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?sl!lische Umschau. Gllenvalznen unü Streik. Angesichts der schweren Erschütterungen des eng lischen Wirtschaftslebens durch den Eisen, bahn er st reit schreibt die „Deutsche Industrie", das Organ des Bundes der Industriellen: „Auch in Deutschland wird öfter die Frage geprüft, ob der Verkehr der deutschen Staatsbahnen gegen die Gefahr eines Eisenoahnerstreiks gesichert ist. Es ist nicht zu verkennen, daß gewisse Kreise der sozialdemokratischen Partei nichts unver sucht lassen, um zur Vorbereitung eines solchen Streiks eine sozialdemokratischen Wünschen gefügige Olga- nifation der deutschen Eifenbahnbeamten und -ar- deiter ins Leben zu rufen. Eine Gewerkschaft, der Deutsche Transportarbeiterverband, hat eine „Reichs sektion der Eisenbahner" gebildet, mehrere sozialde mokratische Blätter sind für die Agitation unter den Eijenbahn-Werkstättenaroeitern ins Leben gerufen worden, man versucht Versammlungen von Eisen- bcchnarbeitern abzuhalten, verteilt regelmäßig vor den Bahnhöfen und Ersenbahnwerkstätten Flug blätter und „Weckrufe". Insbesondere scheint diese Agitation jetzt in Anlehnung an die Wirksamkeit der französischen Syndikate in Elsaß-Lothringen tätig zu sein. Das Bemühen der Sozialdemokratie um die Or- ganiation der Eisenbahner hat natürlich nur zum Schein das Ziel, die Löhne und Arbeitsbedingungen im Eisenbahndienste zu verbessern. Da die Arbeits verhältnisse bei den Staatsbahncn in vielen Fällen besser, vor allem aber gesickerter sind als die ent sprechenden Verhältnisse vieler Industriearbeiter, was durch den überaus großen Andrang gelernter und ungelernter Arbeiter zum Staatsbahndienste bezeugt wird, läge für eine so außerordentlich betriebsame ge werkschaftliche Organisätionsarbeit unter den Eisenbahnern kein Anlaß vor. Die Arbeitsoerhält- nisse geben nur den Vorwand; das Ziel ist, eine große soyialdemokrcrtische Organisation der Eisenbahnbe- amtcn und -arbeite! zu schaffen, die in der Hand der sozialdemokratischen Parteileitung ein überaus wirk sames Mittel zur Erzwingung politischer Forde rungen wäre. Eine sozialdemokratische Eisenbahner organisation soll dazu helfen, „alle Räder still stehen" zu lassen, soll auch gewissen radikalen Wünschen im Mobilmachungsfalle dienen. All die fruchtlosen und verlegenen Streitereien der Sozialdemokratie über die Anbahnung des „Generalstreiks" müssen jetzt noch vor der Tatsache halt machen, daß ein sogenannter Generalstreik in Deutschland insbesondere das hoch bedeutsame Verkehrswesen gegenwärtig unangetastet lassen müßte. Unter diesen Gesichtspunkten sind die- emsigen Be mühungen der Sozialdemokratie zur Organisierung der Eisenbahner sehr verständlich. Sie sind aber seit einer langen Reihe von Fahren ungefähr auf dem selben. Punkte der Bedeutungslosigkeit geblieben. Denn schon das für den eigentlichen Eisenbahndienst vor allem wichtige Heer dcr^Unterbeamten. einschließ lich der Lokomotivführer, Werkführer und Vorarbeiter ist infolge seines Beamtenverhältnisses der gewerk schaftlichen Agitation bisher völlig unzugänglich ge blieben. Und unter den eigentlichen Eisenbahnar beitern hat der Transportarbeiterverband bisher bei aller Heimlichkeit nur wenig Mitglieder werben können. Denn allen Beteiligten ist durch die regel mäßig wiederholten Bekanntmachungen der verschie denen Eisenbahndirektionen wohl bewußt, daß die Teilnahme an jenen sozialdemokratischen, gewerk schaftlichen Bestrebungen unnachsichtlich die sofor tige Entlassung aus dem doch von allen sehr geschätzten Arbritsverhältnis bei der Staatsbahn nach sich zieht. In einer Reihe von Fällen haben die Ver waltungen auch die angedrohten Entlassungen sogleich voraenömmen und sic trotz des Lärms der sozialde mokratischen Bresse aufrechterhalten. Im oanzen kann man gegenwärtig fcststellen. daß die Verhältnisse im deutschen Eisenbahndicnste die Gefahr eines Streiks nach ausländischem Muster und die damit verbun denen überaus schweren Schädigungen des ganzen Wirtschaftslebens ausschließen." Oie ersten Megerkommanüos von MarineoMzieren. Das Flugwesen in der Marine hat einen weiteren Fortschritt erfahren. Die ersten Kommandos non Marineoffizieren zur Ausbildung in Johannisthal sind vor kurzer Zeit erfolgt. Einige Marineoffiziere haben den Unterricht bereits be endet und werden der Station Danzig überwiesen werden, wo bekanntlich der Marine-Oberinaenieur Loew auf einem Fritsche-Etrich-Rumpler-Apparat von der Holminsel aus Flugversuche unternimmt. Auf Grund der Erfahrungen der dann in Danzig zu stationierenden Fliegeroffiziere der Marine sollen die weiteren Maßnahmen getroffen werden. Der Leiter der Station wird voraussichtlich der älteste der nach Johannisthal kommandierten Seeoffiziere. Ka pitänleutnant Hering, der seine Lehrzeit auf einem Fliegerapparat „Luftverkehr-Albatros-Zwei decker" in kurzer Zeit vollenden wird. Fertig aus gebildet sind bereits Kapitänleutnant Goltz auf „Al batros-Luftverkehr-Zweidecker", ferner Oberleutnant zur See Hartmann auf Wright-Zweidecker. Der Ober leutnant zur See Bertram, der Passagier des be kannten Fliegers Vollmoeller vom Deutschen Rund slug, wird soeben auf einem Original-Etrich- Rumpler-Eindccker s„Taube"j seinen Flugunterricht beginnen. Die weiteren Maßnahmen der Marine verwaltung erstrecken sich auf die Konstruktion eines Flugapparates, der auf dem Wasser landen und vom Wasser aus aufsteigen kann. Es wird darum interessieren, daß bereitsinFrank- reich ein derartiges Luftfahrzeug, die „Ente" ge nannt, vor einigen Tagen seine ersten erfolgreichen Landungs- und Aufstiegsversuche machte. Der Flieger Colliex führte ein „Wasser-Flugzeug" vor. Es ist ein neuer Voison-Zweidecker, der mit Schwim mern versehen ist. In Gegenwart von französischen, russischen und italienischen Offizieren erhob sich Collier auf dem Flugfelde von Jssy-les-Moulineaux und ließ sich auf die nahe Seine nieder. Von der Seine stieg Collier bei dem Viadukt Auteuil wieder von dem Wasser auf, führte einige Manöver über der Ortschaft Suresmes aus und ließ sich wieder in der Nähe des Pont-des-Peupliers auf dem Wasser nie der. Denselben Versuch machte er zum dritten Male. Auch der rumänische Fürst Bibesko machte ähnliche Versuche mit einem „Wothern-Doppeldecker". Der Leutnant zur See Coneau landete fernerhin auf mnem Platze von 30 Meter Länge und 25 Meter Breite. Dieses Manöver wurde allerdings in Johannisthal schon übertroffen. Deutlches Reich. Leipzig, 29. August. * Einschränkung der Manöver. Wie dem „Bor- naer Tgbl." gemeldet wird, hat die Militärbehörde in Anbetracht der schwierigen Lage, in der sich die Landw irtsckWft zurzeit befindet, aus die Einzelübungen der zweiten Feldartillerie brigade Nr. 24 verzichtet und auch die Ein quartierungen zurückgezogen. * Voruntersuchung gegen den Spion Stewart. Boesmanns Bureau in Bremen meldet: Die Vor untersuchung in der Spionageangelegenheit des Eng länders Stewart ist vom Reichsgericht in Leipzig beschlossen worden. Der Angeklagte wird in den nächsten Tagen nach Leipzig übergesührt werden. * * Der Reichskanzler gedenkt, wie unser Berliner 3-Berichterstatter meldet, am Donnerstag nach Berlin zu kommen. Vermutlich wird sein Aufent halt mehrere Tage währen. Man braucht daraus noch nicht auf erne nahe bevorstehende endgültige Entscheidung in der Marokkofrage zu schliezen; doch kann über die Bedeutsamkeit der im zweiten Teile dieser Woche in Berlin zu führenden Beratungen kaum ein Zweifel sein. * Exzellenz Graf Schwerin-Löwitz. Der „Preuß. Staatsanz." meldet: Der König verlieh anläßlich seiner Anwesenheit in der Provinz Pommern dem Vorsitzenden der Landwirtschastskammer der Provinz Pommern, Rittergutsbesitzer Dr. Gras v. Schwerin auf Löwitz den Charakter als Wirll. Geh. Rat mit dem Prädikat Exzellenz. — Graf Schwerin ist der gegenwärtige Rerchstagspräsident. * Inkrafttreten der militärischen Verfassung. Der „Neicbsanz."veröffentlicht eine KaiserlicheVerordnung vom 21. August, wonach das Gesetz über die Ver fassung Elsaß-Lothringens vom 31. Mai rn seinem ganzen Umfang mit dem 1. September in Kraft tritt. * Preußisches Staatsministerium und Landtags einberufung. Das preußische Staatsministerium soll, wie wir hören, nach den Ferien zum erstenmal in der zweiten Woche des September zusammeinreten, da zu diesem Zeitpunkte alle Minister von Urlaub zurückgekehrt sind. In dieser Sitzung dürfte die Frage der Einberufung des Landtages auf dem Programm stehen. Ebenso ist zu erwarten, daß sich das Staats ministerium mit den gesetzgeberischen Aufgaben be fassen wird, die für die nächste Tätigkeit des Parla ments in Frage kommt. * Errichtung eines Internationalen Statistischen Amtes. Wie wir erfahren, wird vom 4. bis 8. September d. I. das Internationale Sta tistische Institut im Haag tagen. Aus der reich haltigen Tagesordnung sind u. cn die Berichte von Neymarck über „Internationale Statistik der Wert papiere", von de Rose über „Kriminalität der Groß städte", von Vorles über „Internationale Finanz statistik" zu erwähnen. Besonderes Interesse dürfte der Bericht des Präsidenten des Kaiserlichen Sta tistischen Amtes van der Borght über die Errichtung eines Internationalen Statistischen Amtes erregen. Es handelt sich hier um einen bereits vor zwei Jahren auf der Pariser Tagung gemachten Vorschlag, den inzwischen eine internationale Kommission ge prüft hat. Erfreulicherweise hat sich eine erhebliche Anzahl der Mitglieder für die Errichtung eines Internationalen Statistischen Dienst es ausgesprochen, dessen große Bedeutung für die Beschaffung internationaler vergleichbarer Ziffern insbesondere für eine fchdelle Berichterstattung auf dem Gebiete der internationalen Statistik ctuf der Hand liegt. Bereits auf der vorjährigen Inter nationalen handelsstatistischen Konferenz in Brüssel hatten die Vertreter von Deutschland sin privater Eigenschaft), Dänemark und Norwegen die Errich tung eines Internationalen handelsstatistsichen Amtes vorgeschlagen, und d.ic Vertreter der belgischen Regierung hatten sich unter gewissen Voraussetzungen aeneigt erklärt, diese Anregung weiter zu verfolgen. Es ist zu hoffen, daß diese beiden Vorschläge, sei es getrennt, fei es in Verbindung mitei: ander, sich ver wirklichen werden. " „Xunmims clausus" und Vermehrung der Rechtsanwälte. Ueber die Vermehrung der Rechts anwälte wirs der „Inf." von unterrichteter «eite geschrieben: Aus dem deutschen Anwaltstag in Würz burg soll über die Frage der Einführung eines „Xuincrru» clausus" verhandelt werden, da sich die Zahl der Rechtsanwälte sehr stark vermehrt hat. Nach Len amtlichen Erhebungen ist in den letzten Jahren allerdings eine starke Vermehrung der Zahl der Rechtsanwälte eingetreten. Während noch vor zehn Jahren die Vermehrung in einem Jahre durchschnitt lich 100 Rechtsanwälte betrug, ist sie in den letzten Jahren auf 500 gewachsen. Im Jahre 1899 betrug die Anzahl der an den ordentlichen Gerichten be schäftigten Anwälte 6629, im Jahre 1901 6830. In diesen zwei Jahren fand also eine Vermehrung um genau 201 Rechtsanwälte statt, d. h. es kommen auf jedes Jahr 106 Mehrstellen. In den nächsten zwei Jahren, hatte sich die Anzahl bereits verdoppelt. Im Jahre 1903 wurden 7250 Anwälte gezählt. Die Ver mehrung der Stellen betrug demgemäß 120, in einem Jahre also 210. Diese Steigerung hält auch in den nächsten Jahren an, da in den Jahren zwischen 1903 und 1905 eine Vermehrung um 300 Stellen in jedem Jahre zu verzeichnen war. Die nächsten Jahre brachten pro Jahr eine Vermehrung um 400 Anwälte, da im Jahre 1905 7865 Anwälte und im Jahre 1907 8640 gezahlt wurden. Das Jahr 1909 hatte eine weitere Steigerung der Vermehrung um 100 Stellen gebracht. Im Jahre 1909 gab es mehr als 9600 Anwälte. Ls ist nun die Frage, ob der „Anmci-ns clausus" unter allen Umständen zu empfehlen ist, da einigen Vorteilen auch mehrere Nachteile oeqenüberstehen. * Jungliberaler Bertretertag. Das Organ der Junglibcralen teilt mit, daß die diesjährig« Der- treterversammlung wahrscheinlich Mitte Oktober in Süddeutschland stattfinden werde. Die Jung liberalen Vereine werden dringend gebeten, Anträge zur Tagesordnung, politischer oder geschäftlicher Art, baldmöglichst vorzubereiten und der Geschäftsstelle in Köln, Eereondrieich 7, mitzuteilen, damit nicht, wie im vorigen Jahre, eine Nötigung vorhanden ist, An. träge von der Tagesordnung wrgzulassen. Nähere Mitteilungen über Ort und Zeitpunkt der Vertreter versammlung sollen noch erlassen werden. * Die fortschrittliche Landtagsfraktion in Sachsen- Weimar hat an das Staatsministerium eine erneute Eingabe gerichtet, beim Bundesrat zur zeit weiligen Aufhebung der Futtermittel zölle vorstellig zu werden. * Der erste Probeaufstieg des neuen „Zeppelin kür da» Heer. Wie der „Inf." mitgeteilt wird, steht schon für die nächste Zeit der erste Probeaufstieq des neuen Luftschiffkreuzers vom Typ Zeppelin in Fried richshafen bevor. Man nimmt an, daß die von der Heeresverwaltung vorgeschriebene Geschwindigkeit von 16 bis 17 Sekundenmetern durch die beim Bau des Luftkreuzers getroffenen Neuerungen noch über troffen werden wird, da auch das Luftschiff „Schwa- Len eine Geschwindigkeit von 19,3 Meter in der Sekunde aufweist. Diese Geschwindigkeit beruht nicht auf Zufällen, sondern ist ein Ergebnis der Er fahrungen, die man bet den letzten Bauten gemacht hat, und der auf diese Erfahrungen gegründeten Neuerungen in bezug auf Form. Motoren, Gewicht und Anbringung der Steuerungen. Bei den Probe fahrten werden voraussichtlich Vertreter der Heeres verwaltung anwesend sein. Ob das Luftschiff, wie von anderer Seite gemeldet wurde, nach Königsberg kommt, ist fraglich. Man kann vielmehr annehmen, daß es inKöln stationiert werden wird. Der Name des neuen Luftschiffes ist „H. 2". - Vergebung zweier Kriegsschiffe. Das Reichs marineamt hat soeben die Vergebung zwei neuer Krieasschiffsbauten, nämlich des Linienschiffes „Ersatz Kurfürst Friedrich Wilhelm" und des Linienschiffes „Ersatz Weißenburg", vorgenommen. Beide Schiffe sind Privatwerften übergeben worden, und zwar hat das eine Linienschiff die Weserwerft erhalten, während der Bauauftrag für das zweite Schiff der Vulkanworft in Hamburg erteilt worden ist. Für das Jahr 1911 sind noch zwei Neubauten vor gesehen. nämlich ein Panzerkreuzer und ein kleiner Kreuzer „Ersatz Geier . RuslsnL. Oesterreich-Ungarn. * Auflösung des ungarischen Reichstages. Wie in Pester eingeweihten politischen Kreisen aus das be stimmteste verlautet, wiöd der ungarisch« Reichstag nach der Audienz des Ministerpräsidenten Khuen- Hedervary beim Kaiser, die am 10. September in Schönbrunn stattfindet. aufgelöst werden. - Die Enthüllung des Kaiser-Franz-Josef-Denk- mals in Karlsbad. Am Montagvormittag fand in Karlsbad die feierliche Enthüllung des von Pro fessor B ö r m e l - Berlin geschaffenen Kaiser-Franz- Iosef-Denkmals in Anwesenheit des Erzherzogs Friedrich, des Statthalters Fürsten Thun, so wie zahlreicher Reichsdeutscher statt. Die Festrede hielt Geheimrat Paasche. Italien. * Streik der Straßenbahner in Neapel. Seit drei Monaten stehen die Angestellten der Straßenbahn in Neapel im Ausstand. Bisher ist es der Direktion jedoch gelungen, den Verkehr durch Hilfsmannschaften aufrecht zu erhalten. Am Sonntag nahm aber die Lage in der Stadt einen bedrohlichen Charakter an. Ausständige versuchten Straßen bahnwagen, die sich auf der Fahrt befanden, umzu werfen und so eine Einstellung des Verkehrs zu er zwingen. Die Polizei trat den Streikenden ent gegen. und es kam zu mehreren Zusammen stöße n. Hierbei wurden mehrere Verhaftungen vor genommen. Portugal. - Drohende Unruhen in Lissabon. Obwohl die meisten Zeitungen behaupten, daß überall im Land« Ruhe herrsche, scheint es doch, daß das Land vor neuen Unruhen steht. In Lissabon allein stehen 40000 Korkarbeiter, Auslader und Dockarbeiter im Aus stande. Die Unzufriedenheit in den Kreisen der Arbeiter ist überall sehr groß und berechtigt zu ernsten Befürchtungen. In Moita Almada und mehreren anderen Städten, die in der Nähe von Lissa bon liegen, herrscht unter der Bevölkerung große Aufregung. Man fürchtet den Ausbruch schwerer Unruhen und in großer A zahl haben die Einwohner bereits die Stadt verlassen und sich nach Lissabon begeben. Das „Diario de Noticias" be richtet über zahlreiche Sabotageakte, die in den letzten Tagen in Lissabon und in der Umgebung ge schehen sind. Die Urheber waren streikende Arbeiter, die sich in Gruppen zusammensanden und vielfach polizeiliches Vorgehen notwendig machen. Es kam zu verschiedenen harten Kämpfen zwischen Polizei und den Streikenden, wobei es auf beiden Seiten einige Verwundete gab. Die Patrizier ziehen es vor. zu Hause zu bleiben und ihre Häuser fest zu verschließen. Des Nachts werden die Paläste der Vornehmen von Geheimoeamten bewacht. Auch das Staatsgebäudc, in dem die Ministerien unter gebracht sind, steht unter dem Schutze einer starken Polizeieskorte. * Portugal nach der Präsidentenwahl. Die Presse spricht einmütig ihre Genugtuung darüber aus, daß Frankreich gleich die Anerkennung der Republik ausgesprochen hat. Man hebt besonders die Liebenswürdigkeit des Präsidenten Falliöres hervor, der eine große Sympathie für die neue Schwestcrrepublik zu erkennen gegeben hat. Die Präsidenten des Senats und der Kammer hatten eine Unterredung mit Präsident Arriaga, in der sie Vorschläge für die Zusammensetzung des neuen Kabinetts machten. * Amnestie für die Monarchisten. Der neuernannte Präsident der Republik hat erklärt, allen mon archistischen Verschwörern, die nach Portu gal zurückzukehren gedenken, völlige und allgemeine Amnestiezu erteilen. * Das Befinden Eombes'. Die Gesundheit des alten Senators Cambes, der bekanntlich das 76. Jahr überschritten hat, gibt zu den ernstesten Be denken Anlaß. Wie aus seiner Heimat gemeldet wird, hat ihn eine Erkältung sehr nntgenommen und seine Kräfte nehmen trotz aller ihm erwiesenen Pflege nach den letzten Meldungen besorgniserregend ab. Der alte Herr leidet an einer Magen- und Darm entzündung, die ihn schon verschiedentlich schwer heim gesucht hat. Spanien. * Protestkundgebungen gegen die Todesstrafe. Am Sonntag kam es in Barcelona zu großen Massen demonstrationen gegen die Todesstrafe. Die Mani festanten zogen nach dem Batalunaplatz, wo die Protestoersammlungen unter freiem Himmel abge halten wurden. Es kam wiederholt zu Zusam m e n- stüßen mit der Polizei, da die Manifestanten rote Fahnen entfaltet hatten und revo lutionäre Lieder anstimmten. Auch kam es zu wiederholten Zusammenstößen zwischen Radikalen und den Anhängern Don Jaimes, wobei es auf beiden Seiten Verwundete gab. * Automobilnnsall des Königs von Spanien. König Alfons hat, wie erst jetzt bekannt wird, vor einigen Tagen einen Automobilunfall erlitten. Der König hatte in Begleitung mehrerer Offizier« in San Sebastian ein Automobil bestiegen, um einen Aus flug nach Roncosoallos zu unternehmen. Plötzlich wurde die Reisegesellschaft von einem schweren Unwetter überrascht. Da die Landstraße durch den Regen sehr ausweichte und der Chauffeur auch die Uebersicht verlor, fuhr das Automobil plötzlich gegen einen Stein. Glücklicherweise blieben alle In sassen unverletzt. Doch wurden die Vorderräder des Automobils stark beschädigt, und da man keine Ersatzteile bei sich hatte, so konnte der König die Fahrt nicht fortsetzen. Aus dem nächstgelegenen Orte wurde «in anderes Automobil an die Unfallstelle be ordert, und nachdem der König einige Zeit den Un bilden der Witterung ausgesetzt war. konnte er mit dem neuen Automobil seine Reise nach Bayonne fort setzen. um von dort mit der Bahn nach San Sebastian zurückzukehren. Dänemark. - Protest der Sozialdemokratie gegen die Streik» bracher. Am Sonntag veranstaltete die Kopenhagener Sozialdemokratie unter freiem Himmel eine von 12000 Menschen besuchte Protestversammlung gegen die Streikbrecher im hiesigen Straßenbahner» streik. Von den 300 ausständigen Straßenbahnern sind etwa 50 unter den alten Bedingungen wieder zur Arbeit angetreten. Gegen diese Streikbrecher richtet sich nun der Haß nicht nur der 250 streikenden Straßenbahner, sondern der gesamten Sozialdemo kratie. Von drei Rednertribünen wurden flammende Reden gehalten und schließlich unter großem Tumult eine Resolution gegen die Streikbrecher angenommen. Ein junger Mann, der Widerspruch gegen die Re- olution erhoben hatte, wurde angegriffen und ver- olgt. Er flüchtete in ein Haus, das stundenlang lelagert wurde. Doch gelang es, ihn aus dem Hause heimlich zu entführen. Türkei. - Konflikt zwischen der türkischen Regierung und der Stadtverwaltung von Konstantinopel. Di« Re gierung beauftragt« Kiazim Bei, den Präfekten von Konstantinopel, den Stadtrat aufzu« lösen und neue Wahlen zu veranlassen. Man bringt diese Maßnahmen der Regierung mit den un genügenden V o r ke h r u n g e n , die die Stadt gegen die Cholera getroffen hat, in Verbindung. preUtimmen. Eine Abschüttelung des englischen Diplomaten, der in der „W jener Neuen Freien Presse" scharf gegen das Deutsche Reich gehetzt hatte, vollzieht Prof. Hans Delbrück in demselben Blatte: „Die Stimmung Deutschlands ist so ernst, daß die französische Kammer sich schwerlich, wie der englische Diplomat meint, weigern würde, einen von der Regierung abgeschlossenen Vertrag zu ratifizieren. Der ergentlicheSitzdesWider- stanoes gegen einen vernünftigen Ausgleich scheint nach allein, lyas inan jetzt vernommen, nicht sowohl Frankreich zu sein als England. Wenn der Welt friede bedroht erscheint, so mag er sich dafür bei Herrn Lloyd-George und dem ungenannten englischen Diplo maten bedanken. Auch in Deutschland wird man England diese Einmischung nicht vergessen. Was würde England dabei für einen Schaden erleiden, wenn wir schließlich Len Franzosen Marokko über ließen, den Franzosen dadurch die Möglichkeit eines großen geschlossenen nordafrikanischcn Reiches schüfen und dafür den französischen Kongo eintauschten? Hat England nicht genug daran, daß es vierhundert Millionen Menschen, ein volles Viertel der Menschheit, bcherrscht, und glaubt es, ein so großes Volk wie das deutsche auf alle Zeit in seinen Kon tinentalgrenzen einsperren zu können? Es wäre schrecklich für die allgemeine Kultur, wenn dem so wäre. Kein Besonnener verkennt, wie grauenhaft heute ein Krieg unrcr den Kulturvölkern wüten müßte. Aber die englische Diplomatie möge es sich merken: Demütigen läßt Deutschland sich nicht mehr, es möge kommen, was da wolle!" Die „Deutsche Tageszeitung" wünscht an unseren Unterrichtsanstalten mit Recht mehr völkische Bildung: „Wer junge Deutsche erziehen will, der muß die Heldenge schichte der Führer des deut schen Volkstums in den Vordergrund rücken. Und wem es wirklich darum zu tun ist, die edle, bodenständige deutsch-völkische Bildung zu fördern, der mutz dafür sorgen, daß unsere werdenden Jüng linge nicht nur eingeführt werden in die hohen, köst lichen Tempel deutscher Dichtung und deutschen Schrifttums, sondern daß sie auch das vernehmen, be greifen und beherzigen, was die großen Seher, Pro pheten und Helden des deutschen Volkstums gesagt und verkündet haben. Mir lesen in den deutschen Gymnasien und in Leu anderen Mittelschulen viele Dichterwerke, die nicht immer deutschen Geistes voll sind, ja mitunter sogar solchen Geistes kaum einen Hauch verspürt haben. Warum bieten wir den Jünglingen nicht die Schriften Ernst Moritz Arndts, nicht die Hauptaufsütze Treitschkes, nicht vor allen Dingen einen tüchtigen Auszug aus Bismarcks „Gedanken und Erinnerun gen"? Wir können es nicht verstehen, daß diese Erinnerungen eines Mannes, Le: in sich das Ideal völkischer Erzieyung darstellt, nicht schon längst in allen höheren Schulen im deutschen und im geschieht- lichen Unterrichte als Lese- und Lernbuch eingeführt worden sind. In der Hand eines richtigen, tüchtigen Lehrers würden die Bismarckschen Gedanken und Er innerungen das beste völkische Bildung», mittel sein." Für die Wiedergenesung des deutschen Botts« tums setzen sich die „Münchener Neuesten Nachrichten" sehr lebhaft ein: „An die Stelle des Notwendigen, das uns zu M en ? ch e n macht, ist das Nützliche getreten, La» uns von Anfang an zu Berufsmenschen stempelt. Eine große Weltanschauung fehlt uns, die die Einzelkenntnisse zusammenknüpft und durch die Einheit der Persönlichkeit organisch, nicht nur mechanisch verbindet. Aus dem Mangel einer starken Weltanschauung ergeben sich dann dre vielen kleineren Mängel unserer heutigen Kultur: unsere Unsicherheit in ethischen und religiösen Fragen, unser stetes Hernmexperimentieren in Sachen der Er» Ziehung, unser unklares, bald knechtisches, bald weg» werfendes Verhallen gegen die überlieferten Autori täten in Staat und Gesellschaft. Wir wollen überall frei scheinen, ohne wirklich frei zusein, wir möchten uns so gerne selbständig gebärden, aber doch zugleich die unangenehmen Folgen der Selbstän« digkeit und Unabhängigkeit vermeiden, wir beugen uns immer wieder unter das sclbstgezimmcrte Joch der Konvention und es kostet uns die schwersten Kämpfe, einmal anders zu sein, als die anderen, einmal etwas zu tun, was unser Herz uns gebietet, ohne nach dem zu fragen, was die „Leute' sagen. Die Ursache all dieser Schäden aber suchen wir am liebsten in den Institutionen, die uns umgeben, nie in uns selbst. Immer wieder ist so die Gefahr vor« Händen, daß die Unzufriedenheit mit unserer Lag« uns in die häßlichen Tage des sin oieclc zurück» werfe. Dem entgegenzukämvfen ist unser aller Auf» gäbe; wir leben in einer Zeit der Wiedergenesung, wir müssen uns aber auch bewußt werden, daß solch eine Zeit uns eine schwere Verantwortung auferlegt. Wir dürfen uns nicht ruhesclig einreden, daß es unserer Mitarbeit an der nationalen Entwick lung nicht bedürfe. Wir müssen im Gegenteil s» schaffen, als ob es gerade auf uns besonder» ankäme. Die Geschichte geht nicht unbeirrbar durch den Einzelwillen thren GangidieMachtderPer- sönlichkett kann überall lenkend eingreifen in die Geschicke der Völker. Eine Zeit ist groß, wen» sie groß sein will; ein Volk ist gesund, wenn die Mehrheit der Volksgenossen erkennt, daß sie krank gewesen ist. Der Wille zur Gesundheit, der Will« zur Tat entscheidet. Wir dürfen nicht mehr tatenlo» warten, bis wieder ein Großer kommt, um die Fehler von Jahrhunderten gut zu machen; wir selbst müssen schaffen und helfen, müssen die Keime fördern und pflegen, die schon vorhanden sind, müssen die Ernten einführen und neue Samenkörner auswerfen. Mit solcher Arbeit für unser Volk und a n unferm Volke erst erwerben wir uns das Recht auf unsere nati»» nale Existen z."