicht und so präparirt wird, daß es seine Härte verliert und fein gehechelt werden kann. Dieses Surrogat für Baumwolle soll sich vorzüglich mit Wolle vermischt und auch mit Baumwolle zu den gröbern Nummern spinnen. Da es nun im Preise in keinem Verhältnisse mit der Baumwolle steht, indem es ab London zu circa 5^ Sgr. perZoll-Pfd. geliefert wird, so dürfte es, wenn es sich in der Fabrikation bewährt, ein bedeutender Han delsartikel werden. Früher begnügte man sich aus Jute nur ganz grobe Garne von 1 bis 12 zu spinnen, doch durch vielseitige Verbesserung in den Maschinen, spinnt man jetzt bis Nr. 20 und selbst 24, von letzterer jedoch nur wenig, indem seines Jute sehr selten ist. Von denan gehefteten Proben sind l'/? und 8 Jute-Wcrggarn aus der Spin nerei der Herren Spiegelberg L Co. in Vechelde bei Braunschweig, welche nur bis Nr. 8 spinnen, Rr. 18 ist schottisches Gespinnst und zwar Line oder langes Jute und wird jeder Kenner zugeben müssen, daß, obgleich nur diese Jute-Spinnerei im Zollverein existirt, die Garne den besten schottischen Gesxinnsten nicht uachstehen. Auf die Entstehung und Verbreitung derJute-Jndustrie kommen wir in einer der nächsten Nummern zurück. —g— Ueber Ventilation nnd Erleuchtung von Gebäuden in London und Paris. Luft und Licht sind Haupterfordcrnisse zu einem gedeihlichen Leben für alle organischen Wesen und so auch vor Allem für den Menschen. Sie werden aber um so dringender, je mehr Menschen bei einander wohnen und je großer die Städtc werden, welche schon durch ihre Ausdehnung und Ausdünstung um so weniger der reinen, freien Lust Zutritt in die Straßen, geschweige denn in die Wohnräume lassen. Demgemäß find Lond o n und P arisalsdie größten StädtcEuropa s auch diejenigen, welche das Bedürsniß nach Luft und Licht am meisten rege erhalten und sich besonders bestreben, durch künstliche Vorrich tungen in jeder Beziehung das zu ersetzen, was den Bewohnern des Landes von selbst zufällt. Genügen nun derartige Vorrichtungen für Beschaffung von Licht und Lstft schon in Räumlichkeiten, in welchen namentlich des Abends und zur Nachtzeit Tausende von Menschen sich zusammenfinden, wie in Theatern, GesellschaftS- und Conccrtsälen, so werden sie in andern untergeordneter Natur sicher ebenfalls ausreichen. So sind es in London die großen, erst vor einigen Jahren eibautcn Gesellschafts und Tanzsäle im Buckingham-Palast der Königin von England, welche mit dem Neuesten aus diesem Gebiete ausgestattet sind. Der große Thron- nnd Musiksaal dieses Palastes steht in Ver bindung mit der Menge von prachtvoll ausgestatteten Luxusgemä- chein, Galerien und andern Sälen, nnd wird bei einer Größe von circa 90 Fuß Länge, 60 Fuß Breite und 40 Fuß Höhe am Tage durch 14 Fenster, welche ca. 25 Fnß über dem Fußboden beginnen, erleuchtet. Bei festlichen Gelegenheiten dagegen wird dieser Raum durch 21 Sonnenlichter und 10 Armleuchter mit je 30 Wachskerzen erhellt. Diese 21 Sonnenlichter sind theils vor den 14 Fenstern, theils in der Decke an 7 Stellen angebracht *). Ein solches Licht besteht aus einer Menge von Gasbrennern, welche mit ihren schlitz artigen Oeffuungen so angebracht sind, daß eine Flamme die andere berührt und so sämmtlichc Flammen zusammen einen Lichtstrcif oder Lichtkranz bilden. Vor jedem der Fenster ist ein Röhrsystcm ange bracht, welches 312 Gasflammen trägt: mithin sind in allen diesen Fenstern 312.14 ----- 4368 Flammen. Außerdem sind die an der Decke angebrachten 7 Sonnenlichter, jedes mit 20 -j- 10 ----- 30, im Ganzen also mit 30.7 ---- 210 Gasbrennern versehen, wonach die Zahl aller Gasflammen 4368 -j- 210 — 4578 beträgt. 20 der an den Sonnenlichtern angebrachten Flammen sind in einem hohlen Krystallknopf cingeschlosscn, der mit Prismen geschmückt, unten in einer Glaskugel endigt, welche wiederum 10 Brenner umgibt. Ueber allen diesen Flammen befindet sich eine einwendig weißgcstrichene Glocke, welche an einer 5 Zoll weiten Röhre hängt, die im Dach boden in einen Kegel mündet, an dessen oberem Ende das 12 Zoll weite Abzugsrohr angebracht ist. Diese Theile sind sämmtlich von Eisenblech gefertigt. Tageshelle verbreiten diese Flammen und erzeugen dabei im Saal nicht die geringste Hitze, da sie sich außerhalb des Saales befinden, wohl aber eine vorzügliche Ventilation, wozu die in den Fenstern sich befindenden noch wesentlich beitragen. Das schon erwähnte Gas röhrensystem ist hier zwischen Doppelfenstern angebracht, von denen die inwendigen matt geschliffen sind, und daher die Flammen nicht in einzelnen Strahlen, sondern zerstreut als ein einziges Licht in den Saal fallen lassen. Vor den äußeren befindet sich dagegen ein zum Aufziehen eingerichtetes Rouleau, das von Guttapercha und nach innen zu weiß ist. Jeder dieser Fensterkasten erhält die znm Vcrbren- nungs-Proceß nöthigc Lust aus dem Saale durch unten in der Mauer liegende Kanäle, welche unter dem Fußboden sich hinziehcnd an den Wänden des Saales mit verschließbaren Oeffnuugen münden. Die durch 312 Flammen erwärmte Luft wird durch einen im Fenster kasten oben angebrachten Schlot von 6 und 8 Zoll Weite im Rechteck, der bis über das Dach hinausgeführt ist, abgeleitet. Dieses in London schon seit ein paar Jahren durchgeführte Er- leuchtungs- und Ventilations-System ist in noch crhöhtercm Maße in Paris ausgebildet, nnd zwar bei den beiden erst in diesem Sommer vollendeten neuen Theatern, dem Dllsätrs Imperial ckutldntelot und dem Dlmatrs cke la Kalte; beide im August dieses Jahres eröffnet. Das erstgenannte dieser Theater ist das ältere nnd fast aus schließlich durch ein in der Decke angebrachtes Sonnenlicht erleuchtet. Die Gasflammen desselben bilden, indem sie drei kreisrunden Gas rohren entströmen, die so übereinandergclegt sind, daß die unterste größer als die darüber liegende und diese wiederum größer als die oberste ist, eine Pyramide, deren Gesamwtlicht, heruntcrgeworfen von einem über ihr hängenden, inwendig weißlackirtcn Schirm von Eisenblech und durch eine darunter liegende flache Kuppel vou matt *) Wir machen bei dieser Gelegenheit auf die vom Herrn Regiments arzte Ilr. Böhm verfaßte Broschüre „Der Versuchsbau und Sonnen brenner re." aufmerksam, welche eine eingehende Auseinandersetzung des in England verbreiteten Systems der Sonucnbrenner cntbäll, und bemerken, daß der Operationssaal des k. k. Garnisonsspitals Nr. l in Wien, mit einem derartigen Sonnenbrenner versehen ist. Die Redaction.