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Vie schöne LrzrUeuz. 471 Roman von L. Tschürm«. lKachüruck verböte».) Zart unL biegsam wie eine Elfe, und doch voll kommen fest, saß sie auf dem feurigen Tiere, da» mit dem gemäßigten Tempo der Gangart keineswegs ein verstanden zu fein schien; denn es tänzelte förmlich vor Ungeduld, und Erich blieb deshalb dicht an der Seite seiner Braut, immer bereit, die Zügel zu er greifen, falls die kleine Hand sich zu schwach erweisen sollte. „Nicht so fest", mahifte er, „loser; er wird sonst rebellisch!" Ein Schelmenlächcln glitt um Sasäjas Lippen; sie machte ihren Verlobten auf ein Volk Rebhühner aufmerksam, das eben von den jenseitigen Feldern aufsticg, und während er dort hinübersah, flog sic auf ihrem feurigen Tiere plötzlich mit Blitzesschnelle die Landstraße entlang. Er fuhr im ersten Moment entsetzt zusammen; im nächsten sah er wohl, daß er für die brillante Reiterin da vor ihm keinerlei Befürchtungen zu hegen brauchte; er gab seinem Pferde die Sporen und jagte ihr nach. Leicht machte sie ihm das Einholen nicht; als sie dann doch die Hufschläge seines Pferdes hinter sich hörte, warf sie mitten in der tollen Galoppade ihr Pferd herum, und aus ihren Augen blitzte ihm die übermütigste Schelmerei entgegen. „Habe ich dir nun bewiesen, daß ich zu reiten ver stehe?" fragte sie triumphierend. Er war im Nu neben ihr. drängte sein Pferd dicht an das ihre, und indem er sie mit dem rechten Arm umschlang, küßte er ihren lachenden Mund mit un gestümer Zärtlichkeit. „O, du Bösewicht", schalt er. „du Hexe, du kleine Teufelin! Mich so zu erschrecken! Schämst du dich nicht, du Kobold? Was soll ich mit dir anfangen?" Eigentlich eine recht unnütze Frage, denn er be wies durch die Tat, daß er gerade in diesem Augen blick wisse, was er mit ihr anfangen sollte. Der Reitknecht kam in Sicht: die beiden wandten ihre Pferde und ritten weiter dicht aneinander, Hand in Hand, Auge in Auge, schweigend. Das höchste Glück hat wie der tiefste Schmerz keine Worte. Wozu hätten sie auch Worte gebraucht? Ihre Blicke tauchten ineinander mit der beredten Sprache der Leidenschaft, ihre Herzen klopften stür misch: jeder von ihnen fühlte den erhöhten Puls schlag in der Hand des andern. Was hätten sie sich sagen sollen? Es war ein stummes Liebesbekenntnis — heißer, überzeugender, als es sich in Worte kleiden läßt. Am Eingänge eines nahen Dorfes trafen sie auf eine andere Kavalkade, die ihnen entgegenkam — sechs oder sieben Herren und bei ihnen eine einzige Dame. Sascha erkannte die letztere sofort; es war Mademoiselle Antoinette Dufour, die Kunstreiterin. Unter den Herren waren der hübsche Vrenken, Göl- ling und Dahlen — der letztere in übelster Laune, die durch den Anblick des glücklichen Brautpaares nicht eben gebessert wurde. Der arme Legatronsrat hatte heute schon viel vom Spott seiner Begleiter zu leiden gehabt; er sah sehr echauffiert aus, und aus seinen Rofinenäuglein lachte nicht die gewohnte Selbstgefälligkeit. Man hatte es auch gar zu arg getrieben. War es vielleicht seine Schuld, daß der korpulente Braune, den er ritt, so eigensinnig war wie ein Maultier, daß er manchmal mitten auf der Straste stehen blieb uiw dann wieder in einen unregelmäßigen Trab ver fiel, au» dem er durchaus in keine irgendwie ver nünftige regelmäßige Gangart zu bringen war. „Sie retten ihn zu selten, Legationsrätchen", spöt telte Göllina, der mit schadenfrohem Vergnügen dem Kampfe zwischen Roß und Reiter zujah; „der Gaul ist an die langen Beine Ihres Grooms gewöhnt, Ihre kurzen machen ihn nervös." „Die RUckenbreite des Tieres steht in gar keinem Verhältnis zu Ihren unteren Extremitäten", ver sicherte ein impertinenter Leutnant. „Man schwebt in förmlicher Angst, Sie nach rechts oder links sanft heruntcrrutschen zu sehen; 's ist ja wahrhaftig ein Kunststück, unter solchen Umständen sein Gleichgewicht zu behaupten. Pyramidale Leistung von Ihnen, wirklich ganz pyramidale Leistung!" „Er sitzt auf dem Bucephalus und sprengt mit ihm im Trab davon", zitierte Mademoiselle Antoinette unter allgemeinem Beifall. „Sind Sie auch sicher, daß in den Gedanken Ihres Gaules alles in Ordnung ist?" fragte ein anderer mit geradezu empörender Harmlosigkeit. „Ich an Ihrer Stelle würde ihn unbedingt vom Roßarzt un tersuchen lassen. Natürlich ist es auf keinen Fall, daß er die Beine wie Kraut und Rüben durcheinander wirft." Als Dahlen das Brautpaar kommen sah, ver suchte er sich zurechtzusetzen und imposant auszusehen, ein Bemühen, das gerade das Gegenteil der beabsich tigten Wirkung hervorbrachte. Der Kunstreiterin war seine Anstrengung nicht entgangen. „Geben Sie sich keine unnütze Mühe, Monsieur", sagte sie mit herbem Spott; „die Herrschaften dort drüben scheinen nicht geneigt, uns arme Sterbliche zu beachten." Sie hatte — zum Teil wenigstens — recht. Die Art, in der Gülzow die ihm gebotenen Grüße be antwortete, war jedenfalls sehr kurz und beiläufig; dagegen sah Sascha freundlich zu der Wiederhergestell ten herüber, die ihr übrigens heute mit der trotzig herben Miene nicht halb so gut gefiel wie damals. Der hübschen Kunstreiterin erging es jetzt ähnlich wie dem Legationsrat; auch ihr war die Laune ver dorben, ustd sie gab sich durchaus keine Mühe, das zu verbergen. Noch war sie keine erste Größe, aber sie besaß bc- reits die ganze Launenhaftigkeit einer solchen. „Sie langweilen mich." in vaix." Solche und ähnliche Antworten im Tone eines Pariser Gassenjungen gegeben, waren das ganze Re sultat, das die Herren durch ihre Schmeicheleien und Liebenswürdigkeiten erzielten. Sie räumten endlich das Feld — vielleicht nicht eben böse über den Vorwand — denn man kam jetzt kn die Nähe der Stadt, wo man doch nicht länger der pikanten Künstlerin als Eskorte dienen konnte. Die Herren empfahlen sich also; nur Dahlen blieb an der Seite der Kunstreiterin. „Nun, wollen Sie den anderen nicht folgen?" fragte Mademoiselle Antoinette herausfordernd. „Ich kann Sie entbehren." Sie gab dabei ihrem Pferde einen Ruck, daß e» sich hoch aufdäumte und dadurch den dicken Braunen des Legationsrates veranlaßte, erschrocken beiseite zu springen. Mademoiselle Antoinette lachte ausgelassen über Dahlens Bemühungen, im Gleichgewicht zu bleiben; aber sie ließ ihn doch gewähren, als er wieder an ihrer Seite ritt. „Seien Sie doch nicht so hart, schöne Freundin", bat er; „lassen Sie mir das Vergnügen, noch ein lvenig mit Ihnen zu plaudern. Es ist das letztemal heute; morgen reisen Sie ab." Er seufzte und setzte eine Miene auf, als ob er mit Selbstmordgedanken umginge. Mademoiselle Antoinette musterte ihn mit einem spöttisct)en Seitenblick. „Zu welchem Zwecke führen Sie denn diese Ko mödie auf, lieber Legattonsrat?" fragte sie. Ein ganzes Heer von Dosheitsteufelchen saß in ihren Wangengrübchen und den blitzenden, schwarzen Augen, als sie fortfuhr: „Ich habe nie irgend jemand mit einem so unausgesprochenen Talent für das Komische gesehen, Sie haben Ihren Beruf verfehlt. Als Clown wären Sie eine europäische Berühmtheit ge worden. Und nie sind Sie drolliger, als wenn Sie es mit der Melancholie versuchen. Es ist, um Lach krämpfe zu bekommen!" Uno sie lachte dabei wirklich so hell und boshaft, daß der empfindliche Braune die Ohren spitzte und darüber nachdachte, ob er nicht gut tun würde, eine seiner Extranummern zum besten zu geben. „Grausamkeit, dein Name ist Weib!" deklamierte Dahlen. „Apropos, schöne Freundin, sagen Sie mir doch, warum der Anblick unseres neuesten Braut paares Sie so verstimmt hat. Von der Minute ab war Ihre gute Laune verschwunden. Sollte es wahr sein, was man an unserer Tafelrunde behauptet, daß Sie ein ganz besonderes Tendre für Liefen undank- lmren Gülzow gehabt haben, und daß Ihr jetziger Haß nur verschmähte Liebe ist?" „Wer sagt solche Albernheiten?" rief Mademoiselle Antoinette empört. Jetzt war die Reihe des Spottlächclns an Dahlen; aber er hütete sich wohl, dieses Lächeln gar zu offen zu zeigen; vielmehr sagte er beschwichtigend: „Gülzow nicht! ilvenn Ihr Verdacht sich gegen ihn richtet, so tun Sie ihm unrecht. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß er vollkommen unschuldig ist in Lieser Hinsicht; er hat dem Gerücht durch nichts Vorschub geleistet. Ganz im Gegenteil — Sie ver zeihen doch, wenn ich offen bin, schönste Freundin —, er wies die Mitteilungen, daß zwischen ihm und Ihnen irgendein Verhältnis bestehe, so namenlos gleichgültig zurück, Laß man wirklich nicht umhin konnte, ihm zu glauben." In den Augen der Kunstreiterin flammte der Zorn auf, sie preßte die weißen, spitzen Zähne auf die volle Unterlippe. „So — und was sagte er eigentlich?" fragte sie nach einer kleinen Weile. Der Legationsrat schien zu überlegen. „So ganz genau weiß ich es nicht mehr", sagte er dann. „Und überdies — ich sehe, es regt Sie auf. Nichts mehr davon! Lassen Sie uns kein Wort mehr verlieren über den hochmütigen Patron, der cs wirklich nicht verdient, daß Sie irgendwelches Ge fühl, sei es auch nur des Aergers, an ihn verschwen den. Sie werden in Paris Bewunderer en rvaLso haben, vergessen Sie di« Impertinenzen dieses Un dankbaren, der — Ihre Aufregung läßt mir keinen Zweifel darüber — Ihnen doch nicht ganz so gleich gültig ist, wie Sie sich den Anschein geben möchten." Trotzig warf Mademoiselle Antoinette den Kopf zurück. „Torheit", saLte sie in. wegwerfendstem Tone; „aber ich will wissen, was er gesagt hat. So sprechen «ie doch!" „Wie Sie befehlen, Schönste. Die Sache war etwa so. Lölling — vielleicht ivar es auch ein anderer, ich weiß es wirklich nicht mehr genau — kurz, einer der Herren fragte den Grasen Gülzow, was er mit Ihnen gehabt habe. Sie seien gewaltig schlecht auf ihn zu sprechen. Nun, da sagte er sehr von oben herab: Vedaure, Ihnen keine Auskunft geben zu können. Ich kenne diese Person kaum und wüßte nicht, wodurch ich mir ihren Zorn zugezogen haben könnte!" Die Kunstreiterin atmete schnell; man sah es ihr an, wie der Zorn in ihr tobte. „Diese Person!" murmelte die Kunstreiterin. „Sind Sie ganz sicher, daß Gülzow mich „diese Person" ge nannt hat?" „Ja — darauf besinne ich mich genau", erwiderte der Legationsrat. „Wie — noch mehr? Was ist's?" „Bewahre! Ich verrate Ihnen nichts mehr, schönste Freundin. Sie scheinen mir ganz in der Laune, noch zum Schluß eine große Unvorsichtigkeit zu begehen." „Lassen Sie das meine Sorge sein!" „Sie könnten auch mich selbst in große Ungelegen- heiten bringen." Mademoiselle Antoinette musterte ihren Begleiter mit einem Blick äußerster Geringschätzung. „Ah, nun begreife ich", sagte sie spöttisch. „Sie fürchten für Ihre eigene werte Person. Beruhigen Sie sich, ich werde Sie nicht verraten. Was ich tue, tue ich für eigene Rechnung. Also was war's? So reden Sie doch endlich, Sie Ritter ohne Furcht und Tadel!" Der Legationsrat schien der Ansicht zu sein, daß Beleidigungen aus schönem Damenmunde nicht ver wunden können, denn er lächelte nur verbindlich zu den höhnischen Worten der Kunstreiterin und sagte dann sehr zuvorkommend: „Ihr Wille ist mir Befehl, schönste Freundin! Sic bestehen darauf, den bitteren Trank bis zur Hefe zu leeren: mir bleibt also nichts übrig, als Ihnen den Becher zu reichen —" „Keine weiteren Phrasen! Ich bitte, zur Sache!" „Ich bin schon dabei. Also wir sprachen von Ihrer Reitkunst, von Ihren persönlichen Vorzügen, von Ihrem pikanten Wesen, und all- waren einig in Ihrem Lobe, nur Gülzow sagte etwas von —" „Nun — wozu dieses alberne Zögern?" „Von Stattmanieren!" Mademoiselle Antoinette riß ihr Pferd so heftig herum, daß der nervöse Braune des Legationsrates sofort wieder einen seiner Anfälle bekam. „Das ist nicht wahr!" rief sie außer sich. „Buchstäblich wahr ist cs", versicherte der Leqa- tionsrat, indem er die Gemütsruhe feines Gaules durch liebevolles Klopfen und Streicheln wiederher zustellen suchte. (Fortsetzung in der Abendausgabe.1 V Der Minister für Handel und Gewerbe. I.-Nr. Ha. z-rs. Berlin w. y, den 9^" )uni 19N- Leipziger Straße 2. 2eine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, auf meinen Antrag durch Allerhöchsten Erlaß vom 30. Mai d. der bleuen Automobil - Gesellschaft m. b. L). in Anerkennung der Verdienste um die Automobilindustrie und insbesondere um das militärische (astkraftfahrwesen die ^taatsmedaille für gewerbliche Leistungen in Gold zu verleihen. Die Medaille nebst Beschreibung sowie eine über die Aller höchste Verleihung von mir ausgefertigte Urkunde sind ange- schloffen. )m Auftrage An die Neue Automobil - Gesellschaft m. b. Es in Ober-Schöneweide. 524 Wiener unä VktendLvker I-oüervLrv» kamen-TäLefteften korrdaparts tlsuksiton in allen ?vsl8laA6u Vloäsrvs vmkLvAS-Ia8ok6n in 8amt, 6olä ete. Mv l'kbatsr, Lonrevtsaal unä 8tra8se mm korlkNWNNaillZ - - 2tASN'8llt38ek6N unü SniLflkweKkIl kiki88-bkek88sii'k8 in großer LlimM I-OLNS vvZINS Uanävl8k0f, 6rlmmai8eti6 8tr., Leks KsietiLLtr. Neisesnclentzen. Äichergerichtl. u. Znmngsvergteichc erfolgreich durch k. 6r»k, Leipzig, Dresdner Straße 51 (Tel. 19672). orsr« Empfehlung. De« geehrte» Bewohnern von Leipzig und Umgebung wird der in der LandeSblindenanstatt ausgebildete «orvmacher und Rotzrstnhlflechter Herr Kurt AeUulL» i» Leipziq-Bolkmarsdorf, Kirchstraße 29, zur gütigen Berück- iichtiauug angelegentlich empfohlen. Er hält fertige Korbwaren, sowie Bürsten- und Besenworen auf Lager. Th.mnid, im yulllSII. Direktion äer koniglioben l-glläesklinklenllttstalt. Vertreter für Leipzig unä Umgebung: k. llrtdur Novalä L w. d. L, Leserir. l. ÄifltN KVI^PUÜSUW und »-III.Il.inI.vtl XV LilSLvta-'kLblettso, ^»lomoats-Lpotdetze, Grimmaische Straße 17. Tel. 207o.