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Erst« Ständekammer ihrer Zusammensetzung nach nichts andere» al» eine Fortbildung der alten Stände darstellen. Während die Land wirtschaft, vor allem der Großgrundbesitz, «inen fast übermächtigen Einfluß besitzt, bleiben Handel und Industrie, soweit nicht diesen Erwerb»stSndrn wentge Sitze durch landesherrliche Berufung etngeräumt wer den, fast unvertreten. Ein verkassun a» mäßi ge s Recht auf Sitz und Stimme in der Ersten Kam mer, wenn auch in bescheidenstem Mähe, besteht, wie obige Zusammenstellung ergibt, nur in Baden und Württemberg. Dieser Zustand ist in Anbetracht der stetig fort schreitenden Industrialisierung Deutschlands und der damit verbundenen wachsenden Bedeutung von Han del und Industrie für das Steueraufkommen der Staaten unhaltbar. Die auf eine Reform der Zu sammensetzung der Ersten Kammer gerichteten Wünsche werden nicht verstummen, und cs wäre des halb nur klug von den Staatvregierungen, wenn sie vor der Entstehung ernster Kämpf« und Konflikte diesen berechtigten Be strebungen des Handels und der In dustrie rechtzeitig entgegenkämen. N. N. politische Ueberlicht Vie Konsumgenossenschaften als Expropriateure Das Zcntralorgan der sozialdemokratischen Gc- werkschaftsleitung veröffentlicht über die Behand lung der Konsumgenossenschaften eine lange Unter suchung F. S t a ud i n g e r s, die nach verschiedenen Richtungen bemerkenswert ist. Nur beiläufig sei erwähnt, daß Staudinger im Gegensatz zu dem oztaldemokratischen Standpunkt, die Rolle des lnter nehmers im Prozeß der Gütercrzeugung o gering wie möglich einzuschätzen, folgende» chrelbt: „Der Profit hängt wesentlich ab vom Absatz. Wer aber bewirkt den Ab atz in Wahrheit? Die Geschicklichkeit des Unternehmers? JawohlI Aber nickst etwa seine Geschicklichkeit als Organisator und Leiter der Produkttonswerkstatt allein, sondern vor allem seine Geschicklichkeit als Kunden fänger, als Kaufmann. Wenn sich recht viele Kunden fangen lasten, so bringen sie ihm Reich tümer, und wenn sich wenige Kunden fangen lasten, so macht er bankerott. Die Kunden also sind cs, die die Profite unter die Unternehmer verteilen." Staudtnger geht hierauf nur deshalb ein, weil er den Arbeitern klar machen will, daß sie als Arbeiter für das wesentlichste Schlußstück der Pro duktion, für den Verkauf, gar nicht» vollbringen, dagegen als Kunden die» in umfassendstem Maße tun können: Als Kunden haben sie tatsächlich heute den größten Teil der wirtschaftlichen Macht in ihrer Hand. Aber, sie schenken sie — dem Kapital; dem Kapital, das sie in ihrer Arbeitereigenschaft be kämpfen. Sollte da nicht ohne weiteres die Frage nahetreten: Warum organisieren sich denn die Arbeiter nicht in umfassendster Weise als Kunden, um dieses Kapital überhaupt zu ex propriieren und es — sich selbst zu schenken?" Für diesen Zweck sollen sich also die Arbeiter ge nossenschaftlich organisieren. Damit sie jedoch mittels der Konsumgenossenschaften die Produktronsmittel in zunehmendem Maße erobern, bedarf es eines zins freien Genostenschaftsvermögcns. Darum will Stau dinger einen bestimmten Teil des Ueberschustes der Konsumgenossenschaften, etwa ein Prozent, als Er oberung s s o n d s" angelegt wissen. Zur Steige rung der Eroberungsmöglichkeiten verlangt Stau dinger zweierlei: Einmal sollen die Löhne in Ge- nostenschastsbetrieben nlemalo s o h o ch steigen, daß sie die freie Aufwärtsentwicklung der Genossen schaft hemmen, und zum zweiten sollen sie niemals so hoch steigen, daß die Genostenschaftsvorstände sich scheuen, an die Errichtung neuer Betriebe heranzu- treten. Staudinger sucht den Arbeitern dies« Auf tastung auf folgende Werse schmackhaft zu machen: „Die Genostenschaft soll da sicherlich vorbildliche Löhne zahlen. Das ist ihre Anstandspflicht. Aber vorbildlich, das bedeutet, daß man das Kapital auch nötigen kann, die genossenschaftlichen Arbeits bedingungen nachzubilden. Sonst hat das ganze Wort keinen Sinn. Und selbstverständlich gehört dann auch vorbildliche Arbeit»leistung hin zu. Sieht man aber von dieser genossenschaftlichen Anstandspflicht ab, so haben die Arbeiter inner Januar und Zebruar vor hundert Jahren. Von Dr. Julius o. Pflugk-Harttung. Geheimer Archivrat am Königl. Geheimen Staats archiv in Berlin. Der Herbstseldzug 1813 erhielt sein Gepräge durch die Tätigkeit der Preußen, der Winter- fcldzug 1814 das seinige durch die Untätigkeit der österreichischen Heeresleitung. Beim Ab- schlns; der Bündnisverträge gegen Napoleon glaubte man als äußerste- Ziel die Gewinnung der Rhcinlinie anneljmen zu dürfen und stellte seine Bestrebungen gewissermaßen darauf ein. Ais dann aber die furchtbare Niederlage des Napoleonischen Heeres bei Leipzig und seine Flucht über den Rhein erfolgte, wollten sich die Patrioten: Stein, Gneisenau, Blücher u. a. diese Lage zunutze machen und den Krieg fori- setzen. Anders dachte Metternich, der Staats- tanzler Oesterreichs. Er stellte sich ans den unter völlig anoeren Umständen geschaffenen Boden und bot Napoleon die „natürlichen Gren zen" an: Rhein, Alpen, Pyrenäen. Die Stim mung der leitenden Männer ernste- sich diesem Zugeständnisse günstig. Trotz der Siege herrschte bet ihnen KrtcgSüverdruß; man war der steten Aufregungen und Anstrengungen müde. Die russischen Generale glaubten, sie hätten schon viel zu viel getan, denn die stete Ausdehnung de- Krieges forderte nur Opfer, ohne Rußland weitere Vorteile zu bringen. Der Zar, ur sprünglich zum Acußersten entschlossen, blieb von dieser Auffassung nicht unberührt. Der König von Preußen dachte an die zerrütteten Fi nanzen seines Staate-, an die ungeheuren Opfer seine- Volkes, an die Abgerissenheit seiner Sol daten; in seiner schwarzseherischen Art traute er dec Zukunft nicht und wünschte deshalb, die bisher errungenen Erfolge möglichst bald unter Dach und Fach zu bringen. Oesterreich hakle da- Schwert ausschließlich für die eigenen Be dürfnisse gezogen, und sie inzwischen befriedigt. Napoleon »ar der ESAwtegersoyn de- Kaiser» halb der Genossenschaft an sich nicht das mindeste Anrecht darauf, daß sie bester gestellt werden als ihre noch im Kapitaloetrieb befindlichen Genossen, die ebenso wie sie hier ihre Loonwerte realisieren. Rein rechnerisch genommen nehmen sie doch das, was sie mehr erhalten, offenbar den draußen arbeitenden Kameraden weg. Auch wenn die Arbeiter die Rechnung de» letzten Satzes verstehen und der obigen Austastung ge nossenschaftlicher Anstandspflicht beistimmen sollten, werden sie sick>er über die Notwendigkeit einer vor bildlichen Arbeitsleistung in Genossenschaftsbetrieben ebenso im Zweifel sein wie darüber, ob die Expro priation des Kapitals durch die Konsumgenossen schaften nicht zu lange dauern werde. Eine süddeutsche Stimme zur inneren Lage. Recht sympathische Worte spricht die amt liche „Bayerische Staatszeitung" in ihrer jüngsten Montagsschau zur inneren Lage im Reiche auS: „In der inneren Politik des Reiches ist die im Interesse einer ungestörten Wirksamkeit un serer nationalen Kräfte erwünschte Ruhe allmählich wieder zurürkgekchrt. Die vortrefflichen Worte, die der Reichskanzler bei dem Mahle des Deutschen Landwirtschaftsrats ausgesprochen hat, werden dazu beitragen, diesen Gesundungsprozeß zu beschleunigen. Was Herr von Bethmann Hollweg über die Verkehrt heit einer gewissen Sorte von Par» tikularismus gesagt hat, wird jeder in Deutschland, der den Reichsgcdanken und seine Bedeutung für unsere innere Geschlossenheit rich tig erfaßt hat, mit Genugtuung vernommen ha ben. Wir haben einen wirtschaftlichen Auf schwung zu verzeichnen, der die Bewunderung und das Staunen des Auslandes erregt. Mit diesem Staunen ist auch aufs engste der Neid verbunden, und dieser Neid beob achtet mit gespannter Aufmerksamkeit Sym ptome von Eigenbrödelei, wie sie m jüngster Zeit im Norden des Reiches zu ver zeichnen gewesen sind. Es mag sein, daß er sie überschätzte, es Ware aber des Geschlechtes, das die Früchte der Opfer seiner Väter genießt, wür diger, jede Gelegenheit partikularistischer Jnfet- tion sorgsam zu vermeiden. Mit Befriedigung kann das deutsche Volk auch Len Stimmungs Umschwung verzeichnen, der sich in den Reichslanden geltend macht. Die sympathische Art, mit der sich die neuen Männer in Straßburg eingeführt Huben, läßt erwarten, daß die Ruhe, die in Elsaß-Lothringen einkehrt, sich zu einer dauern den gestalten wird. Der erfreuliche maßvolle Ton, den die r e ich s l än d i sch e Presse in der jüngsten Zett einschlägt, scheint eine gewisse Bürgschaft für die Verwirklichung derartiger Wünsche zu bieten. Notwendig ist aber, daß nunmehr auch die übrige deutsche Presse der weiteren Entwicklung der Dinge in Elsaß-Lothriugen gegenüber Wohlwollen und Verständnis zeigt, und den aufrichtigen Willen bekundet, an der Befestigung des Inneren-Frie dens in den Reichslanden in Ruhe ifttd Besonnen» yeit mitznarbeiten." Dsutßches Reich. * Die Wahlen zum Land«»kulturrat finden dem nächst statt. Die von den „Dresdn. Nachr." jüngst veröffentlichte, auch von uns wtedergegebene Kandi datenliste ist die Liste des Bunde» der Landwirte Es wird uns hierzu geschrieben, daß sich gegen die vom Bunde der Landwirte aufgestellten Kandidaten in weiten Schichten der bäuerlichen Bevölkerung Widerspruch geltend macht. Außer neun Herren, die bereits im Landeskulturrat gesessen haben, sind noch ausgestellt ein Oekonomierat und zwei Gutsbesitzer, von denen der eine der be kannte Herr Bennewitz ist, der die Kleinbauern als „Kuhbaucrn" bezeichnet hat. Ganz besonders hat es verstimmt, daß in dem einen Wahlkreise der konservative Landtugsabgeordnete Heymann - Großolbersdorf von seiner Kandidatur zum Landes- kulturrnt zurücktreten mußte, weil er dem Bund der Landwirte als sicherer Mann insofern nicht erschien, als er sich für eine Reform de» Landeskulturrat» ausgesprochen hat Auch aus diesen auf den Bund der Landwirte zurückzusührenden Mißbelligkeiten er gibt sich, wie notwendig es ist, daß die kteinen und mittleren Bauern auf eine Umgestaltung de» Landes kulturrat» dringen. * Der Sächsisch« vietzkastrlerer-verein bat an den. Landtag «ine Petition gerichtet, in der er bittet „das Gewerbe der Kastriere! gesetzlich zu regeln un für dessen gewerbsmäßige Ausübung besondere Ver' ordnungen zu erlassen " * Diskustionsabend. Der Nattonalliberale Ver ein für Leipzig und Umgebung veranstaltet am 20. Februar aoends 8)4 Uhr im Saale des Börsen restaurant», Iröndltnrina, feinen 4. politischen Dis kussion sabcnd. Dr. B. E. Westenberger- Dresden spricht über da, Thema „Sozialis- m u s". An den Vortrag schließt sich eine Aussprache an. — Um recht zahlreichen Besuch wird zu diesem interessanten Vortrag gebeten. Jedermann, auch Damen, sind willkommen. U * Der Kaiser stattete am Montag vormittag dem Reichskanzler einen Besuch ab. Weiter meldet die „Nordd. Alla. Zig." unterm 16. Februar: Der Kaiser und die Kaiserin haben sich für heute Montag beim Reichskanzler und Frau von Bethmann Hollweg zunnDiner angesagt. Hierzu haben Einladungen erhalten: der Königl. Bayrische Gesandte Graf v. Lerchenfeld, der Eroßherzoglich Mecklenburgische Gesandte Freiherr v. Brandenstein und Gemahlin, der König!. Sächsisch« Gesandte Freiherr v. Salza undLtchtenau und Ge- mahltn, der General der Infanterie und General adjutant v. Löwenfeld, der General der Kavallerie v. Pfuel und Gemahlin, der Generaldirektor der Königl. Bibliothek Wirt!. Goh. Rat DOr. Harnack und Gemahlin, di« Hofstaatsdame der Kaiserin Fräulein v. Gerodorff, der OberpräsiLent der Provinz Brandenburg v. d. Schulenburg und Ge mahlin, Unterstaatssekretär Wahnschaffe, der dienst tuende General L l» «nit« Generalmajor v. Chelius, der Kabinettsrat der Kaiserin Kamm«rherr von Spttzemberg, der diensttuende Flüaeladjutant Major v. Taprtot und Oberleutnant Freiherr v. Sell. * Empfang der albanischen Abordnung durch den Prinzen zn Wied. Wie die „Neuwieder Ztg." erfährt, ist der Empfang der Abordnung aus Albanien durch den Prinzen Wilhelm zu Wied im Schlosse Neuwied endgültig auf den 10. Februar festgesetzt. Nach dem Empfange findet bei dem Fürsten Friedrich zu Wied im Fest saale de» Schlosses ein Mahl statt. Darauf braucht die Abordnung die Prinzen und Prinzessinnen zu Wied auf Schloß Monrepos und reist abends nach Waldenburg zum Besuche de» Fürsten von Schön burg-Waldenburg, des Bruders der Prinzessin Wilhelm. * Bei« Lod« der Prinzessin WilHelm von Baden waren anwesend: Prinz Mar von Baden, die regie rende Herzogin Marie von Anhalt, geborene Prin- zesstn von Baden, und die Aerzte Dr. Müller und Professor Starck. Sämtliche bürgerliche Blätter in Karlsruhe widmen der verstorbenen Prinzessin warm empfundene Nachrufe, in denen insbesondere die von ihr in so reichem Maße geübte Wohltätigkeit heroorgehoben wird. — Im Palat» der Verstorbenen fanden sich im Lauf« des Montagvormittags ein: Das Gesamtmtnisterium und ferner der russische und der preußische Gesandte, um ihre Teilnahme auszu sprechen. — Di« KnZ Piö- zu dkm nochnich^^annten Tag« derBeiseßüng der Prinzessin Wilhelm von Baden eingestellt. — Di« auf Mittwoch sHHesetzte Plenarsitzung der badischen Erften Kammer*kft wegen Ablebens der Prinzessin bis auf weiteres verschoben worden. * Noch ein Nachklang zum Preußentag. Der „Münchener Abendzeitung" zufolge sprach König Ludwig während der letzten Deteranenfeier noch mals seine Mißbilligung über den Preußentag und besonders über die nicht erfolgte Zurück weisung der verletzenden Entgleisungen in der Versammlung aus. Die nachträgliche Erklärung des Generals von Kracht bezeichnete der König als mann haft und befriedigend. preußisches M-eor-aeteichaus. Sitzungsbericht. (Fortsetzung aus der gestrigen Abendnummer.) Abg. Stroebel (Soz.): In Nordschleswig wird eine Politik der Berge waltigung und Drangsalierung gegen die Dänen getrieben. Minister ». Dall»ttz: Wenn der Vorredner bezüg lich der Ereignisse von 1884 von einem Rau b sprach, so leg« ich auf» allerentschtedrnste da gegen Verwahrung ein. Als Kaiser Wilhelm di« Heeresorganisatton durchgesetzt hatte, und nach dem «s Bismarck» überragender Diplomatie ge lungen war, Rußland zu neutralisieren und Oesterreich» Mitwirkung zu erzielen, konnten wir unseren deutschen Brüdern in der Nordmark' zur Hilfe eilen und sie befreien. Wenn man da von einem Raub sprechen kann, so ist das ein Beweis von einem Tiefstand des nationalen Empfindens. Wir billigen es vollkommen, daß dem sozialdemokratischen Vizepräsidenten das Folk«tbing verboten wurde, in Flensburg einen Vortrag in dänischer Sprache zu halten. Aba. Graf Neventlo» (Konf): Früher hat das Deutschtum in Nordschleswig Fortschritte gemacht. Da» hat aufgehört, seitdem die Politik gegen die Dänen an Entschiedenheit verloren hat. Ich bitte die Regierung, stetig undenergtschtn ihrer Dänenpoltttk vorzugehen. Abg. Kloppenborg (Däne): Die dänische Regie rung hat stets eine korrekte Nachbarpolttik ge trieben. Di« Unterdrückung, die Preußen durch Na poleon erlitt, war nicht so groß wie die, welch« die Dänen seitens der Preußen erleiden. Abg. v. Bonin-Ttormarn (Freikons.): Der Vor redner hat übertrieben. Gegen das provozierende Verhalten der Dänen muß energisch oorgogangen werden. Nach längerer Debatte über Li« Verhältnisse der Sparkassen wird die Weiterberatuna auf Dienstag 11 Uhr ver tagt; außerdem Interpellation belr. die Ueberschwem- mungsschäden an der Ostsee, Vorlage betr. Stadt- erweiterung von Dortmund. Ausland. Oesterreich. * Der Kaiser hat dem Grafen Berchthold, wie au« Wien, 16. Februar, telegraphisch gemeldet wird, das Eroßkreuz des St. Stephanorden» ver liehen. Frankreich. * Militärischer Borbereitungskursus. Au» Pa äs, 16. Februar, meldet der Draht: Kriegvminister Nou- lens hielt in Le Raincy bei Paris bei der Grün dungsfeier des Verbandes der Vereinigung für mili tärische Vorbereitung ein« Rede, in der er dafür eintrat, daß alle jungen Leute verpflichtet sein soll ten, einen militärischen Vorbereitungs kursus durchzumachen. Italien. * Gesundung der Königin Margherita. Aus Rom, 16. Februar, meldet ein Telegramm: Das Be finden der Königin-Mutter erregt keine Besorgnis mehr, da die normale Körper temperatur zurückgekehrt ist. Der König und die Königin verweilen täglich mehrer« Stunden tm Palazzo Margherita. Russlaaö. De« SsHMe» des Finanzminifter», Okrawf ti, Weber und Nowitzki, ist, wie telegraphisch üclts Petersburg, 16. Februar, berichtet wird, die von ihnen erbetene Entlassung bewilligt worden. Dy Rücktritt der Direktoren der Kredttkanzlei, D a - vydow, der Staatsbank, Konschin, und der all gemeinen Kanzlei Les Fina »Minister», Iwow, steht bevor. * «oremykin» Negierung»Programm. Zwischen dem neuen Ministerpräsidenten Goremykrn und den Kabinettsmitgliedern hat, wie telegraphisch aus Petersburg gemewet wird, «in Meinungsaustausch über da» Regierungsprogramm stattgefunden. Eore- mykin erklärte, man müße vor allem für die Her stellung guter Beziehungen zur Reiche duma sorgen. Der Minister des Innern Maklakow entgegnete hierauf, die Regierung dürfe nach dieser Richtung Lin keine Schritte unternehmen, da ihre Autorität dadurch erschüttert werden könnte. Dem Vernehmen nach wird auch der Handeleminister Ti maschow zurücktreten. Die Gerüchte, daß auch Ssa» sonow nicht mehr lange auf seinem Posten bleiben wird, verstummen trotz aller offiziöser Dementis nicht. Als einer der Kandidaten für den Posten de» Mi nisters des Auswärtigen wird der Konstantinopeler Botschafter Herr v. Giere genannt. Franz, und die Habsburgische Hauspolitik wünschte nicht seinen Sturz, sondern seine Er haltung aus dein Throne, selbst der zäheste Feind des Korsen, England, zeigte sich be reit, cinzulcnken, ja sogar Opfer zu bringen, um Handel und Geiverbe, welche schwer gelitten hatten, wieder zu heben. Die Dinge lagen also über Erwarten günstig für den Imperator: trotz seines zweifachen militärischen Zusammenbruchs m Rußland uud Sachsen bot man ihm die Rhein grenze an, d. h. man ließ ihm das Elsaß zugleich mit dem Erwerbe des reichen Hollands, Belgiens uud der Rhcinlande. Hinzu kam, daß die Franzosen den Frieden fast noch mehr als ihre Widersacher wünschten und brauchten. Die unerhörten Anforderungen hat ten das Land arm an Geld nnd Menschen ge macht. Eine geradezu leidenschaftliche Sehn sucht nach Ruhe und Alltagsgcnnß ergriff die Gemüter. Unter solchen Umständen hätte man meinen sollen, daß Napoleon auf das Angebot Metter nichs mit beiden Händen zngciff. Doch das Gegenteil geschah. Der geistige Weltbezwiuner hatte den Sinn für Wirklichkeit und Selbst beherrschung verloren. Obwohl er tagtäglich sich vom Gegenteil überzeugen konnte, lebte er oer Ucberzeugung, daß nur der siegreiche Sohn de» GlückeS sich auf dem Throne Frankreichs zu halten vermöge, und er konnte und wollte sich nicht in die Rolle des Besiegten finden. So >vies er trotzig das unverdient günstige Zuge ständnis ab. Da inzwischen die Patrioten den Zaren nmgcsttmmt hatten, dem sich auch Eng land «»schloß, so erwies sich eine neue Waffen- entschcivuna als notwendig. Militärisch hatten die Verbündeten, denen nun auch die Rtieinbundfürsten angehörten, die Zeit so vortrefflich benutzt, daß sie Ende des Wahres 1813 auf 5,00 000 Bajonette zählen konn ten, denen Napoleon zunächst nur 5,3 000 Mann entgegenzuftellen vermochte Bei nur halvwegs entschlossenem Willen handelte es sich einem» ltcy überhaupt nicht mehr um .Mteg, sondern um einen unaufhaltsamen Vormarsch auf Parts. Aber Wille und Einigkeit fehlten. E» kam zu langen militärischen Beratungen mit dem end« lichen Ergebnisse einer Aufstellung dreier Heere: einer Nordarmee unter Bernadotte, einer Mittelarmee unter Blücher und einer oberrheinischen unter dem österreichischen Feldmarschall Schwarzenberg. Letztere umfaßte die größte Truppenmasse, nämlich 200 000 Mann, und war durch ihr Hauptquar tier, in dem sich außer Schwarzenberg auch die Monarchen und Minister befanden, zugleich die eigentliche Hanptarmee. Blücher wollte ge rade aufs Ziel losgehen, anders Schwarzenberg: voller Furcht vor dem revolutionären Frank reich und dein Kriegergcnie Napoleons, wagte er sich nicht wett und rasch vor, sondern erklärte das Plateau von Langres für entscheidend, denn von dort aus beherrsche man Frankreich. ES müsse mithin als Stützpunkt dienen, und um sich den Rücken zu decken, sei noch der Besitz der Schweiz unentbehrlich. Geschäftig türmte man sich selber Hindernisse auf. Am 21. Dezember überschritt die Haupt armee die Schweizer Grenze, und am 1. Januar chrieb Blücher vergnügt seiner Fran: „Der rühe neujahrsmorgen wahr vor mich erfreu- ich da ich den Stoltzen Rhein Passirte, die uffcr erkühnten vor Freuoengeschrey, und meine bra ven Truppen Empfingen mich mit Jubel." Die schwachen französischen Heeresteile wichen zu rück; langsam schoben sich die fremden Völker nach Frankreich hinein, dessen Bewohner sie freudig als Befreier vom Napoleonischen Drucke empfingen. Bald aber traten tiefe Schäden des Bllndntswesens zutage. Man hatte eine schwache, vielfach unfähige Oberleitung, welche sich von politischen Zielen beeinflussen ließ, mit allerlei Gegensätzen, Jntriguen und veralteten Anschau ungen. Da» schlimmste war, daß die Ziele der österreichischen LauSpolittk und die der Übri gen Kriegsteilnehmer sich nicht deckten. Metter nich hielt zähe fest am Throne Napoleons, Alexander durchdrang sich ebenso sehr mit dem Gedanke» seines Sturzes, einer Ansfasinng. der sich England und Preußen anfchlossen. Gerade in Langres, von dessen Besitz Schwarzenberg so Großes erwartet hatte, kamen die Gegensätze zum AuSbruch. Man geriet -hart aneinander, «ä man LutzerliA iweretnlam auf Fortsetzung sowohl der kriegerischen Unternehmen als der politischen Verhandlungen. Alexander und Friedrich Wilhelm begaben sich erzürnt von dan nen, Schwarzenberg hatte von Metternich die Weisung, sich möglichst zurückzuhalten, und Na poleon erhielt die Mitteilung, daß Bevollmäch tigte am S. Februar tm Chatillon zur Be sprechung über ehren Frieden etntreffen würden. Somit zeigten sich glücklich die unsinnigsten Ver hältnisse geschaffen, während die Soldaten Krieg führten, berieten die Diplomaten sein Ende. Verstimmt und niedergedrückt verließ Napo leon erst am 25. Januar seine Hauptstadt und begab sich zmn Heere. Nach anfänglichen ge ringen Erfolgen erlitt er bei La Rothiere durch Blücher eine schwere Niederlage. Alles war verloren; kleinlaut machte der Geschlagene in Lhatillon weitgehende Zugeständnisse. Zwar rückte der Feind nur zögernd hinter ihm her auf Paris los, aber er gelangte doch weiter uno weiter. Da in höchster Not warf der Kaiser die Anschauung von sich, die ihn bislang nie dergedrückt zu haben schien. Mit Macht ging er vor, traf auf eine Lücke, die Schwarzenbergs Ungeschick gelassen hatte, warf sich auf die ge rade auseinander gezogene Schlesische Armee, besiegte sie in mehreren Gefechten, Schlag aus Schlag, so daß sie sich eilig hinter die Marne in Sicherheit bringen muhte; nun suchte er die Hauptarmee auf, von der er ebenfalls einige Teile schlug. Schwarzenberg verlor geradezu den Kopf in dem Wirrwarr von Politik, Meinungen und Waffen: er wich zurück und knüpfte haltlos Waffcnstillstandsverhandlungen an. Man schien vollständig abgewirtschaftet -u haben, da» Un mögliche zur Tatsache geworden zu sein: der Sieg des Besiegten. Umbraust vom Jubel der Bevölkerung zog der Imperator ein in Troyes. Der Erfolg be rauschte ihn, er glaubte sich seiner Sache sicher. Absichtlich vereitelie er sowohl die Waffensttll- standsangebote als die ihm günstigen Verhand lungen von Ehanllvn. Doch damit Überspannte er den Bogen. Nun waren e- die Verbündeten, welche sich aufrafften. Sein Glück tm Feld« ist Napoleon» Unglück geworden.