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Allgemeine gewerbliche Verhältnisse. Einige Worte über Spanien. Von Philipp Dessauer, königl. spanischem Nice-Cvnsul in Aschaffenburg. Nicht blos in Europas Mittelländern regt es sich geschäftig, auch in die äußersten Enden dringt derGeist der neuern Zeit immer mächtiger ein, und namentlich hat im Westende das spanische Volk die Arbeit, sich an dessen Fortschritten zu betheiligen, mit einem Eifer erfaßt, welcher gegen die seit drei Jahrhunderten in diesen Dingen geübte laue Trägheit sehr vortheilhaft absticht, dessen Wirk-, samkeit aber im Auslande noch nicht genugsam bekannt und an erkannt ist. Unter andern stehen wir Deutsche—wenigstens die Geschäfts leute, von denen und zu denen hier allein geredet wird — diesem Lande bis jetzt allzu ferne; nur Wenige unternehmen Reisen da hin, und kaum ein anderes Land dürfte, im Derhältniß zu seiner handelschaftlichen Bedeutung, so wenig angesiedelte Deutsche zäh len, als eben Spanien. Und doch steht hier ein Feld offen, auf welchem deutsche Einsicht und Rührigkeit ausgezeichneten Ertrag erzielen müßte. Mir wenigstens hat die vor Kurzem beendigte Reise nach jenem Lande diese Ansicht aufgedrungen, und ich be greife nicht recht, weshalb unsere Industrie noch so wenig tiefen Grund und allseitige Verbreitung dort gefunden hat. Es sind hauptsächlich nur Remscheider, Iserlohner und Nürnberger Häuser, welche den Vertrieb unserer Fabrikate dort handhaben, und zwar allerdings in der Art, daß das deutsche Product des besten Rufes genießt und, so weit es eben bekannt ist, dem französischen, als dem minder soliden, größtenteils vorgezogen wird. Aber jener Kreis könnte sehr erweitert, dem französischen dermalen bei weitem vor herrschenden noch gar viel Raum abgewonnen werden, wenn man die Sache nur bei Zeiten, mit Ernst und Nachdruck und am rechten Ende angreift. Ich wünschte dazu einen Beitrag zu liefern, vorerst die Auf merksamkeit der deutschen Geschäftswelt auf jenes wie neu belebte Land zu lenken, überzeugt, daß die hier nicht näher zu erörternden Ursachen, welche früherhin unfern Verkehr mit demselben inögen gehemmt und verhindert haben, jetzt nicht mehr wirksam sind, und baß wir durch emsige und allseitige Aufnahme solches Verkehrs nur dem sehnlichen Wunsche des spanischen Volkes wie der Regie-! rung entgegenkommen. Es ist erstens nicht richtig, daß, wie man oft behaupten hört, Spanien überhaupt nur wenig fremde Fabrikate verbrauche oder bezahlen könne; vielmehr, da bekanntlich die dortigen Gewerbe sowohl an Umfang wie an kunstgerechtem Betriebe noch um ein Namhaftes hinter den unsrigen zurückstehen, wird der fremde Ab satz dorthin noch lange bedeutend zunehmen, und namentlich glaube ich, daß es nicht leicht ein deutsches Erzeugniß geben möchte, dem sich nicht eineZukunft inSpanien eröffnen ließe; nur freilich kommt dabei gar viel auf die Art und Weise an, wie man die Sache in ersten Angriff nimmt. Zuvörderst natürlich gilt es Bedürfnisse und Geschmack genau kennen zu lernen ; diese gestalten sich hier, wie überall, ganz eigen- thümlich, und außerdem find gerade die Spanier nicht die Leute, welche fremder Sinnesart so leicht huldigten; man muß sich eben nach der ihrigen richten, und da wird denn die dürftige Aufklärung, welche man auS den Berichten der gewöhnlichen Agenten und Rei- senden gewinnt, schwerlich ausreichen. Nur wer das Fabrikat durch und durch kennt, seinen Gebrauch und Verbrauch nach den verschiedensten Richtungen ermißt, d. h. also der Erzeuger selber, kann und muß an Ort und Stelle sich mit den Leuten verständigen, dann wird ein reichlicher Absatz, und zwar aus die Dauer, unschwer zu erzielen sein. Es sei dann zweitens bemerkt, daß man in Spanien noch Wik-t e JlluNr. rems-bk Wewkrbr-Zkiwnq IWI. weit davon entfernt ist, so mit Ungestüm und rücksichtslos nach Geld zu jagen, wie das namentlich in Nordamerika zur widerwär tig krankhaften Sucht geworden ist; daß man also zwar minder leicht und rasch gewinnt, aber auch nicht so leicht Gefahr läuft, das rechtlich Erworbene im Handumdrehen wieder zu verlieren, wie dort jenseit des Oceans. Es liegt ferner, wie ja allbekannt ist, ein ernstes, solides Wesen im ganzen Charakter des spanischen Volkes von Natur begründet; die Leute sind ehrliebend, darum durchweg ehrlich, und das leider allgegenwärtige und unsterbliche Geschlecht der bösen Zahler findet sich bei ihnen wenigstens nicht sehr zahlreich vertreten, und die einheimischen Exemplare sind — was ich als tröstlichen Umstand hervorhebe -— leicht zu erkennen und zu vermeiden. Und dritttns hört Spanien täglich mehr auf, das Land der schlechten Wege, der Maulthiertreiber - Carawanen und der mit beiden verbundenen Reiseabenteuer zu sein. Schon strecken die französischen Eisenbahnen ihre Arme an die Pyrenäen hinan und in das altromantische Land hinein; innerhalb desselben rücken die einheimischen Schienenzüge weiter vor, und binnen wenigen Jah ren werden die Hauptfäden des Netzes zwischen den bedeutendsten Städten gezogen sein, Spanien auch in Hinsicht des Reisens zu einem europäischen Lande umgestaltend. Schon jetzt habe ich die Sache weder so gefährlich , noch so beschwerlich, noch so kostspielig gefunden, als sie von manchen Seiten her dargestellt wird, und ich glaube daher für den bezeichneten Zweck dieser Zeilen nichts Ueber- flüssiges zu thun, wenn ich einige meiner einschlägigen Reisebemer kungen hier mittheile. Wie man in kaum 21 Stunden von Straßburg oder Paris nach Marseille gelangt, ist aus Hendschel's Telegraphen zu ersehen, nicht aber, wie oft man Gelegenheit hat, von diesem Platze nun weiter nach Barcellona zu fahren. Der Wasserweg erfordert 24, der Landweg über Perpignan 38 Stunden Zeit; für den letztern ist die Gelegenheit täglich, für die Wasserfahrt mehrmals in der Woche. Die Kosten kommen in beiden Fällen, schon der Concur- renz wegen, so ziemlich gleich hoch ; für die Ueberfahrt in erster Cajüte bezahlte ich 8l^ Franken. Um jedoch hier nicht lang weilige Zahlen zu häufen, berechne ich überhaupt die Kosten der Postfahrten und des Wirthshausverzehrens zu gleichem Betrage, wie etwa in Norddeutschland oder am Niederrhein, nur daß frei lich manche Bequemlichkeiten uno Bedürfnisse, an welche wir hier gewöhnt sind, dort in Spanien noch keinen Eingang gefunden haben, um das Leben auf der einen Seite zu verschönern, auf der andern zu verpfuschen und jedenfalls zu vertheuern. Sind aller dings die Wege nicht überall die besten, so hebt sich dieser Mangel doch sichtbarlick mit jedem Tage, und am Ende führen auch wohl schlechte Straßen doch zu guten Geschäften. Im Uebrigen erinnere ich mich nicht, nur ein einziges Mal geprellt, beraubt oder erdolcht worden zu sein, und die einzige wirkliche Lebensgefahr, die ich aus gestanden, war die, an dem ewigen und allseitrgen Knoblauchs dufte zu ersticken. Doch dies nebenbei und zu verzeihlicher Abwechslung. Ich , komme auf Barcellona zurück, um noch zu bemerken, daß^hier, wie in andern Küstenstädten, welche lebhaften Verkehr mit Frankreich j unterhalten, die französischeSprache so verbreitet ist, daß man mit derselben immerhin ausreichen mag. — Es laufen nun von dieser ! ersten Gewerbsstadt Spaniens bereits Ansätze zu Eisenbahnen nach vier Richtungen hinaus. Die dem öffentlichen Verkehr übergebenen Strecken sind allerdings noch unbedeutend, doch schafft man unab lässig und hofft binnen Jahresfrist über -saragoffa nach Madrid hinauf ununterbrochen fortdampfen zu können. Zugleich wird nach Valencia hin gebaut, dock scheint dieser Zug minder dringend, > weil der Wasserweg immer offen steht und wöchentlich mehrmals ; Dampfschiffe abgehen, um den Reisenden in beiläufig 22 Stunden hinüberzuführen. Wer, wie ich, die häufig unruhige See zu scheuen Ursache hat, mag die täglich abfahrende Ueberlandspost 24